Studie belegt Zweifel, ob sich eine länger anhaltende Immunität nach einer Covid-19-Infektion einstellt

Sars-CoV-2-Virus. BIld: NIAID/CC By-2.0

Nicht alle Infizierten entwickeln Antikörper, ein Anteil der Genesenen weist nach 21 Tagen keine Antikörper mehr aus. Immunitätsausweise und Impfstoffe könnten damit obsolet werden

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Gesundheitsminister Jens Spahn hatte mit einem Covid-19-Immunitätsausweis geliebäugelt, ist aber dann doch vor den Folgen oder auch nur vor der Kritik erst einmal zurückgeschreckt und lässt die Idee nun vom Ethikrat prüfen (Spahn stellt den geplanten Immunitätsausweis zurück). Nicht zuletzt deshalb, weil ein Antikörper-Nachweis bislang nicht sicherstellt, dass eine Immunität tatsächlich bzw. für eine längere Zeit eintritt, sondern auch, ob gefundene Antikörper auch von Coronaviren stammen könnten, die es schon länger gibt und die schlimmstenfalls nur eine leichte Erkältung hervorrufen (dazu Drosten).

Die deutsche Firma AU-Schein.de von Can Ansay, der sie "Telemedizin-Unternehmen" nennt, ist schon bekannt und berüchtigt geworden, als sie zum Start angeboten hat, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen online via App für 14 Euro auszustellen, ohne dass der Arbeitnehmer deswegen einen Arzt aufsuchen muss. Erst einmal wurde dies für Erkältungen angeboten, soll jetzt aber auch für andere leichte Erkrankungen wie Rücken- oder Regelschmerzen, Stress oder Migärne und neuerdings von Covid-19-Infektionen möglich sein. Wer nicht in die Arbeit und keinen Arzt aufsuchen will, muss seine Symptome angeben, die dann angeblich von einem Telearzt vor Ausstellung der AU überprüft werden. Ob und wie das rechtlich Bestand hat, muss erst noch überprüft werden. 28 Euro kostet eine AU für 14 Tagen bei Covid-19-Symptomen. Angeboten werden sie auch in Frankreich und in den USA.

Jetzt will Ansay unter dem Slogan "Freiheit für Immune!" auf den neuen Zug mit der Ausstellung von "Immunitätsausweisen" aufspringen. Die Immunität lasse sich durch Antikörpertests nachweisen, wird mit einem Verweis auf eine Studie der koreanischen Seuchenschutzbehörde "KCDC" vom 18. Mai behauptet. Die Studie findet sich hier. Die Behörde hatte bei 285 Genesenen, die positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden, weil der PRC-Test auf tote Virenpartikel ansprach, 790 Kontakte überprüft, die alle keine Infektionen aufgewiesen hätten. Genauere Methodik findet man zumindest in der englischen Version nicht.

Sein Pass habe Vorteile für alle, die Immunen könnten sich "wieder ohne Maske und ohne Abstand frei bewegen". Ansy empfiehlt auch "Menschenversuche durch kontrollierte Ansteckung, wozu auch Experten zur schnelleren Erforschung eines Impfstoffs raten".

Nur kurzfristige Immunität?

Jetzt wurde auf Medvix eine Studie von chinesischen und amerikanischen Wissenschaftlern veröffentlicht, die in Zweifel zieht, ob es eine anhaltende Immunität nach einer Covid-19-Infektion gibt. Die Wissenschaftler untersuchten, ob von Sars-CoV-2-Infizierte über längere Zeit eine Immunität entwickeln.

Untersucht wurden vier verschiedene Gruppen aus Wuhan, die zwischen 29. Februar und 29. April positiv auf Sars-CoV-2 getestet, also infiziert waren, sowie auf IgM/IgG Antikörper mehr als 21 Tage nach der bestätigten Infektion getestet wurden: 1470 Covid-19 positiv getestete Patienten von Krankenhäusern in Wuhan, dazu ohne Covid-19-Diagnose 3832 Personen des medizinischen Personals, 19.555 andere Angestellte und 1616 andere Patienten. Bei den Covid-19-Patienten der Krankenhäuser hatten fast 90 Prozent Antikörper vom Typ Immunglobulin-G (IgG), beim medizinischen Personal waren es 4 Prozent, bei den Angestellten 4,6 Prozent und bei anderen Patienten 1 Prozent. Mit zunehmendem Alter war die Prävalenz von lgG beim medizinischen Personal und bei den Angestellten höher.

