"Mit Wumms aus der Krise"?

Grafik: TP

Die Bundesregierung hat nochmal ein Corona-Konjunkturpaket präsentiert, das eine Mehrwertsteuerabsenkung bis Dezember und ein Helikopterkindergeld enthält

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Gestern Abend stellten Vertreter von CDU, CSU und SPD ein weiteres Corona-Konjunkturpaket mit einem Umfang von 130 Milliarden Euro für die Jahre 2020 und 2021 vor. Das Paket wird mit zusätzlichen Schulden finanziert, für die die Schuldenbremse erneut ausgesetzt und ein weiterer Nachtragshaushalt verabschiedet wird.

Eindeutig coronabezogen sind von diesen 130 Milliarden Euro maximal 25, die man als Überbrückungshilfen für Unternehmen in besonders belasteten Branchen vorgesehen hat. Andere Maßnahmen setzen im Vergleich dazu sehr viel weniger an konkreten Problemen an.

"Gewagtes Experiment"

"Herzstück" des Plans ist dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder zufolge eine Verringerung der Mehrwertsteuer, die Union und SPD 2005 in Umkehrung vorher gemachter Wahlversprechen von 16 auf 19 Prozent erhöht hatten. Sie soll nun wieder gesenkt werden - aber nur sechs Monate lang, vom 1. Juli bis zum 31. Dezember. Der ermäßigte Satz für Essbares außerhalb von Gaststätten und andere privilegierte Produkte wird in diesem Zeitraum bei fünf statt sieben Prozent liegen.

Finanzminister Olaf Scholz von der SPD meinte, man wolle nun "mit Wumms aus der Krise kommen" und erwarte "dringend", dass die gesenkte Mehrwertsteuer über entsprechende Preissenkungen an die Verbraucher weitergeben wird. Ob das tatsächlich geschieht, ist offen. Tim Lilling von Blitzrechner.de bezeichnet die kurzzeitige Mehrwertsteuersenkung deshalb als "gewagtes Experiment", dessen "prognostizierte Kosten in Höhe von 20 Milliarden Euro letztendlich die Verbraucher zahlen könnten."

In der Vergangenheit zogen seiner Erfahrung nach "vor allem die Anbieter einen finanziellen Nutzen aus Mehrwertsteuersenkungen, weil sie diese nicht an Verbraucher weiterreichten. Als jüngstes Beispiel dafür nennt er die unter viel Medienbegleitung im November verabschiedete Senkung der Mehrwertsteuer auf Tampons und Damenbinden, die "bis heute [noch] nicht beim Endverbraucher angekommen" sei. Stattdessen hätten die Hersteller "pünktlich zum Jahresbeginn ihre Preise erhöht".

"Kein Konjunkturimpuls"

Ein weiterer Posten im neuen Konjunkturpaket ist ein Helikoptergeld für jedes Kind: Einmalig 300 Euro, die nicht nur an Helikoptereltern, sondern an alle fließen sollen. Dieses zusätzliche Kindergeld wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet, muss aber später in der Einkommensteuererklärung aufgeführt werden (vgl. Wildes Drauflossubventionieren). Verena Bentele, die Präsidentin des Sozialverbands VdK kritisiert diese Helikopterzahlung als "Strohfeuer" und als Geld, das keinen Konjunkturimpuls auslöst, wenn es "im Sparschwein oder im Aktienfonds landet". "Zielgenauer" wäre es ihrer Ansicht nach gewesen, "nur arme und bedürftige Familien zu unterstützen".

Für Dietmar Bartsch, den stellvertretenden Chef der Linksfraktion, ist das Helikopterkindergeld dagegen eine "sinnvolle Entscheidung für Familien" - anders als die Mehrwertsteuersenkung, die er als "ökonomisch widersinnig" einstuft. Sein Bundestagskollege Michael Theurer, der stellvertretende Vorsitzende der oppositionellen FDP-Fraktion, ist entgegengesetzter Ansicht: Er hält die Mehrwertsteuersenkung für einen "guten, wichtige Aspekt", aber andere Elemente des Konjunkturpakets für "unausgegoren" und "ineffizient".

Kommunale Altschulden bleiben

Auch die Zahlung der durch den Corona-Konjunktureinbruch mutmaßlich entgangenen Gewerbesteuer aus den Kassen des Bundes und der Länder in die der Kommunen hält Bartsch für richtig. Diese Zahlung soll nach 2021 wieder gestoppt werden - anders als ein gestern ebenfalls beschlossener Zuschuss für die Unterkunftskosten von Hartz-IV-Empfängern, der Scholz zufolge eine "dauerhafte Unterstützung" bleiben wird.

Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, lobte das als richtig und längst überfällig", kritisierte aber, dass die von seinem Verband geforderte "Altschuldenhilfe" nicht Bestandteil des Pakets ist. Mit einer Übernahme solcher Altschulden wären Kommunen, die sich in der Vergangenheit mit großen Bauprojekten und "freiwilligen Leistungen" für den Sport und anderen wahlkampfwirksame Bereiche übernahmen (vgl. Stadien statt Krippenplätze), Probleme losgeworden, die gar nichts mit der Coronakrise zu tun haben.

Geld, ohne die Verpflichtung, strukturelle Ansteckungsprobleme anzugehen

Fünf der 130 Milliarden Euro aus dem Konjunkturpaket sollen an die Deutschen Bahn fließen, die während der Ausgangssperre deutlich weniger Einzelfahrkarten verkaufte, aber auch keine Entschädigung für Dauerkartenbesitzer zahlen will. Eine Verpflichtung, strukturelle Ansteckungsprobleme im öffentlichen Nahverkehr anzugehen (vgl. Was gegen "Manspreading" und Grippewellen wirklich hilft), ist mit diesen fünf Milliarden Euro ebenso wenig verbunden wie mit weiteren zweieinhalb für den Öffentlichen Nahverkehr der Kommunen. Stattdessen gibt es noch einige Milliarden Bundesmittel für Krankenhäuser und heimische Arzneimittelhersteller.

Heimische Automobilhersteller profitieren potenziell für verdoppelte Kaufprämien, wenn sie Elektrofahrzeuge anbieten. Kaufprämien für Fahrzeuge mit Verbrennermotoren soll es dagegen nicht geben. Ihre Halter müssen über noch einmal erhöhte Kraftfahrzeugsteuern sogar die anderen Maßnahmen des Konjunkturpakets mitfinanzieren. Dazu gehört auch eine Absenkung der EEG-Umlage mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.