Lufthansa: Staatshilfe ohne Mitspracherecht

Bild: Nick Herasimenka/unsplash

Airline erhält kräftige Finanzspritze. Im Gegenzug gibt es weder Klimaschutz noch staatlichen Einfluss

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Noch sind die Verhandlungen zwischen der Lufthansa AG und der Bundesregierung nicht abgeschlossen, aber die Börse nahm den erwarteten lukrativen Deal schon einmal vorweg. Jedenfalls bringt die Plattform finanzen.net die Schlagzeile “Lufthansaaktie legt kräftig zu“. Faktisch hatte das Papier bis zur Mittagszeit nach einem kurzen Aufbäumen am Morgen aber nur einige Cent gewonnen.

Das mag sich ändern, wenn am Nachmittag der Handel tatsächlich unterschrieben wird. Wie der Spiegel bereits am gestrigen Donnerstag berichtete, zeichnet sich folgendes ab:

Vom Staat gibt es insgesamt neun Milliarden Euro, davon drei Milliarden als Kredit von der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau. Außerdem wird der Bund über seinen Wirtschaftsstabilisierungsfonds 20 Prozent der Lufthansaanteile kaufen und zwar im Rahmen einer Kapitalerhöhung der AG.

Schließlich gibt es eine sogenannte Wandelschuldverschreibung im Wert von fünf Prozent plus einer Aktie. Bei einer solchen Schuldverschreibung hat der Gläubiger das Recht, diese in Aktien umzutauschen. Wenn der Bund davon Gebrauch machen würde, hätte er eine Sperrminorität. Dieses Recht solle aber nur, so der Spiegel, in Ausnahmefällen wie einer geplanten Übernahme in Anspruch genommen werden.

Ganz ohne Auflagen gibt es das Geld jedoch nicht. Es sollen mehrere Jahre keine Dividenden gezahlt werden, und es müsse Beschränkungen bei den Gehältern des Managements geben. Bei der Besetzung zweier Sitze im Aufsichtsrat soll der Bund ein Mitspracherecht bekommen. Über irgendwelche Bedingungen für mehr Klima- und Umweltschutz wurde hingegen nichts bekannt.

In Frankreich hatte hingegen die Regierung schon Ende April ein Sieben-Milliarden-Euro-Paket für die dortige Air France geschnürt, das es nur gegen Umweltschutz geben wird. So darf die Air Line künftig keine Verbindungen mehr anbieten, die auch in bis zu zweieinhalb Stunden mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV überbrückt werden können. Außerdem soll bis 2030 der CO2-Ausstoß pro Personenkilometer halbiert werden. Auf Kurzstrecken sogar schon bis 2024.

Klimaschutz statt Steuerprivilegien

Ähnliche Forderungen hatten auch deutsche Klimaschützer der Initiative "Am Boden bleiben“ schon Ende April mit einer Petition der Bundesregierung übergeben. Unterschrieben war sie von rund 73.000 Personen, darunter über 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, so die Organisatoren. Wenn öffentliche Gelder fließen, müsse der Schutz der Beschäftigten und des Klimas im Vordergrund stehen.

Unter anderem wurde auch gefordert, die Steuerprivilegien der Luftfahrt abzuschaffen. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass 60 Prozent der Deutschen angeblich nie oder selten fliegen. Nur etwa acht Prozent seien Vielflieger, die zweimal pro Jahr oder öfter in ein Flugzeug steigen. Die Zahlen stammen aus einer von infratest dimap 2019 durchgeführten Befragung, über die seinerzeit auch die Welt berichtete.

Hintergrund der Kritik der Klimaschützer ist der Beitrag des Luftverkehrs zum Klimawandel. Flugzeuge haben zum einen, gemessen an der erbrachten Verkehrsleistung, einen besonders hohen Energieverbrauch. Im Vergleich zum Zug verursachen sie die 7- bis 11-fachen Treibhausgasemissionen.

