Afghanistan: Welche Haltung prägt die Aktivitäten der Elitetruppe KSK?

Symbolbild: Tim Rademacher/CC BY-SA 4.0

Das Kommando Spezialkräfte wird unter die Lupe genommen, aber ausgeschlossen bleiben deren Aktivitäten am Hindukusch

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Die Elitetruppe KSK (Kommando Spezialkräfte) galt lange als unantastbare Legende. Jetzt wurde sie genauer betrachtet und auseinandergenommen, "umstrukturiert" (Annegret Kramp Karrenbauer) - wegen Rechtsextremer in ihren Reihen. Dass sich die Verteidigungsministerin der Sache mit Nachdruck annehmen würde, war, nachdem Inhalte eines internen Schreibens teilweise publik wurden, eine zwangsläufige Folge.

"Wenn sie ihr KSK erhalten wollen, müssen sie es besser machen", so die Ministerin bei der Bundespressekonferenz mit Generalinspekteur Eberhard Zorn.

Rechtsextreme Kräfte im Kern der Bundeswehr-Elitetruppe ist nichts, was in der gegenwärtig dafür sehr sensiblen politischen Lage als nebensächlich abzutun geboten wäre, ohne politische Schaden zu riskieren, der die Laufbahn noch weiter abknickt. Was kommt noch an die Öffentlichkeit?

Dass sich auch der Chef des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), den man bislang nicht dabei ertappen konnte, dass er am Lack der legendären KSK kratzen würde, da war vielleicht eine Art Corpsgeist davor, kürzlich ebenfalls erklärte, dass dort rechtsextremistisch einiges faul sei, überraschte manche, die eher mit der Fortführung der bislang gehandhabten "diskreten" Spielregeln rechneten.

Die neue Dimension des Rechtsextremismus begründet sich in der Bundeswehr aber auch daraus, dass wir gerade im KSK nicht nur von Einzelfällen ausgehen können. Eine Untergrundarmee haben wir bislang zwar nach wie vor nicht entdeckt, aber Beziehungsgeflechte - oder wenn sie so wollen Netzwerke bzw. Strukturen -mit unterschiedlicher Qualität finden wir sehr wohl.

Christof Gramm, Präsident des MAD

Nun führt der Aufklärungswille und die daraus folgenden Konsequenzen zur Kritik im "patriotischen Lager" - mit dem Argument, dass hier, allen konkreten, in 20 Einzelfällen untersuchten Vorwürfen zum Trotz, ein unbegründeter Generalverdacht den Ton angebe: Der AfD-Außenpolitiker Georg Pazderski, so berichtet die Tagesschau, findet, dass Kramp-Karrenbauer mit ihrer Entscheidung "den unsäglichen und völlig unbegründeten Generalverdacht gegen alle unsere Soldaten" bekräftige. Ja, die Soldatenehre als Putz für Parteien...

Die Aktivitäten der KSK in Afghanistan

Was aber, wenn sich - jenseits der gerade akuten Diskussion über die Verbreitung rechter Haltungen in staatlichen Sicherheitsorganen und detailliert belegt bei der Elitetruppe Kommando Spezialkräfte - nebenbei auch zeigen würde, dass die KSK schon seit vielen Jahren in Aktivitäten verstrickt ist, die wenig zur Legendenbildung taugen, wenn man sie genauer anschaut? Zum Beispiel in Afghanistan. Das hat ein eigenes Kaliber.

Dem deutschen Afghanistan-Kenner Thomas Ruttig fiel zur KSK-Diskussion ein, dass man recht wenig darüber weiß, wie die Elitetruppe in Afghanistan vorgeht (dazu hat er selbst Hintergründe veröffentlicht).

KSK war/ist auch in #Afghanistan eingesetzt. frage mich, wie diese 'kameraden' ihre haltung dort umgesetzt haben. prüft das jemand?

Thomas Ruttig

Man erinnert sich an eine ominöse Rolle bei dem Bombenbefehl des Bundeswehr-Oberst Klein, der am 4. September 2009 über Hundert Zivilisten in Afghanistan das Leben kostete (Keiner will's gewesen sein: Wenn Militärs auf Zivilisten schießen).

Damals öffneten Recherchen oder Informanten des Spiegel einen kleinen, schnellen Blick darauf, dass die Aktivitäten der KSK-Soldaten nicht gerade irrelevant sein könnten. Angeblich stand ein Mitglied der "Task Force 47", die mit der KSK verbunden war, im engsten Umkreis von Klein, als er den Befehl zur Abwurf der Bombe trotz Bedenken gab.

