Der Anteil der Natur an der Rechtswendung der Gesellschaft

Kreidezeitlicher Flugsaurier und neuzeitlicher Flughund im Naturkundemuseum Venedig. Bild: Ricardolovesmonuments / CC-BY-SA-4.0

Natur- und Umweltschutzrhetorik dient der Neuen Rechten als Türöffner. Was tun? Ein Interview

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Das Erstarken einer neuen radikalen Rechten, die Naturschutzthemen bespielt, war 2017 der Anlass zur Gründung der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN), einem gemeinschaftlichen Projekt der NaturFreunde und Naturfreundejugend Deutschlands. Die Organisationen stehen in der Tradition der Arbeiterbewegung und waren in der Nazi-Zeit verboten. FARN stellt sich der Aufgabe, mit Präventions- und Bildungsarbeit inhumanen Denkmustern im Bereich des Natur- und Umweltschutzes entgegenzuwirken. Fragen an Yannick Passeick, Bildungsreferent bei FARN.

Wie haben sich nach Ihrer Beobachtung die rechten Einflussversuche auf die Umweltschutzbewegung in der letzten Zeit entwickelt?.

Yannick Passeick: In der letzten Zeit sind rechte Einflussversuche im Kontext der starken Präsenz ökologischer Themen wie der Klimakrise, mit Fridays for Future und den Wahlerfolgen der "Grünen" deutlich stärker zu beobachten. Das Klima-Thema wurde bisher eher ignoriert oder als Mythos abgetan, aber nun primär in der Neuen Rechten verknüpft mit bevölkerungspolitischen und migrationsfeindlichen Ansätzen.

Das zeigt sich auch publizistisch: Aus dem Umfeld der Identitären und "1 Prozent" gibt es nun eine rechte Öko-Zeitschrift mit dem Namen "Die Kehre", wo der völkische Heimatschutz mit neurechter Philosophie von Heidegger und Jünger wiederbelebt werden soll. Prominenter Leser übrigens: Björn Höcke. Außerdem finden sich im Bereich des Ökolandbaus Versuche einer "rechten Landnahme" völkischer und rechtsesoterischer Kräfte.

Yannick Passeick. Bild: NaturFreunde Deutschlands

Vor einiger Zeit ist ein Schlagwort aufgekommen, das schon in der Gründungsphase des institutionellen Naturschutzes um 1900 diesen untermauern sollte: der Heimatschutz. Ändert die neuerliche Berufung auf Heimat etwas an der gesellschaftlichen Einstellung zur Natur?

Yannick Passeick: Heimatschutz kann als politischer Begriff nur als reaktionär und exkludierend verstanden werden. Wie beim Naturverständnis der entsprechenden Heimatschutzbewegung um 1900 werden Kategorien wie Heimat, Natur und Volk als deterministisch verbundene Einheiten verstanden. Daraus lässt sich dann Migrationsfeindlichkeit ökologisch erklären, und Heimatschutz steht sowohl für eine Naturschutzprogrammatik als auch für Regionalisierung und Abschottung. Nun wird "Heimat" in der breiten Gesellschaft nicht überall als Heimatschutz verstanden und ist oftmals auch lediglich ein Marketingmittel. Es bietet aber einen guten Anknüpfungspunkt für eine rechte Argumentation.

Zum Naturschutz gehört seit langem die Debatte über die Überfremdung der einheimischen Flora und Fauna durch ausländische "Invasoren". Was halten Sie von der Diagnose des Vegetationsgeographen Gerhard Hard, dass es sich gar nicht um ein ökologisches Drama, sondern um ein Psychodrama handele? Die Ängste schlummern in den Menschen selbst.

Yannick Passeick: Angst vor dem Fremden und Abschottung des Eigenen spielen in dieser Debatte sicherlich eine große Rolle. Biologismen werden für gesellschaftliche Fragen bemüht und andersherum gesellschaftliche Wünsche auf die Flora und Fauna übertragen. Ich halte beides für gefährliche Vereinfachungen.

Die Umweltschutzbewegung ist nach wie vor "links" oder "alternativ" konnotiert. Erschwert diese Etikettierung die Wahrnehmung, dass rechte Gruppen und Ideologien auf dem linken Ticket allmählich in die Naturschutz-Verbände und -vereine vordringen? Verwirrt das nicht vor allem jüngere Mitgliedern etwa der Naturfreundejugend, und werden sie dadurch anfällig für völkische oder rassistische Ideologien?

Yannick Passeick: In unserer Bildungsarbeit mit jungen Menschen erleben wir immer wieder genau diese Annahme und eine große Verwunderung darüber, dass diese Annahme nicht immer zutrifft. Im Zuge der Corona-Proteste wird in der Öffentlichkeit immer deutlicher, dass der Begriff "alternativ" nicht unbedingt "links" heißen muss. Teile der alternativen Milieus mit esoterischer Ausrichtung zeigen, wie weit sie von Rationalität und dem Einsatz für Menschenrechte entfernt sind. Die Gefahr bleibt aber bestehen, wenn sich beispielsweise Öko-Projekte der antisemitischen Anastasia-Bewegung zuordnen. Hier hilft dann vor allem Aufklärung und Sensibilisierung in den Umweltschutzverbänden, sowie eine inhaltliche Auseinandersetzung, um das eigene demokratische Selbstverständnis zu befördern.

Welche Rolle spielt "Querfront" bei dieser Amalgamierung linker und rechter Positionen? Können Sie den Begriff aus Ihrer Sicht erläutern? Haben Sie Beispiele für die Wirkungsweise des "Prinzips Querfront" heute?

Yannick Passeick: Querfront beschreibt meist die Zusammenarbeit von politischen Kräften zu einem bestimmten Thema, die sich in anderen Fragen entschieden gegenüberstehen. Ob als Argumentationsmuster oder als tatsächliche Zusammenarbeit taucht das im Kontext Natur-, Tier- und Umweltschutz immer wieder auf. Dann heißt es sinngemäß: "Hauptsache für die Tiere/Natur/Umwelt/Erde".

Aus linker Perspektive lässt sich damit nichts erreichen. Ein recht aktuelles Beispiel einer Querfrontstrategie findet sich beim "Extinction Rebellion"-Mitgründer Roger Hallam und seiner Einladung an Rassist*innen, sowie seiner Holocaustrelativierung. Subtiler verläuft es in manchen Bürgerinitiativen gegen Windräder, Mastanlagen oder Schlachthöfe. Dort docken rechte Akteur*innen an und verbreiten dann ihre Ideologie.

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