Antisemitismus in Österreich: Das verschwiegene Problem der FPÖ

FPÖ-Neujahrstreffen 2019 als Regierungspartei. Foto: Bwag/CC BY-SA 4.0

Die Fremdenfeindlichkeit und der Antisemitismus der "Freiheitlichen" war dem Kanzler der Koalition, Sebastian Kurz, keine Kritik wert - In der Partei fehlt jeder Funken an Selbstkritik

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Laut dem neuen Antisemitismusbericht der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) und dem "Forum gegen Antisemitismus" haben judenfeindliche Ereignisse in Österreich im Jahr 2019 erneut zugenommen. Während noch im Jahr 2017 von 503 antisemitischen Vorfällen berichtet wurde, gab es für 2019 insgesamt 550 Meldungen. Dies ist ein Anstieg von fast zehn Prozent.

Im Jahr 2008 gab es wiederum gerade mal 46 Meldungen. Der Anstieg lässt sich zwar vermutlich auch teils mit einem gesteigerten Bewusstsein erklären, antisemitische Ereignisse zu melden, doch soll es auch eine tatsächliche Zunahme antisemitischer Handlungen geben.

Es ist oftmals sehr schwierig, die Ideologie hinter den Hassattacken zuzuordnen. So konnte man bei 226 der 550 gemeldeten Fälle nicht die ideologische Gesinnung der Täter feststellen. Die große Mehrheit (insgesamt 268 Fälle) der antisemitischen Ereignisse soll jedoch von rechtsextremen Tätern verübt worden sein. Darauf folgen 31 Fälle, die man einem muslimischen Hintergrund zuordnet und 25 Meldungen, die von antisemitisch-linker Seite verübt wurden.

Körperliche Übergriffe

Neben Hakenkreuz-Schmierereien und Hasspostings in den sozialen Medien gehörten im vergangenen Jahr allein in Wien sechs körperliche Übergriffe zu den Hassattacken gegenüber Juden. Ein weiterer schrecklicher Vorfall ereignete sich mitten in einer Straßenbahn. Ein aufgrund seiner Kippa als jüdisch erkennbarer 13-jähriger Jugendlicher in Wien wurde hierbei grundlos von einem anderen Jugendlichen getreten und beschimpft, woraufhin der jüdische Junge keinen anderen Ausweg sah, als die Flucht zu ergreifen.

Im letzten Jahr wurden auch Teile der Ausstellung "Gegen das Vergessen" (hierbei handelt es sich um eine Erinnerungs-Initiative an die Opfer des NS-Regimes) mehrfach beschädigt. Die Porträtfotos von Überlebenden der NZ-Verfolgung wurden mit Hakenkreuzen und antisemitischen Parolen verunstaltet und mit einem Messer beschädigt. Nach den Anschlägen meldeten sich die Caritas, die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) und einige freiwillige Künstler zur Bewachung der Ausstellung.

Die Freiheitliche Partei Österreichs gibt wie immer Muslimen die Schuld

Dominik Nepp, Wiens Vizebürgermeister und FPÖ-Chef, macht "muslimische Massenzuwanderung" und die "Migrationswelle 2015" für den Anstieg antisemitischer Ereignisse verantwortlich, obwohl der Anteil rechtsextremer Vorfälle mit großem Abstand auf dem ersten Platz liegt. Es ist doch sehr bezeichnend, dass die Freiheitliche Partei keinen Funken an Selbstkritik zeigt.

Gegen Juden, Flüchtlinge und Muslime zu hetzen, bildet praktisch den Grundpfeiler ihrer rechtsextremen Ideologie. Dies lässt sich bereits seit der Geburtsstunde der Partei nachweisen. Anton Reinthaller, der erste Parteiobmann der FPÖ, war vor der Gründung seiner eigenen rechtsextremen Partei sowohl SS-Brigadeführer als auch Reichstagsabgeordneter der NSDAP.

Judenfeindlichkeit gehört zur DNA jener Partei, die bis vor einem Jahr noch eine Regierungskoalition mit der Österreichischen Volkspartei gebildet hat. Dabei waren es nicht die fremdenfeindlichen und antisemitischen Aktionen, die die FPÖ und die Koalition mit der ÖVP zu Fall gebracht haben, sondern Korruptionsvorwürfe gegen Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache und seinem ehemaligen Parteikollegen Johann Gudenus.

Die Freiheitliche Partei hat wesentlich dazu beigetragen, Xenophobie und Antisemitismus in der Gesellschaft salonfähig zu machen und der wiedergewählte Bundeskanzler Sebastian Kurz hat dies schweigsam hingenommen.

Nicht umsonst betitelte der österreichische Politikwissenschaftler Peter Filzmaier ihn im Jahr 2018 als "Schweigekanzler 2.0", da Kurz davon absah, die offensichtliche Nähe der FPÖ zu rechtsradikalen Gruppierungen zu kommentieren.