Der Spiegel schrieb damals:

Welche Brisanz das neue Detail der KSK-Beteiligung für die Bundesregierung entwickelt, ist schwer abzusehen. Grundsätzlich ist Kennern die Existenz der gemischten Einheit von KSK-Soldaten und Bundeswehraufklärern in Kunduz seit langem bekannt. Auch der eigene Befehlsstand ist im Lager kein Geheimnis. Zudem ist völlig unklar, welche Rolle Angehörige der KSK in dem Fall spielen.

Dass neben Klein der eine oder andere KSK-Mann in der Kommandozentrale stand, saß oder ihn gar beriet, wird im Ministerium nicht als Skandal gesehen - dort betrachtet man die Schlagzeilen als Sensationsjournalismus.

Der Spiegel

Die Rolle der KSK, die vom Bild-Boulevard-Blatt kurz herausgestellt und von der bürgerlichen Zeit dann weiter verbreitet wurde, ist nach Einschätzung des Autors - vielleicht wissen es die Leser aber besser - dann bald im Schweigen untergegangen. Es gab keine späteren Medienberichte, die der Sache auf den Grund gingen. Man weiß so gut wie nichts darüber, was die KSK-Soldaten in Afghanistan machen, nur dass sie dort aktiv sind.

Nun war diese Abschirmung gegenüber der Öffentlichkeit bis jetzt kein Problem. "Geheimhaltung von verdeckten Operationen" versteht sich doch wie von selbst als militärische Grundregel, daran hat auch keiner bisher gerüttelt.

Veränderte Schärfe von Fragen an Auslandseinsätze

Nur verändern sich gerade auch die Fragen zu den Auslandseinsätzen, konkret in Bezug auf Afghanistan: Was sie bringen, wie da vorgegangen wird, ob sie sinnvoll sind? Diese Fragen bekommen mit dem vom US-Präsidenten anvisierten Abzug der amerikanischen Truppen, denen die europäischen und deutschen höchstwahrscheinlich folgen werden, eine neue Schärfe.

Zu sehen ist das bei der Empörung, die sich momentan in US-Medien an der Enthüllung hochzüngelt, dass eine Einheit des russischen Geheimdienstes den Taliban oder deren Verbündeten angeblich Kopfgeld für getötete US-Soldaten versprochen hat. Das ist einerseits Teil des Wahlkampfes, weil es darum geht, wie patriotisch sich der America-First-Chefpatriot verhalten hat. Anderseits ist es eine weitere Bestätigung dafür, wie schmutzig es im Krieg zugehen kann, ohne dass der Kriegswahnsinn, wie sich in Afghanistan zeigt, mit einer Aussicht auf Befreiung, die in ein freieres, sicheres Leben mündet, "gerechtfertigt" werden könnte.

Den Vorwürfen gegen eine russischen Geheimdiensteinheit, für die bislang noch überprüf- und belastbares Beweismaterial aussteht - bisher sind es nur indizienbasierte Folgerungen von Teilen des US-Geheimdienstes -, wurden andere Folgerungen aus der jüngeren Geschichte Afghanistans entgegengestellt: Ob bei den Milliardensummen an US-Dollar, die seit den späten 1970er Jahren erst über Pakistan und dessen Geheimdienst ISI und später direkt über die CIA an den islamistischen Widerstand gegen das russische Militär in Afghanistan geflossen ist, nicht auch "Kopfgeld" dabei war?

Der Krieg ist eine schmutzige Angelegenheit und wie sich herausstellt, ist die Sicherheit, die in Deutschland aber auch am Hindukusch verteidigt wird, durch die Militärs in Afghanistan nicht unbedingt befördert worden - zu dem Bombenbefehl von Oberst Klein gibt es bestimmt Hunderte oder gar Tausend weitere, bei denen Zivilisten mit ihrem "Leben bezahlten".

Und was die Freiheit angeht, die im gerade erwähnten Hindukusch-Zitat des früheren deutschen Verteidigungsministers Peter Struck oft an die Stelle von Sicherheit gesetzt wurde: Ein Wiederaufleben ("Emirat") der ultrakonservativen, gegen Frauen unterdrückerisch, Freiheiten, Wissenschaft und gesellschaftlichem Fortschritt gegenüber feindlich gesinnten Taliban-Gewaltherrschaft nach Abzug der westlichen Befreier ist kein Erfolg und kann man nicht als solchen verkaufen, auch wenn alle Vernunft für den Abzug spricht.

So wäre es also an der Zeit, auch vom Militäreinsatz der KSK zugunsten einer stabileren und friedlicheren Ordnung in Afghanistan genaueres zu erfahren. Wie sich die Einstellung der Elitetruppe dort bemerkbar machte, wie die Aktivitäten der Besten der Besten aussahen? Man will doch aus den Lektionen lernen?