Wie bei den Maya die Kultur begann

Dreidimensionale Ansicht von Aguada Fenix auf Basis von Lidar-Daten, Bild: Takeshi Inomata

Dank Lasertechnologie wurde das älteste und monumentalste Bauwerk der Maya entdeckt

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In Mexiko entdeckten Archäologen eine riesige architektonische Anlage, die vor 3.000 Jahren von den Maya errichtet wurde. Es handelt es sich um das älteste und zugleich größte zeremonielle Bauwerk dieser präkolumbischen Hochkultur. Errichtet wurde es von Menschen, die noch nicht als Bauern in Dörfern lebten und keine großen sozialen Unterschiede kannten.

Als wäre das noch nicht spektakulär genug, fand das Grabungsteam auf dem Gelände namens Aguada Fenix im mexikanischen Bundesstaat Tabasco auch noch die älteste figürliche Steinskulptur der Maya, die Darstellung eines Tieres.

In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature präsentiert ein internationales Expertenteam um die Archäologen Takeshi Inomata und Daniela Triadan von der University of Arizona in Tucson ihren Bericht über Aguada Fenix (Monumental architecture at Aguada Fénix and the rise of Maya civilization).

Maya: Mythen, Legenden - und Gemeinschaftsbildung

Bis heute ist die Kultur der Maya von einem Nebel aus Mythen und Legenden umgeben, den die Wissenschaft zunehmend vertreibt. In vielen Köpfen, vor allem in esoterischen Kreisen, existiert immer noch das Bild der Maya als friedliche, spirituelle Sterndeuter, die den Untergang der Welt vorhersagten.

Nun, die Welt ist 2012 nicht untergegangen und die miteinander konkurrierend Maya-Stadtstaaten haben sich andauernd und sehr blutig bekämpft, die ständigen Kriege haben wohl sogar zum Untergang der Hochkultur im heutigen Mexiko, Guatemala, Honduras, Belize und El Salvador beigetragen.

Die Maya-Kultur schuf tatsächlich einen ausgeklügelten Kalender und eine eigene Schrift, beeindruckende Architektur und Kunst; die Maya rechneten bereits mit der Null und verfügten über große astronomische Kenntnisse. Vieles ist inzwischen von der Wissenschaft geklärt, aber die Frühzeit, die Entstehung der Maya-Zivilisation, wirft immer noch viele Fragen auf.

Debattiert wird von den Wissenschaftlern, ob die noch frühere Hochkultur in der Region, die für ihre steinernen Riesenköpfe berühmten Olmeken, als direkte Mutter-Kultur für die Maya funktioniert hat.

Außerdem ist noch unklar, ob die Kultur dadurch entstand, dass Nomaden periodisch wiederkehrend zusammenkamen, um gemeinsam Rituale zu begehen, große Feste zu feiern - möglicherweise weil sie religiöse Vorstellungen teilten - und auf diese Art begannen, eine echte Gemeinschaft mit ganz eigenen Ausdrucksformen zu bilden.

Oder ob sie zunächst sesshaft wurden, Dorfgemeinschaften gründeten, in denen sich Spezialisierungen von Arbeit und soziale Hierarchien entwickelten, die in der Folge nach und nach zur Entstehung größerer Zentren und zur Hochkultur führten.

Lidar als Revolution in der Archäologie

Die Maya-Spezialisten um Takeshi Inomata und Daniela Triadan gruben sich zuvor in Ceibal im südwestlichen Teil des Maya Tieflands mitten im Urwald Guatelmalas bis in die 950 Jahre alten, tiefsten Strukturen der Maya-Stadt vor (vgl. Der Ursprung der Maya). Dabei entstand die Idee, sich die weitere Umgebung des Ortes mit Hilfe einer neuen Fernerkundungsmethode anzusehen, die eigentlich für die Landvermessung entwickelt wurde.