Zum anderen tragen auch ihre Kondensstreifen spürbar zum Klimawandel bei, wenn auch deren Effekt ganz im Gegensatz zum CO2 alles andere als langlebig ist. Die dünnen Wolken lassen wie natürliche Schleierwolken das meiste Sonnenlicht durch, während sie die Wärmestrahlung des Erdbodens und der unteren Luftschichten abblocken.

Wie viel Staat?

Am einfachsten wäre mehr Klimaschutz natürlich durchzusetzen, wenn der Staat direkten Einfluss nimmt. Immerhin wird die staatliche Finanzspritze mehr als das Doppelte des derzeitigen Börsenwerts der Lufthansa umfassen, da ist ein solcher Gedanke doch eigentlich nicht vermessen, oder?

Entsprechend hatte zum Beispiel Bernd Riexinger, der Ko-Chef der Linkspartei, gefordert, dass der Staat die Lufthansa übernehmen müsse, wenn er dort schon so viel Kapital reinschieße. Das gebe die Möglichkeit, im Sinne des Klimaschutzes einzugreifen. Auch geht es ihm darum, prekäre Beschäftigungsverhältnisse auszuschließen und die Konkurrenz mit Billigfliegern einzuschränken.

Für die Unionsfraktion im Bundestag sind, wie man sich denken kann, derartige Gedanken Teufelswerk. Schon eine Sperrminorität des Bundes und dessen Mitsprache bei strategischen Entscheidungen des Konzerns ist ihr zu viel des Guten. Auch im Vorstand der AG hatte es erheblichen Widerstand dagegen gegeben. Als Kompromiss kamen offensichtlich die oben beschriebenen, etwas umständlich anmutenden Regelung heraus.

Bis vor 30 Jahren war die Lufthansa übrigens, wie die meisten großen nationalen Fluglinien in aller Welt, ein Staatsunternehmen. Dann wurde sie zwischen 1990 und 1997 von den schwarz-gelben Regierungen unter Helmut Kohl in mehreren Schritten privatisiert. Heute gibt es Staatshilfe, obwohl der Konzern auch Niederlassungen in Steueroasen unterhält.

Und wie geht es weiter?

Das Unternehmen geht davon aus, dass es bis 2023 dauern wird, bis das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht sei, schreibt das Handelsblatt. Gemessen daran habe es 10.000 Mitarbeiter zu viel.


Mit Teilzeitmodellen wolle man Entlassungen vermeiden. Dem könnte zumindest ein Teil der Belegschaft entgegen kommen. Wie die Tagesschau bereits im April gemeldet hatte, bieten die Piloten an, bis Sommer 2022 auf bis zu 45 Prozent ihres Gehalts zu verzichten. Voraussetzung: Der Konzern meldet keine Insolvenz an.

Die scheint derzeit, dank des Hilfe des Steuerzahlers, abgewendet. (Vorbehaltlich der Zustimmung Brüssels und der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft.) Einer wird sich darüber besonders freuen: Heinz Hermann Thiele. Wie berichtet hält der Milliarden schwere Chef von Knorr Bremse seit kurzem rund zehn Prozent der Lufthansa-Anteile.

Die gab es zum Schnäppchenpreis und auf Kredit, denn sein Unternehmen hat extra einen solchen aufgenommen, um Thiele eine Dividende ausschütten zu können. Die Lufthansa-Aktien waren seit dem Januar 2018 von 30 Euro auf 17 Euro im November 2019 abgesackt und mit der Corona-Krise dann so richtig in den Keller gerauscht. Seit vielen Wochen sind sie für etwas mehr als acht Euro zu haben. Da konnte Thiele einfach nicht widerstehen.

Den Kredit werden derweil die Knorr-Mitarbeiter durch Mehrarbeit abzahlen. Statt der tariflichen 35-Stunden-Woche heißt es für sie jetzt 42 Stunden in der Woche malochen. Und dank der steuerfinanzierten üppigen Hilfsgelder wird Thieles Aktienpaket schon bald das Doppelte oder noch mehr wert sein.

Da wäre es doch wirklich ganz unverschämt und mindestens stalinistisch, wenn der Steuerzahler auch noch – sehr mittelbar – über die Regierung mitreden wollte.