USA und Israel: Einig gegen den Internationalen Strafgerichtshof

Foto: US-Außenministerium/gemeinfrei

Der ICC ermittelt wegen Kriegsverbrechen. Die US-Regierung antwortet mit Sanktionen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs (das geläufige englisches Akronym ist ICC) sind den beiden befreundeten Regierungschefs Trump und Netanjahu nicht erst seit gestern ein Dorn im Auge. Immerhin geht es um den Vorwurf von "Kriegsverbrechen". Der spielt im internationalen Ansehen eine Rolle (Der Internationale Gerichtshof fügt sich den Drohungen aus Washington).

Auf die leichte Schulter nimmt ihn der US-Präsident jedenfalls nicht, worauf seine gestrige Anordnung ("executiv order") hindeutet, die Wirtschaftssanktionen gegen diejenigen Vertreter des ICC verhängt, die ohne Erlaubnis der USA gegen "Personal im Dienst der Vereinigten Staaten" ermitteln, wie das Außenministerium erklärt.

Schon zuvor hatten die USA den ICC-Ermittlern Schwierigkeiten bei der Visa-Vergabe in den Weg gelegt und Außenminister Pompeo arbeitet seit Monaten daran (früher noch im Bündnis mit Bolton, wie Times of Israel berichtet), den Internationalen Strafgerichtshof zu diskreditieren - und damit auch die Vorwürfe, die gegen die USA und Israel erhoben werden. Im Dokument des Weißen Hauses kommen auch die Ermittlungen gegen Israel zur Sprache.

"Manipulierte, politisch-motivierte Ermittlungen"

Vorgeworfen wird dem ICC, dass er sich Reformen verweigere, die von den USA und ihren Verbündeten eingefordert werden. Stattdessen setze man dort "politisch-motivierte Ermittlungen gegen uns und unsere Verbündeten, einschließlich Israel fort". Als Grund für diese gegen die USA und Israel gerichteten Aktivitäten werden "Manipulationen von gegnerischen Staaten" angeführt sowie Korruption und Fehlverhalten bis in die höchsten Stellen der Chefanklage hinein.

Sowohl aus Jerusalem wie auch Washington heißt es, dass der ICC ein " Kangaroo court" sei, was auf Deutsch schlecht wiederzugeben ist, wie der Wikipedia-Eintrag dazu anschaulich macht (englisch und deutsch); unmissverständlich ist, dass der ICC damit als politisches und unglaubwürdiges Instrument etikettiert werden soll.

So wundert es auch nicht weiter, dass der Nationale Sicherheitsberater Robert O'Brien in einer Pressekonferenz, bei der keine Fragen erlaubt waren, Hinweise streute, wonach Russland hinter den ICC-Ermittlungen steckt. Ebenfalls keine Überraschung ist, dass er dafür keine Beweise vorlegte.

Vorgeworfen wird dem ICC darüber hinaus, dass er mit seinen Ermittlungen die Sicherheit von US-Soldaten und anderen Angestellten im Dienst der USA gefährdet, die Souveränität der USA und überhaupt, so US-Außenminister Pompeo, sei der Internationale Gerichtshof doch nur nötig, wenn das Justizsystem Lücken habe, die der ICC füllen müsste, was für die USA nicht gelte. Bei seinen Israel-Besuchen machte Pompeo aus seiner Abwehr gegen den ICC ebenfalls kein Hehl. Bei der rechten Regierung trifft er da auf Beifall.

Alles in allem zeigt sich bei den Vorwürfen gegen den ICC ebenfalls eine politisch-motivierte Gewichtung und eine Haltung, die auch vor Manipulationen nicht zurückscheut. Worum geht es?

"Kriegsverbrechen in Afghanistan"

Der ICC ermittelt gegen "Kriegsverbrechen" in Afghanistan aufgrund von 699 Zeugenaussagen. Es wird aber nicht nur gegen US-Truppen und der CIA ermittelt, sondern auch Vorwürfen gegen afghanische Sicherheitsstreitkräften und den Taliban nachgegangen, auch andere Gruppen sind Gegenstand der Ermittlungen (Der Internationale Strafgerichtshof entscheidet über Untersuchung in Afghanistan). Dass die USA nicht zu den Mitgliedsländern gehört, die das Rom-Statut unterzeichnet haben, spielt für die Ermittlungen keine Rolle. Ausschlaggebend ist, dass Afghanistan zu den Vertragsländern gehört.

