Afrika: Schuldentilgung oder Schuldenfalle

Debt Service Suspension Initiative: Die Schuldenstopp-Initiative der G20-Länder klingt nur auf dem Papier gut – Teil eins

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Angesichts der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen herrscht breiter Konsens darüber wirtschaftlich schwachen Ländern helfen zu müssen. Die G20-Länder und der Internationale Währungsfonds (IMF) haben mit der Debt Service Suspension Initiative (DSSI) eine entsprechende Maßnahme in die Wege geleitet. Von Mai an bis Ende des Jahres sollen die Kreditabzahlungen der 77 ärmsten Länder ausgesetzt werden. Die Stundung der Kredite soll mehr als 20 Milliarden Dollar freisetzen, die die Regierungen armer Staaten zur Stärkung ihrer Gesundheitsdienste verwenden könnten, insbesondere in Afrika, wo über die Hälfte der Länder liegen, die vom Schuldenstopp "profitieren" können.

Denn die Last der Zins- und Tilgungszahlungen ist in der Tat eine der Gründe dafür, dass Afrikas Bedarf an öffentlicher Gesundheit überhaupt so hoch ist. Mehr als 30 afrikanische Länder gaben 2019 mehr für die Schuldentilgung aus als für die öffentliche Gesundheitsversorgung, schrieb das Centre for European Policy Studies (CEPS) im Vorfeld der G20-Vereinbarung.

Zwei Monate später sieht die Realität nicht so vielversprechend aus, wie das "Internationale Solidarität von historischer Dimension" anklingen lässt. Neuesten Zahlen der Weltbank zufolge nehmen bisher nur 35 Staaten an der DSSI teil. In Afrika sind es nur 25 der 41 Länder, die Anspruch auf das Programm hätten. Die potenziellen Einsparungen durch die DSSI belaufen sich bei den Teilnehmerländern derzeit auf lediglich neun Milliarden Dollar (wovon auf Angola allein drei Milliarden Dollar entfallen), also knapp die Hälfte der 20 Milliarden Dollar-"Hilfe" in Form eines Schuldenmoratoriums.

Bedingungen gehen an der Realität vorbei

Die Initiative gilt für die 76 Länder, die für eine Unterstützung durch die International Development Association der Weltbank infrage kommen, sowie für alle Nationen, die von den Vereinten Nationen als "am wenigsten entwickelte Länder" definiert werden. Länder mit Zahlungsrückständen gegenüber dem IWF und der Weltbank sind nicht teilnahmeberechtigt. Außerdem bezieht sich die G20-Initiative nur auf offizielle bilaterale Schulden.

Sie hat zudem noch einen Haken: Denn eine der Bedingungen für die Gewähr einer Schuldenstundung lautet, dass in dem Zeitraum keine neuen Schulden gemacht werden dürfen. 38 Länder haben bisher aus verschiedenen Gründen das Programm abgelehnt. Während sich reiche Länder in Zeiten von Niedrig- und Nullzinspolitik für Konjunkturpakete tief verschulden können, müssen sich DSSI-berechtigte Länder antizyklische Stimuli zweimal überlegen.

Zudem müssen die infrage kommenden Länder in der Lage sein, alle durch die DSSI frei werdenden Ressourcen zur Bekämpfung von Covid-19 einzusetzen. Da die DSSI Verpflichtungen gegenüber privaten Gläubigern ausnimmt, müssen sie diese weiterhin bedienen. Für mindestens 10 Länder, darunter Äthiopien, Ghana und Kenia, ist die Schuldentilgung für diese Gläubiger höher als der potenzielle Erlass durch die G20. Für diese Länder unterstützt die DSSI nicht die Covid-19-Reaktionsbemühungen, sondern es erleichtert lediglich die Rückzahlung an andere Gläubiger.

Kenia verlautbarte im Mai, das Land werde sich nicht um eine Aussetzung der Schuldenzahlungen im Rahmen einer G20-Initiative bemühen, die darauf abzielt, armen Ländern zu helfen, die COVID-19-Pandemie zu überstehen. Die Bedingungen des Abkommens seien zu restriktiv. Ein Drittel der kenianischen Auslandsschulden in Höhe von 28 Milliarden US-Dollar sind privaten Gläubigern geschuldet, darunter den Inhabern der beiden Eurobonds des Landes.

Last der Eurobonds

Vor allem ächzen afrikanische Staaten unter ihren Schulden bei privaten Gläubigern. Die Gesamtauslandsverschuldung Afrikas wird auf 417 Milliarden US-Dollar geschätzt. Im Jahr 2018 entfielen 36% der Auslandsschulden der afrikanischen Regierung auf multilaterale Organisationen wie die Weltbank und den IWF, 32% auf bilaterale Gläubiger (darunter 20% gegenüber China) und weitere 32% auf private Kreditgeber. Der Anteil der Schulden bei privaten Kreditgebern ist mit 32% fast gleich hoch wie bei multilateralen Institutionen.

Laut der Jubilee Debt Campaign, die auf einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder drängt, gab Angola zum Beispiel im Jahr 2019 fast 43% seiner Gesamteinnahmen für die Schuldentilgung aus, Ghana gab 39% und Gambia 38% aus.

Zwar wird von der G20-Initiative die freiwillige Teilnahme privater Kreditgeber zu vergleichbaren Bedingungen fordert, doch derlei Appelle verhallen auf dem Kapitalmarkt nicht nur angesichts der weltweiten Rezession. So haben sich Mitte Mai "über 25 der weltweit führenden Vermögensverwalter und Finanzinstitutionen, die über Eurobonds, Konsortialkredite, Handelsfinanzierungen und andere Kreditstrukturen auf dem afrikanischen Kontinent private Finanzierungen für Nationen und Unternehmen bereitstellen", zu der Interessengemeinschaft The Africa Private Creditor Working Group (AfricaPCWG) zusammengeschlossen.

Die AfricaPCWG wolle den afrikanischen Regierungen, der UNECA, der G20, dem IWF und anderen multilateralen Entwicklungsbanken ("MDBs") ein Forum bieten, über das alle Interessengruppen in transparenter und konstruktiver Weise mit verschiedenen Kategorien privater internationaler Investoren in afrikanische Staats- und Unternehmensschulden in Kontakt treten können, um die Lösung allgemeiner Fragen zu koordinieren, die sich aus der Covid-19-Krise ergäben. Insbesondere wolle die Gruppe sicherstellen, "dass die Bedingungen für den fortgesetzten Zugang zu privatem Kapital, der für die Entwicklung der Gesellschaften und Volkswirtschaften in den kommenden Jahren so wichtig ist, weiterhin gegeben sind."

Will ein Land also "Zugang zu privatem Kapital" haben, kann es bei der DSSI nicht teilnehmen. Nimmt es bei der DSSI teil, darf es keine Schulden aufnehmen, um Konjunkturpakete zu schnüren. Wird dieser Umstand Chinas Kreditvergabepolitik, die als "debt-trap diplomacy" verunglimpft wird, in die Hände spielen? Xi Jinping hat bereits einen echten Schuldenerlass verkündet: Afrikanischen Ländern werden die zinslosen Darlehen, die dieses Jahr fällig werden, komplett gestrichen.