Corona-Krise: Wohin entwickelt sich der Arbeitsmarkt?

Bild: thom masat/unsplash

In den USA geht die Sorge vor Verarmung um. Viele Arbeitsplätze fallen nicht nur zeitweise weg, wird befürchtet. Auch in Europa steht der Arbeitsmarkt vor Veränderungen

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Wie geht es weiter auf dem Arbeitsmarkt? Das wird eins der großen Themen der nächsten Zeit sein, vermutlich wichtiger als der "Impfzwang". Aus den USA und aus der EU kommen dazu augenblicklich eher pessimistische Lageeinschätzungen.

Fast die Hälfte der erwachsenen US-Bürger, 47 Prozent, gaben dem "Volkszählungsamt" der USA (Bureau of the Census) gegenüber an, dass eine Person aus ihrem Haushalt seit März dieses Jahres ihr Erwerbseinkommen verloren hat. 39 Prozent erwarteten, dass es dies den nächsten vier Wochen bei einem Mitglied des Haushalts der Fall sein könnte. Das Amt, das zum Handelsministerium gehört, hatte zwischen dem 23. April und dem 5. Mai Interview-Antworten von über 74.000 US-Bürger über 18 Jahren bekommen. Das ist keine kleine Grundgesamtheit.

10 Prozent gaben an, dass sie manchmal oder öfter nicht genügend zu essen haben, knapp ein Drittel gaben an, dass sie zwar genügend zu essen bekommen, aber nicht die Nahrung, die sie benötigen.

Hunger, Zwangsräumungen, dauerhafte Arbeitsplatzverluste

"Kein Hunger" und ein "Dach über den Kopf haben" sind Existenzminium. Geht es nach einem Bericht der World Socialiste Web Site (WSWS), so droht "Zehntausenden von Familien" in den USA der Rauswurf aus ihren Wohnungen in den nächsten Wochen und Monaten, da sie die Miete nicht bezahlen können, weil in Bundesstaaten das im Rahmen der Pandemie ausgerufene Moratorium für solche Zwangsräumungen auslaufen wird.

Als Indiz für eine kommende Welle von Zwangsräumungen wird u.a. auf eine Ankündigung des Sheriffs von Oklahoma County verwiesen, wonach die Polizei dort ab 26. Mai entsprechende Gerichtsbeschlüsse durchsetzen wird. Wegen der Maßnahmen gegen die Verbreitung von Sars-CoV-2 ruhten Gerichte in diesen Angelegenheiten. Mit den Lockerungen in vielen Bundesstaaten ändert sich das. Allein in Oklahama City sollen an zwei Tagen 300 Räumungsklagen eingereicht worden sein.

Auch in Texas rechnet man mit einer Reihe von Zwangsräumungen, so die sozialistische Webseite, die voraussieht, dass sich diese Entwicklung in vielen Städten und Counties ähnlich abspielen wird.

Anhand der politischen Position der Quelle kann man auf den Gedanken kommen, dass hier System-Kritik in Form überzogener Schwarzseherei geübt wird. Dem widersprechen allerdings die Zahlen, die aktuell vom US-amerikanischen Arbeitsmarkt gekommen sind; reichlich pessimistische Aussagen dazu stammen von Ökonomen, die sich bislang nicht als ausgewiesene Marxisten entpuppt haben. So zum Beispiel Stanford-Professor Nicholas Bloom, der als Spezialist für "ökonomische Unsicherheit" gilt.

Zitiert wird er aktuell mit einer Analyse zum COVID-19 (Wirtschafts-)Schock und der Einschätzung, dass 42 Prozent der kürzlichen Stellenstreichungen auf dauerhafte Arbeitsplatzverluste hinauslaufen.