LIDAR, kurz für Light Detection and Ranging, verwendet von einem Flugzeug (Drohne oder Satelliten), arbeitet mit einem in Pulsen ausgesandten Laserstrahl, der bei seiner Rückkehr von der Erdoberfläche von einem optischen System wieder empfangen wird. Dabei registriert Lidar genau, in welcher Höhe etwas reflektiert. So ist es hinterher möglich, aus den Datenmengen des Laserscans u.a. genau herauszulesen, wo welche Vegetation steht und sie aus den Aufnahmen heraus zu rechnen.

Die Archäologen erhalten dadurch genaue Erdoberflächen-Profile, dreidimensionale Bilder der Topografie, die jede jemals durch Menschen verursachte strukturelle Veränderung des Bodens, wie z.B. die Reste von Mauern und anderer Anlagen wie Erdwälle oder Gräben, selbst auf dem Boden dicht bewachsener Regenwälder sichtbar werden lässt.

Traditionell laufen Archäologen zu Fuß durch die Gegend, um potenzielle Fundorte zu kartieren, dort wo dichte Wälder stehen, half ihnen bislang noch nicht einmal die Luftbildfotografie wirklich weiter. In Guatemala hatten sie meist sogar Helfer mit Macheten dabei, die ihnen vorab überhaupt erst Schneisen in den Wald schlagen mussten. Ein mühevolles, langwieriges Prozedere.

Takeshi Inomata beim Ausgraben, Foto: Takeshi Inomata

Also gab Takeshi Inomata dem National Center for Airborne Laser Mapping (NCALM) der University of Houston den Auftrag, das Gebiet im Umkreis von 470 Quadratkilometern mit Lidar zu kartieren. Auf dem Rand der so entstandenen Karte entdeckte er weitere interessant aussehende Strukturen auf der mexikanischen Seite der Grenze zu Guatemala:

Auf einem Lidar-Bild kann man die spezifischen Typen von Architektur erkennen - Pyramiden, lange Strukturen - und durch unsere Ausgrabungen wissen wir, aus welcher Zeit sie jeweils stammen. Allein durch Form der Strukturen können wir so das Netzwerk der Gemeinschaften und zeremoniellen Zentren der spezifischen Perioden sehen.

Takeshi Inomata

Allerdings war nun das Budget für die nicht ganz billigen Spezial-Flüge erst einmal verbraucht. Aber zum Glück gibt es das mexikanische Instituto Nacional de Estadística y Geografía (INEGI), das ganz umsonst allen Interessierten selbst erstellte Lidar zur Verfügung stellt.

Die besorgte sich der Forscher und staunte nicht schlecht, als sich dort ganz klar eine monumentale Plattform mit ausgebauten Zugängen, Seitenhügeln und vielem mehr zeigte. Aguada Fenix war entdeckt und es folgte eine weitere Lidar-Erkundung mit einer genaueren Auflösung bis zu 10 cm, auf der viele Details der Gebäude, Straßen und künstliche Teiche (Wasserreservoirs) sichtbar sind.

Die Gegend Aguada Fenix ist erschlossen und besiedelt, aber das künstliche Plateau ist mit 1,4 km Länge und 400 m Breite so riesig und gleichzeitig mit 10 bis 15 m Höhe so flach, dass es wie eine natürliche Landschaftsform wirkt (vgl. Video: Flug über Aguada Fénix).

Daniela Triadan sagt:

"Wenn man dort zu Fuß unterwegs ist, kommt man gar nicht auf die Idee, dass Menschen diesen lang gezogenen Hügel erbaut haben. Erst aus der Vogelperspektive, aus großer Höhe und wenn die Vegetation einem nicht mehr den Blick versperrt, erkennt man diesen riesigen Komplex mit seinen vielen rechteckigen Formen. Lidar eröffnet uns ganz neue Perspektiven und Möglichkeiten."

Das größte Maya-Bauwerk

Insgesamt fanden sich in dieser Region der westlichen Peripherie des Maya-Tieflands auf den Lidar-Aufnahmen 21 zeremonielle Zentren, die aus einem nord-südlich ausgerichteten, rechteckigen sehr großen Plateau besteht, jeweils darauf mit einer sogenannten E-Gruppe, die sich aus einem westlichen Hügel oder Gebäude (später oft zur Pyramide ausgebaut) und einer östlich davon errichteten rechteckigen Plattform bildet.

