Corona: Mehrheit gegen Trumps Handhabung der Krise

US-Präsident bleibt dabei: Weniger Tests "kein Scherz"; die Zahl der Neuinfektionen erreichen in manchen Bundesstaaten Rekordhöhen. Umfrage zeigt Vorsprung von Joe Biden

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Trump muss sich weiter strecken, er ist mitten in einer Aufholjagd. Sein Konkurrent Biden liegt in der Wählergunst weit vorne. 50 Prozent würden für ihn stimmen, gegenüber 36 Prozent, die für den Amtsinhaber votieren wollen. Die Umfrage der New York Times ist aktuell, sie wurde vergangene Woche durchgeführt, 1.337 registrierte Wähler nahmen daran teil.

Aber die Wirtschaft

Dass sich jüngere Wähler, Schwarze, die mit den höheren Schulabschlüssen und auch die Frauen mehrheitlich für den demokratischen Kandidaten entscheiden würden, und der Amtsinhaber große Mühe haben wird, unter diesen neue Wähler hinzuzugewinnen, ist keine Überraschung. Aber die Wirtschaft! Dort liegen Trumps Chancen. Auf diesem Feld trauen ihm 50 Prozent der Befragten mehr zu als Biden. Bei ihm erreichen die Zustimmungen beim Thema Wirtschaft nur 45 Prozent.

"Würde sich die Wahlkampagne im Herbst auf eine Abstimmung darüber zuspitzen, welcher Kandidat besser dafür gerüstet ist, nach der Pandemie wieder eine prosperierende Wirtschaft schaffen zu können, dann", so die New Yorker Zeitung, "könnte dies Trump die Möglichkeit neu eröffnen, seine Sache voranzubringen."

Die Schwierigkeit, vor der Trumps damit steht, ist, dass sein Umgang mit der Pandemie ziemlich skeptisch beurteilt wird, um es vorsichtig zu formulieren. Fast drei Fünftel der befragten Wähler sind mit seiner Handhabung der Corona-Virus-Pandemie "nicht einverstanden", hat die Umfrage ermittelt. Selbst die Mehrheit der weißen Wähler und der Männer würde Trumps Corona-Management missbilligen - und auch seine Absicht, die Wirtschaft möglichst schnell wieder zu öffnen, selbst wenn damit mehr Menschen einem größeren Ansteckungsrisiko ausgesetzt werden, würde von der Mehrheit abgelehnt.

Mit einem Abstand von 21 Prozentpunkten gegenüber anderen Aussagen gaben die Befragten an, dass die US-Regierung primär die Ausbreitung des Corona-Virus in Schranken halten sollte, selbst wenn dies der Wirtschaft schade, heißt es in dem NYT-Bericht zur Umfrage.

"Das Virus verschwindet nicht"

Auch die Infektionszahlen sprechen gegen die Lockerungsabsichten Trumps. Sie steigen stark in Texas, wo laut Gouverneur Greg Abbott auch die Hospitalisierungsrate auf einem Allzeithoch sei. In Oklahoma werden neue Tagesrekorde gemeldet. Aus Florida wurden Anfang der Woche Tausende von neuen Fällen berichtet, fast 3.000 neu bekannt geworden Fälle allein am Sonntag. Ein Lokalsender in Orlando spricht von einem Trend, der seit Wochen anhält. Derzeit zähle man in Florida über 100.000 Infizierte seit März.

In Arizona berichteten die Behörden am Dienstag von über 3.500 neu bekannt gewordenen Infektionen mit Sars-CoV-2 und jüngst 42 Todesfällen im Zusammenhang mit Covid 19. Die Gesamtzahl der Infizierten habe gestern knapp über 58.000 betragen, 1.384 Tote werden im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung gemeldet.

