Frankreich: Neoliberale Verstärkung in Paris

Blick vom Eiffelturm. Bild: John Towner

Die neue Regierung vergrößert die Macht des "Präsidenten der Reichen". Schattenmann Sarkozy hilft

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Gestern wurde in Paris die neue Regierung vorgestellt. Es ist kein spektakulärer Wechsel, alles andere als eine kühne Neuorientierung, sondern vielmehr die Bestätigung eines Kurswechsel nach rechts. Die Position von Präsident Macron wird weiter gestärkt und seinem früheren Amtsvorgänger Sarkozy wird ein größerer Einfluss zugeschrieben. Man erinnert sich: Schon Sarkozy wurde "Präsident der Reichen" genannt wie Macron auch.

Der neue Schattenmann in der Macronie

Es gibt in der neuen Regierung Minister, die Vertraute des Ex-Präsidenten Sarkozy sind (von 2007 bis 2012) und mit ihm zusammengearbeitet haben. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich Macron und Sarkozy zu Gesprächen trafen. Sarkozys politische Karriere ist, was Ämter betrifft, wegen seiner Gerichtsverfahren und Skandale beendet, nun zieht er als Hintergrundmann Fäden in der "Macronie".

Welche Auswirkungen dies auf die konservative Partei Les Républicains, früher UMP, haben wird? Freude über einen wachsenden Einfluss oder Ärger über die Konkurrenz?

Mit dem vor kurzem zu einer Freiheitsstrafe verurteilten Francois Fillon als Spitzenkandidaten hatte die konservative Partei im letzten Präsidentschaftswahlkampf gute Aussichten, bis Fillon durch den Nebeneinkünfte-ohne-Arbeit-Skandal, der nun gerichtlich abgeschlossen wurde, als Präsidentschaftskandidat aussteigen musste.

Ausblick auf das immer gleiche Duell

Wichtig ist das deshalb, weil Politiker und Medien in Frankreich bereits an die nächste Präsidentschaftswahl denken und dies meist im Rahmen eines Duells Macron gegen Le Pen. Wer könnte diese TINA-Verengung auf zwei Kandidaten beenden (und die Wähler wieder dazu bringen, dass sie Stimmen abgeben? Bei der Kommunalwahl kürzlich gab es wieder Niedrigrekordzahlen bei der Wahlbeteiligung)?

Der Spitzenkandidat der Linken im Jahr 2017, Jean-Luc Mélanchon (La France insoumise), hat zuletzt kaum aufhorchen lassen. In den reichweitenstarken Medien wird er selten erwähnt. Im Schatten des "Zweikampfes" der Lager Macron und Le Pen konnte er sich in den vergangenen Monaten nicht als die gewichtige Alternative profilieren.

Noch viel weniger lässt sich das von Politikern der Sozialdemokraten (Parti Socialiste) behaupten. Daraus erwachsen theoretisch Chancen für die Republikaner, für die Präsidentschaftswahl 2022 einen aussichtsreichen Kandidaten zu präsentieren.

Macron hatte sicher die Wahl 2022 im Blick, als er die Personalien für die Regierungsumbildung besprach. Mit einem Rechtskurs bei der inneren Sicherheit und einer Wirtschaftspolitik "ohne linke Verteilungsexperimente" zielt er auf Wähler, die sich in Zeiten der Unsicherheit solide Verhältnisse wünschen und die das Experiment Le Pen und deren Partei Rassemblement national zu wählen.

"Zeitgeist-Grün"

Ein bisschen "Zeitgeist-Grün" hat er mit Barbara Pompili in die Ministerrunde geholt. Die neue Ministerin für den ökologischen Übergang ("Transition écologique") war früher Mitglied der Grünen Europe Ecologie-les Verts, danach der Parti Ecologiste und dann ab 2017 der Partei Macrons La République en Marche.

Mit "Zeitgeist-Grün" ist aber der politischen Biografie zum Trotz nicht die Persönlichkeit der Kandidatin gemeint, sondern der Rang, der grüne Politik für Macron hat. Der ist machtpolitisch nebensächlich, wie spätestens beim Rücktritt des Umweltministers Nicolas Hulot klar wurde. Hulot, der in Frankreich einen bekannten Namen hatte, trat dem Präsidenten mit eigenen, gestalterischen Vorschlägen und Überzeugungen entgegen - und wurde ausgespielt.

Bei der Kommunalwahl erregten überraschende Erfolge der Grünen in einigen Städten kürzlich größeres Aufsehen und Macron will von dieser Welle nur soweit profitieren, soweit ernsthafte grüne Anliegen nicht seine wirtschaftspolitischen Pläne stören. Von der Ökologie-Ministerin Barbara Pompili wird nicht viel Widerstand gegen Macron erwartet, aber wer weiß, vielleicht ist sie für Überraschungen gut.

