Sind "zukünftige Verteidigungsszenarien" bis 2075 vorhersehbar?

Mit so einer 130-Millimeter-Glattrohrkanone soll der MCGS bewaffnet werden. Bild: Rheinmetall

Deutsche und französische Rüstungsunternehmen planen einen gemeinsamen Panzer

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Leopard-2-Panzer von Krauss-Maffei Wegmann wird seit inzwischen 41 Jahren in Serie gebaut. 2035 soll er einen Nachfolger bekommen: Den deutsch-französischen Gemeinschaftspanzer Main Ground Combat System (MGCS), den die Franzosen Système de Combat Terrestre Principal nennen, aber trotzdem MGCS abkürzen.

Eine im Dezember ins Leben gerufene Arbeitsgemeinschaft aus dem deutschen Rheinmetall-Konzern und der von Krauss-Maffei Wegmann und dem französischen Staatskonzern Nexter Defense Systems gegründeten Holding KNDS (vgl. Beschleunigte Rüstungsgroßprojekte) erhielt nun vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnologie und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) offiziell den Auftrag für den ersten Teil einer "Systemarchitekturdefinitionsstudie". Mit ihr sollen die beteiligten Unternehmen innerhalb der nächsten 20 Monate verschiedene Konzepte auf ihre Machbarkeit bis 2035, ihre Tauglichkeit für die Einsatzanforderungen, und ihre Vereinbarkeit mit dem französischen Führungssystemverbund Scorpion und mit dessen deutschem Äquivalent "Digitalisierung landbasierter Operationen" (D-LBO) hin untersuchen.

Mindestens der Ladeschütze fällt weg

Einige Merkmale, die der MGCS haben soll, stehen aber bereits vorher fest. Eines davon ist eine schwerere Kanone als die 120-Millimeter-Glattrohrkanone von Rheinmetall, mit der die Leopard 2 ausgestattet sind. Deren Geschosse können nämlich die Panzerung der neuen russischen T-14-Armata nicht durchbrechen. Eine 130-Millimeter-Glattrohrkanone, die das können soll, hat Rheinmetall bereits gebaut. Außerdem soll sich die neue Kanone (wie beim französischen Leclerc) selbst laden, weshalb von der Besatzung mindestens der Ladeschütze wegfällt.

Andere Pläne bewegen sich dagegen noch sehr im Abstrakten. Vor allem der, dass der MGCS seine Kosten in wahrscheinlich dreistelliger Milliardenhöhe nicht nur durch Exporte, sondern auch durch eine mindestens vierzigjährige Nutzungsdauer rechtfertigt. Diese vierzigjährige Nutzung soll möglich werden, indem man "zukünftige Verteidigungsszenarien" einbezieht und das Gerät entsprechend entwickelt.

Anlass dafür sind auch Misserfolge des Leopard 2 beim Einsatz in der türkischen Armee in Syrien (vgl. Krieg ist kein Quartettspiel). Der westdeutsche Panzer wurde nämlich im Kalten Krieg entwickelt, als man von einem reinen Frontenkrieg gegen den Ostblock ausging, in dem dicke Bodenbleche und eine sehr starke Panzerung an allen Seiten eher überflüssiges Gewicht gewesen wären.

In der Schlacht um Al Bab, bei der die türkische Armee gegen einen asymmetrisch kämpfenden Feind vorging, wurden den Leopard 2 ihr relativ schwach gepanzerter Unterboden und die verletzliche Seiten zum Verhängnis. Auch deshalb, weil ihr Munitionsmagazin in einem dieser relativ schwach gepanzerten Bereiche untergebracht ist. Schlägt eine Lenkwaffe dort ein, dann zerstört sie den Leopard 2 buchstäblich "mit seinen eigenen Waffen". Wie ein Aikido-Kämpfer, der die Kraft des Gegners für sich nutzt.

FCAS

Der MGCS ist nicht der erste Versuch, einen gemeinsamen deutsch-französischen Panzer zu konstruieren. Schon Ende der 1970er träumten Politiker, Militärs und Industrielle auf beiden Seiten des Rheins von einem "Kampfpanzer 90". Dazu entwickelten sie auch ein Konzept, welches jedoch an Uneinigkeiten über ein Flachturmkonzept und andere Konstruktionsfragen scheiterte. Die Franzosen gaben deshalb dem Nexter-Vorgänger Direction des Études et Fabrications d’Armes 1982 den Auftrag zur Entwicklung des Leclerc.

Der wurde 1991 fertig, als der Kalte Krieg gerade vorbei war, und verkaufte sich entsprechend schlecht: Nur die Vereinigten Arabischen Emirate wollten das etwa zehn Millionen Euro pro Stück teure Gerät noch haben. Die Deutschen dagegen hatten ihren Leopard 2 noch in 18 Länder liefern können. Dass manche Beobachter bei der Entwicklung des neuen Gemeinschaftspanzers ein gewisses deutsches Übergewicht sehen, hat aber wahrscheinlich weniger mit diesem Verkaufserfolg zu tun, als mit einem gewissen französischen Übergewicht bei einem anderen und noch deutlich teureren Rüstungsprojekt: Dem neuen Kampfjet FCAS.

Dieses "Luftkampfsystem der Zukunft" soll mehr umfassen als einen Eurofighter-Nachfolger: Zum Beispiel Drohnen und die Steuerung von Satelliten. Fertig ist davon bislang allerdings nur das Design des Kampfflugzeugs, das die beiden beauftragten Firmen Airbus und Dassault Aviation im letzten Jahr in Le Bourget mit einer Art lebensgroßem Airfix-Modell aus Komposit-Kunststoffen vorstellten (vgl. Deutsch-französisch-spanisches "Luftkampfsystem der Zukunft").

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.