Hongkong: Beijing schwingt den Knüppel

Hongkong, 27.Mai 2020. Bild: Studio Incendo/ CC BY 2.0

Chinas Parlament schreibt dem autonomen Hongkong ein Sicherheitsgesetz vor, das der Zentralregierung direktes Eingreifen ernöglicht

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Der Ständige Ausschuss des chinesischen Parlaments hat am heutigen Dienstag (Ortszeit) ein sogenanntes Nationales Sicherheitsgesetz für Hongkong verabschiedet, berichtet die in Hongkong erscheinende South China Morning Post. Die Entscheidung fiel einstimmig. Auch der einzige Vertreter Hongkongs in dem Gremium hob seine Hand für das neue Gesetz.

In der autonomen Stadt wird damit nun die Zusammenarbeit mit ausländischen Mächten, das Untergraben staatlicher Macht, Terrorismus und das Verfolgen staatlicher Unabhängigkeit unter Strafe gestellt. Als Höchststrafe ist lebenslange Haft vorgesehen. Die Auslegung des Gesetzes wird in letzter Instanz nicht den örtlichen Behörden überlassen. Außerdem geht es im Zweifelsfall vor Hongkonger Recht.

China hat ein zweitstufiges Parlament, Nationaler Volkskongress genannt. Das mit rund 3.000 Abgeordneten besetzte Gremium tagt nur einmal im Jahr und verabschiedet grundlegende Gesetze wie etwa Verfassungsänderungen. Außerdem wählt es den Präsidenten, die Regierung, die obersten Richter und Staatsanwälte. Es hatte kürzlich seinem Ständigen Ausschuss den bindenden Auftrag gegeben, ein entsprechendes Gesetz auszuarbeiten und zu verabschieden.

Versuche, ein ähnliches Gesetz 2003 vom Parlament der Autonomen Sonderverwaltungszone - so die offizielle Bezeichnung für den Status der Metropole an der Mündung des Perlflusses - verabschieden zu lassen, waren seinerzeit gescheitert. Zwar war die Mehrheit der meist der Geschäftswelt verbundenen Parlamentarier willig gewesen, doch hatten die Pläne in der Bevölkerung für massive Protesten gesorgt. Mehr als eine halbe Million Menschen gingen auf die Straße.

Die Proteste

Hongkong war bis 1997 britische Kolonie. Die Kolonialherren hatten der lange Zeit diktatorisch regierten Stadt wenige Jahre vor der vertragsmäßigen Rückgabe an China eine halb-demokratische Verfassung gegeben, die den verschiedenen Wirtschaftskammern und Berufsständen erheblichen Einfluss auf die Gesetzgebung ermöglicht. Das System wurde bei der Übernahme durch die Volksrepublik übernommen.

Die Sieben-Millionen-Stadt, nach Tokyo bisher der wichtigste Börsenplatz in Ostasien, hat eine eigene Währung, eine eigene Wirtschafts- und eine eigene Einwanderungspolitik. Zur Volksrepublik existiert weiter eine Zoll- und Passgrenze.

Einwanderer aus der Volksrepublik stoßen oft auf erhebliche Ablehnung, während ein Teil der Einheimischen Gentrifizierungsdruck durch in die Stadt fließendes festlandchinesisches Kapital und langsame Verdrängung der lokalen Sprache beklagen.

Seit Sommer 2019 wird Hongkong durch anhaltende Proteste gegen ein geplantes Gesetz erschüttert, das die Auslieferung von Personen an die Volksrepublik vorsieht. Zeitweise gingen über eine Millionen Menschen auf die Straße, später wurden die Proteste kleiner und militanter.

Bilder von gewalttätiger Polizei und deren Zusammenarbeit mit Mafiaschlägern auf der einen sowie von brutalen Angriffen jugendlicher Demonstranten auf Passanten, die Unterstützung für die Regierungspolitik äußerten, auf der anderen Seite erschütterten die Stadt. Im November erzielten Oppositionsparteien bei den Kommunalwahlen einen Erdrutschsieg und kontrollieren seitdem 17 der 18 Bezirke.

Auswirkungen des neuen Gesetzes

Das neue Gesetz wird den Widerstand gegen den zunehmenden Einfluss der Führung in Beijing auf die Stadt sicherlich schwieriger machen. Die Oppositions-Gruppe Demosisto gab noch am Dienstag ihre Auflösung bekannt. Zuvor hatte Joshua Wong, eine der Demosisto-Schlüsselfiguren, seinen Rückzug bekannt gegeben. Wong ist im Westen vor allem durch seine Kontakte zu rechten US-Politikern und zur hiesigen Springerpresse bekannt geworden.

Als Grund für seinen Rückzug gab er an, vor einer Gefängnisstrafe und Auslieferung an die Volksrepublik Angst zu haben. Unter dem neuen Gesetz wird die Zentralregierung für dessen Auslegung und zum Teil auch für die Überwachung seiner Einhaltung zuständig sein. Künftig wird es eine Agentur der Zentralregierung in der Stadt geben, die ganz offiziell in Bezug auf das Gesetz als relevant erachtete Informationen sammelt und auch einzelne Fälle zur juristischen Verfolgung an Gerichte in der Volksrepublik übergeben kann.

Allerdings ist Wongs Verein nur ein kleiner Teil einer vielfältigen Opposition in der Stadt, zu der linke Gewerkschafter und unabhängige Sozialisten genauso gehören wie Liberale oder rechte Lokalpatrioten. Daher ist noch völlig offen, welche Auswirkungen das neue Gesetz im November auf die Wahlen für den Legco, das Hongkonger Parlament, haben wird.

Bisher hatte sich die Opposition einige Hoffnungen machen können, dort erstmalig in dessen Geschichte eine Mehrheit zu erobern. Doch nun ist ungewiss, ob das neue Gesetz eventuell genutzt wird, ihre Kandidaten zu behindern oder gar von der Wahl auszuschließen, wie es einige in der Stadt befürchten.