Wirtschaft: Unternehmer zuerst

Die Wirtschaftspolitik Macrons bleibt auf Unternehmerinteressen ausgerichtet. Im Wirtschafts- und Finanzressort gibt es keine Änderungen, Bruno Le Maire bleibt auf dem Posten. Und auch der neue Regierungschef, Premierminister Jean Castex, bestätigt bei seiner Kurzvorstellung im TV sachte, aber solide die wirtschaftspolitische Mission Macrons: Unternehmer zuerst und dann das Gemeinwohl.

Er sei ein "Gaulliste social", so Castex, man könne nicht alles vom Staat erwarten, bemerkt er dazu, eine Autorität in gewissen Belangen aber schon. Mit "social" meine er, dass er dafür sei, Reichtum zu verteilen, das sei nötig, um den sozialen Pakt aufrechtzuerhalten, aber zuerst müsse der Reichtum produziert werden.

Jean Castex war, wie hier bereits berichtet, ein enger Berater (eine Art Kanzleramtsminister) von Sarkozy, als dieser im Elysée-Palast präsidierte. Er gilt nach wie vor als Sarkozy-nah. Wer Castex vor der Kamera sieht, versteht sofort, warum er von Sarkozy bei Verhandlungen mit Gewerkschaften eingesetzt wurde.

Castex spricht keinen Pariser Akzent, er kommt vom Land, macht aus seiner Bodenständigkeit kein Hehl. Dazu ist er aber ein Absolvent der Eliteschule, ein "Enarch", den man als Supertechnokrat bezeichnet. Beeindruckt hat er Macron als politischer Aufseher des Lockerungsprozesses in Frankreich. "In der Krise braucht man den Staat", so Castex. Er dürfte konservativen Wählern gefallen.

Für Macron ist der neue Premierminister ein leichteres Gegengewicht als der zurückgetretene Vorgänger Édouard Philippe, der eine andere politische Statur hat und als Premierminister auch höhere Beliebtheitswerte hatte als der Präsident, die "Augenhöhe" machte sich laut Medienberichten auch in den Auseinandersetzungen bemerkbar.

Innenministerium: Fortsetzung der harten Linie

Abgesetzt wurde Innenminister Castaner, der in den Diskussionen über Polizeigewalt eine schlechte Figur machte und zuletzt immer stärker auch vonseiten der Polizei kritisiert wurde. Die Gelbwesten dürften sich aber nicht allzu sehr über den Nachfolger Gérald Darmanin freuen. Denn auch Darmanin gilt als Vertreter einer harten Linie. "Er inkarniert die republikanische Ordnung", heißt es.

Auch Gérald Darmanin gilt als enger Sarkozy-Vertrauter und gehörte wie auch der neue Ministerpräsident früher der UMP an und später den Republikanern, bis Macron gewählt wurde, da wurde er Mitglied in dessen Partei LREM. "Soziologisch" komme er von links, kulturell sei er rechts, porträtiert sich der ehemalige Sprecher Sarkozys und neue Innenminister und Bewunderer Macrons.

Der Anwalt von Julien Assange als Justizminister

Die spektakulärste Personalie im neuen französischen Kabinett ist Justizminister Eric Dupond-Moretti - [Nachtrag: der als Anwalt von Julien Assange nun Schlagzeilen macht: Paukenschlag im Élysée: Macron macht Anwalt von Assange zum neuen französischen Justizminister] Der Strafverteiger ist in Frankreich durch die Rekordzahl seiner Freisprüche berühmt und durch seinem Vorschlag, den Front national zu verbieten.

Bei den Richtern hat er wenig Sympathien - laut Mediapart ist er "Feind der Richterschaft", da er ihnen mehrmals schon vorhielt, sie hätten angesichts ihres Gewichts an Verantwortlichkeit kein angemessenes Korrektiv.

Libyen: Sarkozy als Impulsgeber

Außenminister bleibt Jean-Yves Le Drian. An seiner Außenpolitik will Macron nichts ändern. Im Fall Libyen wird sein neuer "Schattenberater Sarkozy" wohl nichts gegen eine aktive Rolle Frankreichs sagen. Sarkozy war als französischer Präsident Impulsgeber für den Nato-Einsatz gegen Gaddafi.

Die SZ resümierte im Herbst 2011 unter der Überschrift Sarkozy und das Glück des Mutigen: "Frankreich erkannte als erster Staat die Rebellenregierung an, vermittelte Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrats zu Libyen und trieb mit Großbritannien die Nato-Staaten zum Angriff."