Anders sah es bei den Antikörpern vom Typ Immunglobulin M (IgM) aus. Sie waren bei 31,4 Prozent der Covid-19-Patienten, bei 1,5 Prozent des medizinischen Personals, bei 1,3 Prozent der Angestellten und bei 0,2 Prozent der anderen Patienten nachweisbar.

Die Wissenschaftler ziehen daraus den Schluss: "Sehr wenige Angehörige des medizinischen Personals hatten lgG-Antikörper für Sars-CoV-2, obgleich eine großer Teil infiziert worden war. Nach einer Sars-CoV-2-Infektion ist es wenig wahrscheinlich, dass Menschen lang anhaltende Antikörper bilden, die vor dem Virus schützen."

Unterstellt wird, dass das medizinische Personal seit November 2019, als das Virus auftrat, aber bis 20. Januar noch nicht bestätigt wurde, dass es sich von Mensch zu Mensch verbreitet, zu einem guten Teil infiziert wurde, da die meisten Infizierten keine oder schwache Symptome zeigen und das Personal zu Beginn noch keine Schutzkleidung trug. Die Wissenschaftler schätzen, dass mindestens ein Viertel des Personals infiziert wurde. Aber das ist natürlich nur eine Annahme, wenn auch eine entscheidende, die unterstützt wird durch die Annahme, dass die Zahl der Infizierten zwischen 10 und 80 Prozent höher ist als die Zahl der positiv Getesten. Die hospitalisierten Patienten hingegen hatten, weil sie ins Krankenhaus eingewiesen wurde, schwerere Symptome und waren mit über 58 Jahren durchschnittlich auch älter als das medizinische Personal mit einem Durchschnittsalter von 41,6 Jahren. Die Mortalität der Covid-19-Patienten mit lgG-Antikörpern lag bei 1,3 Prozent und den Patienten ohne die Antikörper bei 3,3 Prozent. Bei den Patienten mit oder ohne lgM-Antikörper war das Sterberisiko ähnlich hoch.

Das medizinische Personal, bei dem nur 4 Prozent IgG-Antikörper hatten, obgleich vermutlich sehr viel mehr infiziert wurden, hätten "das Virus durch ihr eigenes Immunsystem besiegt. Bei diesem medizinischen Personal wurden keine anhaltenden schützenden Antikörper gebildet." Aber auch bei den Covid-19-Patienten hatten mehr als 10 Prozent 21 Tage nach dem Auftauchen von Symptomen keine Antikörper mehr. Nach einer anderen Studie konnten in allen Patienten 17-19 Tage nach dem Auftreten von Covid-19-Symptomen IgG-Antikörper nachgewiesen werden.

Daraus ziehen die Wissenschaftler den Schluss, dass die mehr als 10 Prozent Patienten, die 21 Tage nach dem Auftreten von Symptomen keine Antikörper mehr hatten, "die IgG-Antikörper mit großer Wahrscheinlichkeit verloren haben, als die Infektion überstanden wurde". Es gebe womöglich nur eine kurzzeitige Immunität, wie dies auch bei Versuchen mit Makaken beobachtet worden sei. Auch bei den gewöhnlichen Erkältungs-Coronaviren entstehe nur eine teilweise Immunität. Das wurde gerade durch eine andere Studie noch einmal bestätigt.

Aufgrund ihrer Ergebnisse kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass Immunitätsausweise keine wissenschaftliche Basis hätten. Und auch das Konzept der Herdenimmunität wird damit obsolet, denn der Nachweis von Antikörpern könne nicht bedeuten, dass diese vor einer Wiederinfektion schützen. Und wenn zudem die Antikörper bei Genesenen wieder verschwinden, sagen Antikörpertests höchstens mit einer hohen Unsicherheit aus, ob jemand mit Sars-CoV-2 infiziert war. Die Wissenschaftler äußern auch Zweifel, ob Impfstoffe, die gegenwärtig entwickelt werden, wirklich einen anhaltenden Schutz gewähren können.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.