Über 38 Millionen Arbeitslose

Erwähnt wird dies im Zusammenhang mit den neuesten Zahlen aus dem US-Arbeitsministerium. Die berichten von weiteren 2,4 Millionen Anmeldungen für die Arbeitslosenversicherung. Zwar fallen die Neuanmeldungen nicht mehr so stark wie zuvor aus, aber zum Gesamtbild der 38,6 Millionen "jobless claims", gehört, wie vielfach angemerkt wird, dass damit nicht alle Arbeitslosen erfasst werden.

Zur Arbeitslosenrate von 14,7 Prozent, die für den Monat April offiziell angegeben wurde, merkten Experten an, dass sie real eher bei über 23 Prozent liegen dürfte. Für Mai und Juni erwartet Goldman Sachs mehr als 30 Prozent.

Laut der Financial Times sind besonders Niedriglöhner in Dienstleistungsbranchen betroffen, die meisten aus ethnischen Minderheiten, die "darum kämpfen müssen, die wirtschaftlichen Hilfen zu bekommen, die ihnen angekündigt wurden". Auch die wenig marxistisch ausgerichtete britische Finanzzeitung erwähnt Befürchtungen, wonach die Entlassungen sich als dauerhaft herausstellen könnten, und Sorgen, dass die Arbeiter finanziell nicht wieder auf die Beine kommen.

"Neue Normalität"

Bemerkenswert ist, dass bei der Entwicklung des Arbeitsmarkts Coronakrisen-Phänomene eine Rolle spielen, die zunächst gar nicht auf dem "Schirm" auftauchten. Sollte zum Beispiel verwirklicht werden, wofür sich als prominentester Protagonist Facebook-Chef Zuckerberg einsetzt, dass Konzerne ihre Arbeitsplätze verstärkt auf Home-Office verlagern, so fürchten Restaurants und Geschäfte, die bislang von der Nähe von Konzernniederlassungen von deren Kundschaft profitieren, Einbußen.

Auch aus der Kultur, Kino, Theater, Konzerte kommen Ängste, wonach der Betrieb so bald nicht wieder zur "alten Normalität" zurückfindet. "Die Wirtschaft, die ein Comeback schafft, wird ziemlich anders aussehen, als die, die geschlossen wurde", schreibt die New York Times. Wenn die Regeln zur sozialen Distanz die "neue Normalität" prägen, dann wird es weniger Restaurantbesucher geben, weniger Kunden für den Einzelhandel, für Veranstaltungen und für die Fluglinien.

Einbruch bei der Industrieproduktion in der EU

Auch die Industrieproduktion in der EU erlebt einen historischen Einbruch, wie bei Makroskop genauer aufgeschlüsselt wird. Im März ist demnach die Produktion um minus 11,7 Prozent abgestürzt, für April werden deutlich schlimmere Zahlen erwartet.

Corona hat im März das Herz der europäischen Wirtschaft, die Industrieproduktion, schwer getroffen. Doch das ist erst der Anfang. Auch April und Mai werden angesichts heruntergefahrener Produktionen und gerissener Liefer- und Wertschöpfungsketten - nicht nur in der Auto- und Kraftfahrzeugindustrie und ihrer Zuliefererbetriebe - dramatische Zahlen liefern und aus dieser Krise die größte seit der Depression der Vorkriegszeit machen.

Makroskop

120 Milliarden Euro haben die Ausgangsbeschränkungen in Frankreich ("Confinement") gekostet, rechnet Le Monde heute vor. Im Zentrum des Artikels steht die Befürchtung, dass die Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Erholung nur teilweise erfüllt werden und sich die Beschäftigungslage verdüstert. Es wird Pleiten geben und Entlassungen, kündigte Wirtschaftsminister Le Maire heute an.

Der Artikel spricht gar von "Wellen an Pleiten und Entlassungen". Als besonders gefährdete Branchen wird der Flugzeugbau, die Autoindustrie, von deren Produktion viele Zulieferer abhängigen, sowie die Stahlindustrie genannt und der Tourismus.

Der Staat könne nicht alle retten, heißt es am Ende des Artikels.