US-Militär testet Elektroschockwaffen mit einer Reichweite von 100 Metern

SPECTER-Geschoss mit Bremsschirm. Bild: JIFCO

Taserwaffen haben eine maximale Reichweite von 10 Metern. Die kabellosen Geschosse von SPECTER sollen mit einer skurrilen Technik Verletzungen vermeiden

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Taser-Elektroschockwaffen, die mit einem Elektroschock die Muskeln der Getroffenen unter großen Schmerzen vorübergehend kontraktieren, diese bewegungsunfähig machen und meist zum Stürzen bringen, sind in vielen Ländern bei den Polizeikräften eine Routine-Ausrüstung. Die nicht- oder weniger-tödlichen Waffen sollen die Polizisten schützen und den Einsatz von Schusswaffen verringern, also deeskalierend wirken.

In den USA führen fast alle Polizisten sie mit sich, was offenbar den tödlichen Gebrauch von Schusswaffen nicht notwendigerweise verringert. Dafür werden jedes Jahr Zehntausende von Menschen getasert, die damit entsprechende traumatische Erfahrungen machen. Man kann vermuten, dass die als nicht-tödlich verkaufte Waffe schneller und häufiger als der Gebrauch von körperlicher Gewalt oder dem Gebrauch eines Schlagstocks oder einer Schusswaffe nach der Devise eingesetzt wird, da ja nichts Ernsthaftes passieren wird. Mitunter werden sie wohl auch eingesetzt, um das Opfer, oft handelt es sich um psychisch gestörte und verwirrte Menschen, zu peinigen oder um Macht zu demonstrieren.

Amnesty International erklärte in einem Bericht über den Einsatz von Taserwaffen durch die niederländische Polizei, dass diese exzessiv und ohne Notwendigkeit eingesetzt würden, auch gegen hilflose Menschen, beispielsweise wenn sie bereits in Handschellen sind. Taserwaffen würden auch ganz aus der Nähe eingesetzt, so dass sie Schmerzen zufügen, aber das Opfer nicht bewegungsunfähig machen.

Es gibt allerdings immer wieder Berichte, dass Menschen durch einen Taser-Einsatz nicht nur verletzt werden können, sondern auch sterben - etwa infolge des ungebremsten Sturzes auf den Boden. während auf der anderen Seite in den USA die Kritik an der Unzuverlässigkeit der Waffe laut wurde. Das sei sie bis zu 40 Prozent ihrer Verwendung, sagten Polizisten in Großstädten letztes Jahr, vor allem weil die Getroffenen nicht oder nicht ganz bewegungsunfähig werden. Das war zuletzt am 26. Juni in London der Fall, als die Polizei zunächst mit einem Taser auf Badreddin Abadlla Adam schoss, der in einem Hotel 6 Menschen mit einem Messer verletzt hatte, aber dadurch nicht bewegungsunfähig wurde. Ein Polizist erschoss ihn daraufhin.

2015-2017 wurden von Polizisten nach dem Taser 250 Mal Schusswaffen mit tödlichen Folgen eingesetzt (nach einem Reuters-Bericht waren Schwarze auch hier unverhältnismäßig oft die Opfer). Die nicht-tödlichen Waffen deeskalieren dann nicht, sondern steigern die Wut und die Angst der Getroffenen. Und neuere Waffen von Axon (ehemals Taser) sollen unzuverlässiger sein als die alten, vermutlich weil zum Schutz der Opfer die Stärke des Stromschocks vermindert wurde und weil der Winkel der Pfeile verändert wurde, so dass die Polizisten sie von etwas größerer Entfernung abschießen müssen. Allerdings dürfen die Polizisten auch dem Opfer nicht zu nahe sein, weil dann die abgeschossenen Pfeile, die in die Haut eindringen, nicht weit genug voneinander entfernt sind, um den nötigen Stromstoß zu versetzen. Idealerweise sollten sie einen Abstand von 30 cm haben, der Schütze sollte mindestens zwei Meter entfernt sein.

Die Reichweite von Taserwaffen für Sicherheitskräfte beträgt maximal 8- 10 Meter, bei größerer Entfernung werden sie extrem unzuverlässig. Das heißt, der Polizist und sein Opfer müssen sich schon ziemlich nahe sein. Das macht für den Polizisten dann auch die Situation gefährlich, wenn der Elektroschlag nicht wirkt. Dann wird mehrmals geschossen oder doch zu anderer Gewalt bis hin zur Schusswaffe gegriffen.

Aus Sicht der Sicherheitsbehörden ist eine nicht-tödliche Elektroschockwaffe, die Menschen aus größerer Entfernung bewegungsunfähig machen würde, ein Desiderat. Das Marine Corps testet eine solche neue Waffe namens SPECTER (Small arms Pulsed Electronic Tetanization at Extended Range) von Harkind Dynamics, die eine Reichweite von 100 Meter haben soll und deren von einer Flinte Kaliber 12 abgefeuerte Munition keine Kabel mehr benötigt. Finanziert wird die Entwicklung vom Joint Intermediate Force Capabilities Office (JIFCO)

Damit ein solches von einem normalen Gewehr abgefeuertes Geschoss mit seiner gegenüber dem Taser größeren Reichweite und höheren Genauigkeit weniger gefährlich wird, hat die Firma in das Projektil einen Bremsschirm eingebaut, der sich kurz vor dem Auftreffen öffnen und die Geschwindigkeit halbieren soll. Dazu soll die Spitze des Geschosses verformbar sein, um die Einschlagswucht zu verringern.

Einen Meter vor dem Opfer werden von SPECTER drei Elektrodenpfeile abgeschossen, die durch die Kleidung dringen können, um sich in die Haut zu bohren. Sie sollen auch weiter Elektroschocks abgeben, wenn sich das Opfer noch bewegt. Das klingt alles nicht sonderlich sicher und nach einer nicht-tödlichen Waffe. Sollte sich der Schirm nicht öffnen, können durch den Aufprall Verletzungen verursacht werden, die möglicherweise auch tödlich sein könnten.