Gerüchte um US-Truppenabzug aus Deutschland

Kommt eine Verlegung nach Polen in Frage?

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Am Freitag berichtete das Wall Street Journal unter Berufung auf einen nicht genannten Regierungsbeamten, dass US-Präsident Donald Trump das Pentagon angewiesen habe, bis September ein Drittel der derzeit in Deutschland stationierten Truppen abzuziehen. Außerdem solle eine Obergrenze von 25.000 stationierter US-Soldaten im Ausland eingeführt werden. Durch den Abzugsbefehl würde die Präsenz der US-Truppen in Deutschland um 9.500 auf 25.000 reduziert.

Die neue Begrenzung soll von Präsident Trump und Verteidigungsminister Mark Esper genehmigt worden sein. Das Weiße Haus hat den Plan noch nicht offiziell verkündet, es ist nicht klar, ob er endgültig ist. Weder das Verteidigungsministerium noch die US-Botschaft in Berlin haben Stellung bezogen. Bisher berufen sich alle Meldungen lediglich auf die Gerüchte im Artikel. Das Verteidigungsministerium müsste den Plan jedoch genehmigen, bevor er umgesetzt werden könne.

Laut Wall Street Journal sagte ein hochrangiger US-Beamter, "die Regierung diskutiere den Schritt seit September und er stehe nicht im Zusammenhang mit der Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, nicht an einem G-7-Treffen teilzunehmen, das Trump Ende Juni in Washington ausrichten sollte". Dennoch widerspiegele "es die Frustration der Trump-Regierung mit der deutschen Politik, insbesondere die Höhe der Militärausgaben als NATO-Partner und das Beharren auf der Fertigstellung der umstrittenen Nord Stream 2-Pipeline."

"Ein solcher Schritt untergräbt nicht nur das Vertrauen zu Deutschland, sondern auch zu anderen Verbündeten", sagte James Townsend dem WSJ, ein ehemaliger hoher Beamter des Pentagon für Europa und die NATO. "Andere Verbündete werden sich fragen: 'Werde ich der Nächste sein?'" Ein weiterer Beamte soll verlautbart haben, dass "mehr als 1.000 der Truppen, die Deutschland verlassen, nach Polen entsandt würden, da Polen das NATO-Militärausgabenziel erfüllt und beschlossen hat, den Kauf russischen Erdgases nach 2022 ganz einzustellen".

Am 31. März waren 34.674 US-Soldaten in Deutschland stationiert, darunter 20.774 aus der Armee und 12.980 aus der Luftwaffe, so der öffentlich zugängliche Pentagon-Bericht. Etwa 19.000 zusätzliche zivile Mitarbeiter unterstützen die uniformierten Streitkräfte. Diese Zahl würde durch einen Rückzug ebenfalls verringert werden. 2010 betrug die Anzahl der in Deutschland stationierten Streitkräfte 43.911.

Bartsch rät Atombomben mitzunehmen

Außenminister Heiko Maas äusserte sich dazu in der Bild am Sonntag. "Sollte es zum Abzug eines Teils der US-Truppen kommen, nehmen wir dies zur Kenntnis", sagte er. "Wir sind enge Partner im transatlantischen Bündnis. Aber: Es ist kompliziert", betonte der SPD-Politiker. "Wir schätzen die seit Jahrzehnten gewachsene Zusammenarbeit mit den US-Streitkräften. Sie ist im Interesse unserer beiden Länder."

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, sagte der Welt am Sonntag: "Trump sind der langsame Anstieg der Verteidigungsausgaben und die Arbeiten an der Nord-Stream-2-Pipeline ein Dorn im Auge." Auch die Absage von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Ort in Washington an dem G7-Gipfel teilzunehmen, habe Trump "offenkundig nicht goutiert", vermutet Hardt.

Der Vorsitzende der Links-Fraktion Dietmar Bartsch würde auch einen Abzug der Atomwaffen begrüßen: "Die Bundesregierung sollte ihn dankend annehmen und zeitnah einen Komplettabzug der US-Soldaten mit der Trump-Administration vorbereiten. Wenn die Soldaten abgezogen werden, sollten sie gleichzeitig die US-Atombomben mitnehmen", erklärte Bartsch laut n-tv. Er fügte hinzu: "Das hätte den Kollateralnutzen, dass der Steuerzahler Milliarden sparen würde, weil neue Kampfjets nicht angeschafft werden müssten."

Der frühere Spitzenkommandeur der US-Armee in Europa, Ben Hodges, äußerte Kritik, die Entscheidung durch die US-Regierung von Präsident Trump sei ein kolossaler Fehler. "Der Grund, warum wir in Deutschland Truppen in Übersee haben, ist nicht der Schutz der Deutschen, alles, was wir haben, ist zu unserem Vorteil", sagte Hodges der New York Times. "Die Entscheidung scheint nicht an irgendeine Strategie gebunden zu sein."

Die New York Times spricht ebenfalls von einem "Geschenk an den russischen Präsidenten Wladimir W. Putin, der auf eine verringerte amerikanische Militärpräsenz auf dem Kontinent erpicht" sei. Der Truppenabzug werde in Moskau "als ein weiteres Zeichen der Spaltung des atlantischen Bündnisses und des schwindenden amerikanischen Interesses an einer globalen Führung begrüßt werden".

Polen hofft auf US-Truppenverlegung

Trump hatte letztes Jahr schon mit einem Truppenabzug aus Deutschland gedroht. Vor einer Europareise im Herbst 2019 spielte er mit der Idee, US-Soldaten von Deutschland nach Polen zu verlegen. Der damalige US-Botschafter Richard Grenell sagte: "Es ist wirklich beleidigend zu erwarten, dass der US-Steuerzahler weiter mehr als 50.000 Amerikaner in Deutschland bezahlt, aber die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwenden."

Die Idee, anstelle der US-Stützpunkte in Deutschland solche im Osten Europas aufzubauen, wurde zwar immer wieder diskutiert. 2018 berichtete die Washington Post, dass Verlegungsszenarien vom Pentagon untersucht würden. Eine groß angelegte Rückkehr der in Deutschland stationierten US-Truppen in die Vereinigten Staaten und eine vollständige oder teilweise Verlegung der in Deutschland stationierten US-Truppen nach Polen würden in Erwägung gezogen. Im Gegensatz zu Deutschland erreiche Polen die Ziele der NATO-Vorgabe in Bezug auf die Verteidigungsausgaben von 2 Prozent des Staatshaushaltes.

Das polnische Verteidigungsministerium hat 2018 den USA auf Vorschlag des Ministeriums finanzielle Unterstützung in Höhe von 1,5 bis 2 Milliarden Dollar für die Einrichtung einer ständigen US-Panzerdivision in Polen angeboten.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hofft nun auf die Verlegung von US-Truppen in sein Land, falls die USA Soldaten aus Deutschland abziehen sollten. Das werde die Ostflanke der Nato stärken, sagte Morawiecki dem Radiosender dem polnischen RMF24. Die "wahre Gefahr" liege im Osten.

Unterdessen beginnen die nächsten Kriegsübungen der NATO im Baltischen Meer. Die "BALTOPS 2020" finden zwischen dem 7. und 16. Juni statt. Luft- und Seestreitkräfte von 19 NATO-Verbündeten und Partnerstaaten nehmen an "Live-Schulungsveranstaltungen" teil, bei denen u.a. Luftverteidigung, U-Boot-Kriegsführung, Seeverbots- und Minenabwehrmaßnahmen durchgeführt werden.