Das größte dieser Bauwerke, Aguada Fenix, wird nun seit 2017 ausgegraben.

Luftbild von Aguada Fenix, Ausgebaute Zuwege und Reservoirs im Vordergrund und die große Plattform hinten im Bild. Foto: Takeshi Inomata

Bei den Grabungen zeigte sich, dass die Monumental-Plateau nicht nur das größte, sondern auch das älteste bisher bekannte Maya-Bauwerk ist. Vor mehr als 3.000 Jahren begannen die frühen Maya im heutigen Mexiko, nahe der nordwestlichen Grenze zu Guatemala, gigantische Mengen von Erde zu bewegen, um in mehreren Ausbauphasen einen gemeinsamen heraus gehobenen Ort für Zeremonien zu schaffen. Die ältesten Teile von Ceibal datieren um 950 v.Chr., Aguada Fenix ist deutlich älter, hier beginnt die Maya-Kultur.

Es sieht so aus, dass erste Aktivitäten in Aguada Fenix um 1.200 v.Chr. beginnen. Dieses Mega-Bauwerk ist der Ausgangspunkt der Zeremonialarchitektur, die sich von hier aus ausdehnt. Das alles geschieht vor der festen Sesshaftigkeit der lokalen Bevölkerung, sie ziehen noch herum und kennen keine großen sozialen Unterschiede.

Wir haben keine Siedlungsfunde, die Menschen kamen in großer Zahl für den Bau der riesigen Plattform zusammen, um gemeinsam etwas zu erschaffen, was im wahrsten Sinn des Wortes viel größer war als sie selbst. Der Bau erforderte viel Organisation, eine genaue und komplexe Arbeitsplanung - der Beginn einer gesellschaftlichen Struktur.

Nichts weist darauf hin, dass es bereits Eliten oder einzelne Führungspersönlichkeiten gab, denn es fehlt jede Art einer herausgehobenen Struktur für Privilegierte. Es ist ein offener Ort, ein gigantisches flaches künstliches Plateau, zu der alle Maya in großer Zahl über neun sehr breit ausgebaute zeremonielle Wege, eine Art Rampen, unterschiedslos Zugang hatten. Sie bauten gemeinsam und feierten dann dort gemeinsam in egalitären Massen.

Daniela Triadan
Daniela Triadan (links) und Veronica Vazquez bei der Ausgrabung verschieden farbiger Füllmaterialien der Plattform in Aguada Fenix. Foto: Takeshi Inomata

Die Pyramiden und Paläste der Eliten und Gottkönige, die für die Maya typisch sind, entstehen erst sehr viel später. Die Baumeister von Aguada Fenix betrieben einen Mega-Aufwand über mehrere Perioden über 200 Jahre hinweg, in denen sie die Anlagen immer weiter ausbauten, verließen dann aber den Ort schon um 750 v.Chr. endgültig, wie Radiokarbon-Datierungen erwiesen.

Unglaublicher Arbeitseinsatz

Für den Bau bewegten die frühen Maya in gemeinschaftlicher Arbeit unglaubliche Mengen. Die Forscher berechneten bis zu 4.300.000 Kubikmeter an Erde und Lehm, die insgesamt über eine natürliche felsige Erhöhung geschichtet wurden (zum Vergleich: die Cheops-Pyramide hat ein Volumen von 2.583.283 m³).

Umgerechnet auf die geschätzte Arbeitsleistung in dieser Zeit der Prä-Klassik bedeutet das bis zu 13 Millionen-Personen-Tage Einsatz. Das bedeutet, dass bei einem pausenlosen Arbeitseinsatz 1.000 Menschen mehr als 35 Jahre nichts anderes taten, als an dem überdimensionierten Erdwall zu bauen.

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