Handschriftliche antisemitische Widmung von Strache aufgetaucht

Die Süddeutsche Zeitung berichtete vergangene Woche nun von einem judenfeindlichen Buch, in dem eine handschriftliche Widmung von Heinz-Christian Strache zu finden ist, die laut einem Gutachter "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" vom ehemaligen FPÖ-Parteichef stammt.

In der Widmung werden Juden als "Gegner" und "machtlüstern" bezeichnet. Das Buch mit dem Titel "Jüdische Bekenntnisse aus allen Zeiten und Ländern", soll Strache einem Freund aus der rechtsextremen Szene im Jahr 1992 vermacht haben. Das Werk wurde erstmals im Jahr 1941 vom antisemitischen Stürmer-Verlag veröffentlicht.

Der österreichische Judenhasser Hans Jonak von Freyenwald war ein Mitarbeiter des Verlags und Verfasser des Pamphlets. Bei dem Buch mit der Widmung handle es sich jedoch um einen Nachdruck aus dem Jahr 1992, wobei Strache zu dieser Zeit bereits Bezirkspolitiker der Wiener FPÖ war.

Für Verwunderung sorgt der Fall nicht. Strache hat auch 2012 eine antisemitische Karikatur auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht, die international für Empörung sorgte. Auf der Karikatur ist unter anderem ein fetter Mann zu sehen, der eine auffällig große Nase hat und mit Davidsternen (an den Manschettenknöpfen) gekennzeichnet ist.

In der Geschichte der Partei sind solche Skandale zahlreich: 2014 meinte der damalige FPÖ-Spitzenkandidat Andreas Mölzer, dass der Begriff "Neger" ein ganz normales deutsches Wort sei ebenso wie "Zigeuner". Im April 2019, wenige Wochen vor der Veröffentlichung des skandalösen Ibiza-Videos, veröffentlichte das Parteiblatt der FPÖ Braunau in Oberösterreich ein Gedicht, in dem unter anderem über Migranten hergezogen wird.

Verfasser des Textes ist der ehemalige FPÖ-Vizebürgermeister Christian Schilcher, der nach dem Skandal zurücktreten musste. Zwar verurteilte Kanzler Kurz das Rattengedicht damals, jedoch war dies für ihn noch kein Grund mit dem damaligen Koalitionspartner zu brechen.

Antisemitische Verschwörungstheorien in Zeiten von Corona

Auch in diesem Jahr ist leider zu befürchten, dass die Anzahl antisemitischer Vorfälle zunehmen könnte. Rund um das Coronavirus kursieren bereits zahlreiche skurrile Verschwörungstheorien, in denen beispielsweise behauptet wird, dass "die Juden" den Virus entwickelt haben, um ihre Bankkonten mit den Profiten, die sich aus dem Impfstoff ergeben, zu füllen.

Dass es bisher noch gar keinen Impfstoff gibt, scheint bei der Narration keine Rolle zu spielen, aber das Nichtvorhandensein einer authentischen Basis ist bei xenophoben Verschwörungstheorien ja ohnehin nichts Neues.

Auf der anderen Seite gibt es wiederum Demonstranten, die gegen die Maßnahmen der Corona-Pandemie protestieren und sich dabei einen Davidstern umbinden, um sich als Opfer "des Systems" zu stilisieren. Mit diesem Vorgehen wird das Leid der Juden im Dritten Reich verharmlost. Die Aktion der Demonstranten zeigt zugleich, dass es bei ihnen keine ausgeprägte Empathie für die Opfer des Nationalsozialismus gibt.

Auch eine Studie unter Schülerinnen und Schülern in Wien zeigt, dass es enorme Wissenslücken zum Thema gibt. So konnten beispielsweise nicht einmal ein Drittel der teilnehmenden AHS-Schüler den Begriff "Antisemitismus" in vereinfachter Form wiedergeben.

Das Schweigen in Bezug auf fremdenfeindlichen Aktionen führt zwangsläufig dazu, dass das Bewusstsein gegenüber einer ausgrenzenden und diskriminierenden Politik schwindet. Die Salonfähigkeit rechtsextremer Ideologie ist maßgeblich auch auf Sebastian Kurz zurückzuführen, der darin gescheitert ist, den Rassismus seines ehemaligen Koalitionspartners beim Namen zu nennen.

Diesbezüglich bemängelte der Antidiskriminierungsausschuss des Europarats ebenfalls das Vorgehen österreichischer Politiker: "Es gibt einen hohen Grad an Islamophobie, und der öffentliche Diskurs ist immer fremdenfeindlicher geworden. Politische Reden haben äußerst spaltende und antagonistische Grundtöne angenommen, insbesondere in Bezug auf Muslime und Flüchtlinge", heißt es dort.