S-Bahn: Privatisierung scheibchenweise

S-Bahn_Berlin_480-xxx_Jungfernheide.jpg:Bild: Cliq/CC BY-SA-4.0

Berliner Senat startet Ausschreibung für eine Teilstrecke der Hauptstadt-Stadtbahn

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Der Berliner Senat hat sich nach längerem Hin und Her nun doch noch auf ein Verfahren zur Teilausschreibung der Berliner S-Bahn geeinigt. Die Nord- Südverbindungen sollen in Vier-Teillose unterteilt werden, auf die sich Unternehmen bewerben können, wie der Sender RBB berichtet. Zur Ausschreibung gehört auch die überfällige Beschaffung von 2000 neuen S-Bahnwagen. Die Verträge sollen über 15 bzw. 30 Jahre für Beschaffung und Instandhaltung der neuen Wagen laufen.

Die übrigen Linien, Ringbahn und Ost-West-Trassen, werden weiter von der S-Bahn Berlin GmbH, einer Tochter der DB Regio AG und damit indirekt der Deutschen Bahn AG, betrieben. Die wird sich sicherlich auch auf die Ausschreibungen bewerben, aber es könnte auch passieren, dass in Berlin demnächst verschiedene Unternehmen den S-Bahnbetrieb organisieren.

Angesichts der Tatsache, dass die drei Berliner Regierungsparteien SPD, Grüne und Linkspartei zumindest formal anerkennen, dass es einer Verkehrswende bedarf, dass mehr Verkehr auf die Schiene gebracht werden muss, um den Verkehr klimafreundlicher zu gestalten und die Schadstoff- und Lärmbelastung in der Stadt abzubauen, ist der Vorgang schon erstaunlich. Denn so wird ein wichtiges Gestaltungsinstrument aus der Hand gegeben.

Die Nutzung der Stadtbahn hat in den letzten zehn Jahren stark zugenommen, und bis jetzt hat die S-Bahn ihren Betrieb nicht ausreichend angepasst, nicht rechtzeitig für neue Züge gesorgt. Die alten Waggons sind daher oftmals unangenehm voll und machen die Fahrt für manchen zur Qual. Dass das in einem System mit mehreren Anbietern anders wäre und die Fahrgäste vom Wettbewerb profitieren würden, ist jedoch fraglich.

Eher ist anzunehmen, dass es zwischen den Konkurrenten mangelhafte Absprachen gibt, Fahrpläne nicht richtig aufeinander abgestimmt werden und die Unternehmen gegeneinander statt miteinander arbeiten. So wie man es schon aus dem Bereich der Regionalbahnen kennt, wo man zum Beispiel nicht einmal bei Bahntöchtern sicher sein kann, dass die Bahncards überall anerkannt werden.

Melkkuh der Bahn

Man kann den Berliner Koalitionären vorhalten, dass die Ausschreibung ein weiterer Schritt in Richtung Privatisierung wäre, aber die Bahn AG hat sich mit ihrer S-Bahn Berlin GmbH auch schon wie ein ganz normaler Privatkonzern verhalten.

Nach der Umwandlung der Bundesbahn wurde die S-Bahn Berlin zu einer Melkkuh. Während die Länder Berlin und Brandenburg jährlich über 200 Millionen Euro an Betriebszuschuss zahlen, wurde bis 2008 in etwa gleicher Höhe Gewinn an die Bahn AG abgeführt. Ermöglicht wurde das durch Entlassungen mehrerer hundert Wartungsarbeiter aus den Werkstätten, massiven Stellenabbau auf den Bahnhöfen und einer gesundheitsgefährdenden Arbeitsverdichtung bei den schlecht bezahlten Lokführern.

2009 war der Betrieb dann derart runtergewirtschaftet und ausgeblutet, dass das Eisenbahnbundesamt die Notbremse zog. Der größere Teil der Waggons wurde aus dem Verkehr gezogen, weil die Sicherheit nicht mehr gewährleistet war. Über mehrere Jahre gab es nur einen Notbetrieb, verkürzte Züge und einen reichlich ausgedünnten Fahrplan. Ein Teil der Einsparungen musste rückgängig gemacht und wieder ein wenig mehr Gewicht auf Wartung und Instandsetzung gelegt werden.

Gewinn fließt trotzdem noch. 2017 wurden zum Beispiel 71,2 und 2018 69,8 Millionen Euro bezahlt. Außerdem zahlte die S-Bahn GmbH an andere Bahntöchter 2017 173,1 Millionen Euro für die Nutzung der Gleise und 92,3 Millionen Euro für das Halten an den Bahnhöfen, berichtet der Berliner Tagesspiegel.

Dem stand 2017 ein Zuschuss in Höhe von 270 Millionen Euro gegenüber. 2018 zahlten die beiden Länder Berlin und Brandenburg bereits 294 Millionen Euro. Geld, das offensichtlich an den bundeseigenen Konzern durchgereicht wird. Zwar tätigt der die eine oder andere Investitition in die Infrastruktur, aber nicht annähernd in der Größenordnung, wie Geld abgezogen wird.

Da wäre die logische Alternative eigentlich ein Eigenbetrieb. So wie Berlin U-Bahn, Busse und Straßenbahnen betreibt, so könnte er eigentlich auch die S-Bahn übernehmen. Doch dazu verspürt der Senat nicht die rechte Lust. So wird dann wohl noch ein paar weitere Jahrzehnte rumgewurschtelt werden, während die Berliner vergeblich auf eine Verkehrspolitik aus einem Guss warten.

Ausbaden werden es unter anderem auch die Beschäftigten, denn bisher bedeuteten Wettbewerb und Ausschreibungen noch immer, dass zuerst bei den Personalkosten gespart wird. Und das wiederum bedeutet Druck auf Löhne und Gehälter und Arbeitsverdichtung, wo es nur geht.