Berichte und Klagen über brutale Vorgehensweise von US-Truppen und der CIA in Afghanistan sind so zahlreich, dass Vorermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen angebracht erscheinen. Auch zu den Kriegsgeschehnissen und der Vorgehensweise der israelischen Militärs in den palästinensischen Gebieten gibt es viele Berichte, die Zeugnis von brutalem Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung abgeben.

"Kriegsverbrechen in den palästinesischen Gebieten"

Anlass für die Ermittlungen soll die Zerstörung von palästinensischem Eigentum sein, die Vertreibung von Palästinensern aus dem Westjordanland und Ost-Jerusalem sowie die israelische Militäroperation Protective Edge 2014 im Gazastreifen und letztlich auch der Siedlungsbau im Westjordanland.

Die Ablehnung der Vorermittlungen ist ein politischer Standpunkt, der mit Machtinteressen verbunden ist. In Israel ist die Diskussion über eine bevorstehende Annexion von Gebieten im Westjordanland in vollem Gang.

Sie wird kontrovers geführt. Der rechten Netanjahu-Regierung stehen auch andere Auffassungen gegenüber. Wie weit sich das polarisiert, zeigt sich etwa an einem Artikel des regierungskritischen Magazins +972, wo darüber berichtet wird, dass linke israelische Gruppen nun auch den Vorwurf der Apartheid plakatieren.

Dass die Annexion aber auch Kritiker im nicht-linken Lager hat, die ernstgenommen werden, darauf deutet eine interne politische Direktive der Aipac hin, der Lobbyorganisation in den USA, wo Netanjahu oft unterstützt wird. Bei der gegenwärtigen Diskussion aber scheint es auch Aipec-Vertreter zu geben, die der Annexion sicherheitspolitisch mit Skepsis gegenüberstehen.

Umso wichtiger dürfte es für Netanjahu sein, dass er nicht auch noch mit Ermittlungen des Internationalen Strafgerichthofs zu kämpfen hat, die sich mit dem Vorwurf von Kriegsverbrechen vonseiten Israels in den palästinensischen Gebieten beschäftigen.

Vorwurf der Hexenjagd

Dabei handelt es sich um Vorermittlungen. Es ist also noch gar nicht entschieden, ob es zu Ermittlungen kommt. Dennoch hat Netanjahu das Thema ICC zu einer Top-Priorität der neuen Regierung gemacht, wie Times of Israel berichtet.

Die Kritik am ICC hat mehrere Facetten. Neben der Diskreditierung des ICC als Agent einer "Hexenjagd" - auch mit dieser Vokabel sind Trump und Netanjahu unisono - kommen Vorwürfe, wonach die Palästinenser keine rechtliche Grundlage hätten, ihre Vorwürfe an den ICC zu delegieren, damit dieser ermittle, wie dies auch Pompeo bei seinem Israel-Besuch noch einmal vorbrachte.

Zum anderen wird in Kommentaren vorgebracht, dass der Gerichtshof einseitig gewichtet und zum Bespiel in Sachen Baschar al-Assad nichts unternehme.

Beides ist nicht so eindeutig, wie es klingt. "Die Palästinenser sind ab sofort vollwertiges Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag", heißt es in einem Bericht vom März 2015. Aber: Innerhalb des Gerichtes ist das anscheinend eine Frage, die noch genauer Klärung bedarf.

Es ist aber auch so, dass Baschar al-Assad wie auch die syrische Regierung längst im Visier des Internationalen Strafgerichtshofes sind. Dass sich Baschar al-Assad mithilfe Russlands dagegen wehrt, kann doch kein Maßstab für die beiden Vertreter von Vorbild-Demokratien sein?

Ist miteinkalkuliert, dass das Vorhalten der USA und Israels gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof Schule bei den autoritär geprägten Regierungen macht?