Der Anstieg der täglichen Neuinfektionen betrage in Arizona 97,8 Prozent, Texas 92,2 Prozent und in Florida über 84 Prozent rechnet die World Socialist Webseite vor. Als Vergleichsbezugsgrößen werden unterschiedliche Daten angeben, vergangene Woche etwa oder der vorhergehende "Level", so dass nicht ausgeschlossen ist, dass bei einer akribischen Überprüfung der Steigerungsraten möglicherweise etwas weniger dramatische Prozentangaben herauskommen würden. Müßig zu erwähnen, dass die sozialistische Webseite nicht daran interessiert ist, Trump in einem schmeichelhaften Zahlenbild zu zeigen.

Der Trend der Infektionen allerdings, der gegen Trump spricht, wird auch, wie erwähnt, von Behördenangaben unterstützt. Der Wahlkämpfer selbst versucht, die Zahlen so gut wie möglich kampagnenfähig zu machen. Er sprach sich kürzlich bei seinem Hallen-Kampagnen-Comeback in Tulsa dafür aus, es mit dem Testen langsamer angehen zu lassen. Das gab seinen Anlass zu neuem Spott, bestätigte die Meinung derer, die in ihn vor allem einen elitären Egomanen sehen und führte zu offen geäußertem Widerspruch in den Reihen seiner Regierung.

"Wir werden mehr Tests durchführen", sagte der Regierungsberater Anthony Fauci, ein Virologe mit Verweis auf die Pläne der Behörde Centres for Disease Control and Prevention Director (CDC). Fauci sprach vor einem Kongressausschuss auch davon, dass es einen "verstörenden Anstieg von Infektionen" gebe und das Virus nicht einfach verschwinde.

"Kein Scherz"

Die Imagearbeiter im Weißen Haus suchten die Kluft zwischen Experten und der Aussage des Präsidenten dadurch zu kitten, dass sie die Bemerkung Trumps als nicht wirklich ernst gemeint darstellen. Der Präsident berichtigte seinen Pressesprecher: Er habe keinen Scherz gemacht. "Mit mehr Tests haben wir mehr Fälle." Covid-19-Tests seien ein "zweischneidiges Schwert".

Laut Worldinfometer führen die USA mit der Gesamtzahl von über 29 Millionen Tests weltweit die meisten Tests durch und haben mit 2, 4 Millionen Infizierten auch da die höchste Zahl. Schaut man sich an, wie viele Tests pro einer Million Landesbewohner durchgeführt werden, so werden für die USA 89.348 angegeben, für Russland, wo man erheblich weniger Infizierte zählt (knapp über 600.00), werden 122.000 Tests pro 1 Million Einwohner angegeben. Auch bei anderen Zahlen zeigt sich, dass der Umgang mit der Pandemie in Russland erfolgreicher ist.

Das allein schon lässt Trumps Aussage wackeln, die im Mitgemeinten suggeriert, dass der "Corona-Spuk" verschwinden würde, wenn man nicht so genau hinschaut. Übrigens zeigt sich bei der Zahl "Test pro 1 Million Einwohner" auch, dass Deutschland gar nicht so testfreudig ist, wie gerne behauptet wird. Mit knapp über 60.000/1 Million liegt Deutschland hinter Großbritannien, Russland, Spanien, Italien, Portugal und den USA.

Mit dem Argument "Weniger Tests, weniger schlimme Zahlen" wird Trump bei der kritischen Öffentlichkeit nicht weit kommen, aber das dürfte ihn nicht so sehr stören, bei seinen Wahlauftritten vor Publikum setzt er auf seine persönliche Wirkung, die so "geframet" ist, dass sie von Widersprüchen zum Herkömmlichen lebt, also auch zu Aussagen aus seiner Administration.

Darin liegt auch die andere, nicht gering zu schätzende Chance seiner Wahlkampagne, die der New-York-Times-Umfragebericht nicht wirklich auf der Liste hat: Dass Trump seinen Wahlkampf über Persönlichkeit führt, über eine Entwertungskampagne gegen Biden.