Dieselskandal: VW handelte sittenwidrig

Bild: Volkswagen

Zum ersten Mal haben Richter in Karlsruhe in letzter Instanz über die Betrugssoftware des Wolfsburger Konzerns geurteilt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Nun ist es sozusagen amtlich. Der Bundesgerichtshof hat am Montagvormittag in Karlsruhe der Volkswagen AG bestätigt, bei der Verwendung ihrer Mogelsoftware sittenwidrig gehandelt zu haben. Der Verkauf von Fahrzeugen mit der "illegalen Abschaltvorrichtung" sei "mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar".

2015 war aufgeflogen, dass VW in seinen Diesel-Pkw eine betrügerische Software verwendet. Die Abgasbehandlung wurde so gesteuert, dass die gesetzlich geforderten Grenzwert für Stickoxide nur auf dem Prüfstand nicht aber im Normalbetrieb auf der Straßen eingehalten werden. Beim Einsatz dieser Software handelte sich um eine "grundlegenden Entscheidung bei der Motorentwicklung" und eine "bewusste Täuschung des KBA" (Kraftfahrzeugbundesamt) durch den Konzern, so das Gericht.

Dem Kläger, der 2014 einen Gebrauchswagen, einen VW Sharan, gekauft hatte, wurde letztinstanzlich ein Schadenersatz in Höhe von rund 25.600 Euro zugesprochen. Der Kläger hatte den vollen Verkaufspreis von 31.490 Euro haben wollen, aber das Gericht geht davon aus, dass er durch die Nutzung bereits zum Teil entschädigt sei und zieht daher eine Summe ab, die sich nach der Zahl der gefahrenen Kilometer berechnet.

Bei Phönix kann man sich die Urteilsverkündung und mündliche Begründung anschauen, die der Sender live übertragen hat.

Bei dem nun in Karlsruhe gefällten Urteil handelt es sich um den ersten letztinstanzlichen Richterspruch in der Dieselaffäre. Keine der diversen anderen Klagen hatte es so weit geschafft, da VW zwar gegen alle für ihn negativen Urteile untergeordneter Gerichte in Berufung geht, aber stets den Klägern einen Vergleich anbietet, bevor in Karlsruhe verhandelt werden kann. Der am Montag im Wesentlichen erfolgreiche Kläger war der erste, der sich weder einschüchtern noch erweichen ließ.

Einige Wochen zuvor war in Braunschweig vor dem dortigen Oberlandesgericht eine Musterfestsellungsklage gegen VW zurückgezogen worden. Die Anwälte der Verbraucherschutzzentralen (vzbv) hatten sich im Namen von über 230.000 Klägern mit dem Konzern auf Einmalzahlungen geeinigt. Je nach Modelljahr und Fahrzeugtyp werden nun insgesamt rund 260.000 Fahrzeughaltern 1.350 bis 6,275 Euro angeboten.

Der vzbv hatte daraufhin die Klage am 30. April zurückgenommen, allerdings nicht ohne den Hinweis, dass nun der Weg für individuelle Klagen frei sei. Das Verfahren habe unter anderem die Verjährungsfristen ausgedehnt. Bis Oktober könnten nun alle, die das ausgehandelte Angebot ablehnen, eigene Klagen einlegen.

Nach dem heutigen Urteil könnte es für viele an der Musterklage Beteiligten attraktiv sein, das VW-Angebot abzulehnen und eine eigene Klage einzureichen. Auf den Konzern kämen damit erhebliche Kosten im Milliarden-Euro-Bereich und auf die Gerichte viel Arbeit zu.

Aber wie es aussieht, gibt es demnächst von der Bundesregierung zur Belohnung für eine derart erfolgreiche und kreative Industriepolitik eine weitere Abwrackprämie, um das beileibe nicht nur corona-bedingt lahmende Pkw-Geschäft wieder anzukurbeln.