Windkraft: Rekordertrag, aber Ausbauflaute

Windenergie deckt 2020 bisher ein knappes Drittel des Strombedarfs, aber die Branche beklagt massive Behinderung des Ausbaus durch die Bundesregierung

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Der Maschinenbauverband VDMA Power Systems und der Bundesverband Windenergie (BWE) schlagen Alarm. Zwar sei bei der Produktion von Windstrom vermutlich ein neuer Halbjahresrekord zu verzeichnen. Gleichzeitig würden aber viel zu wenig neue Windkraftanlagen errichtet und genehmigt. Im den ersten fünf Monaten 2020 seien nur Anlagen mit einer Leistung von zusammen 513 Megawatt (MW) errichtet und 878 MW neu genehmigt worden.

Das ist aus zwei Gründen bedenklich. Zum einen müssten, wie zum Beispiel Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin vorrechnet, jährlich allein an Land Anlagen mit einer Gesamtleistung von 7000 MW aufgestellt werden, um in den nächsten Jahrzehnten den vollständigen Energie- und nicht nur den Strombedarf auf Erneuerbare umstellen zu können.

Zum anderen kommen inzwischen immer mehr Altanlagen an das Ende ihrer Förderzeit von 20 Jahren. Wie sie künftig noch wirtschaftlich betrieben werden können, ist meist ungewiss. Oft sind nach so viel Jahren kostspielige Investitionen nötig, weil sich manches Bauteil abnutzt. Ein Ersatz durch eine Neuanlage wäre ökonomisch meist die sinnvollste Lösung.

Das wird allerdings inzwischen durch aufwendige Ausschreibungsverfahren erheblich erschwert. Dabei sind heutige Anlagen wesentlich leistungsstärker. Durch sogenanntes Repowering könnten meist mehrere kleine Anlagen durch eine große ersetzt und dennoch der Ertrag gesteigert werden.

BWE-Präsident Hermann Albers weist darauf hin, dass das neue Ausschreibungssystem offensichtlich nicht funktioniert. Seit dem es 2017 in Kraft trat, wurden etwas über 9.000 MW ausgeschrieben aber nur für 7009 MW Zuschläge vergeben. Von diesen sind bis Mai 2020 erst 1.700 MW ans Netz gegangen. "Nicht nur bei Genehmigungen und Zubau, auch bei der Umsetzung der ohnehin zu geringen Zuschläge aus Ausschreibungen stehen wir vor einem Desaster", so Albers.

"Politik, die einerseits Ausbauziele, wie 67-71 GW (67.000 bis 71.000 MW) installierter Leistung für Windenergie an Land in 2030 als Plan nach Brüssel meldet, andererseits wesentliche Hemmnisse für den Ausbau noch immer nicht aus dem Weg räumt, ist nicht kohärent und macht Investitionen in die Energiewende extrem schwierig. Deutschland droht endgültig aus der Spitzengruppe zu fallen, wenn es nicht gelingt, den klimapolitischen Zielen, noch mehr aber der industriellen Nachfrage gerecht zu werden. Auch als Standort für die Technologieanbieter der Windindustrie schwindet die Attraktivität - das wiederum gefährdet konkret Arbeitsplätze und Exportchancen."
Matthias Zelinger, Geschäftsführer VDMA Power Systems

Derweil liefern die Bestandsanlagen besser denn je. Im ersten Halbjahr 2020 haben Windkraftanlagen auf See und an Land 75 Milliarden Kilowattstunden erzeugt, wie aus den Daten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme hervorgeht. Das waren fast 31 Prozent der bundesweiten Nettoerzeugung für das öffentliche Netz in dieser Zeit. Insgesamt lag der Anteil der Erneuerbaren bei 55,8 Prozent, was ebenfalls ein beachtlicher neuer Rekord ist.

Wird diese Niveau auch in der zweiten Jahreshälfte erreicht, wäre das gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um fast zehn Prozentpunkte. Ursache für diesen hohen Anteil sind neben dem weiteren Anstieg der Produktion der Erneuerbaren ein erheblicher Rückgang der Erzeugung in den konventionellen Anlagen.

Dieser ist vor allem eine Folge des stark reduzierten Netto-Stromexports der wiederum mit der Verteuerung des Kohlestroms aufgrund höherer Preise für die CO2-Emissionen zu tun hat. Die Last, das heißt der inländische Verbrauch von Strom aus dem öffentlichen Netz, hat sich - anders als man aufgrund der Corona-Krise meinen könnte - im ersten Halbjahr 2020 gegenüber dem Vorjahr kaum verringert.