Wehrpflicht gegen rechts?

Bild: pxhere.com/CC0

Es gibt schon lange Politiker in allen Parteien, die gerne die Wehrpflicht wieder einführen wollen. Dabei wäre die Abschaffung der Bundeswehr ein viel besserer Beitrag - Ein Kommentar

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Die Benennung der SPD-Politikerin Eva Högl zur Wehrbeauftragen wurde von Konservativen der unterschiedlichen Parteien scharf kritisiert. Eine Frau und zudem noch eine Sozialdemokratin hatte für die Bundeswehrfans wohl nicht den nötigen militaristischen Stallgeruch.

Doch eine richtige Sozialdemokratin lässt einen solchen Vorwurf natürlich nicht lange auf sich sitzen. Jetzt hat Högl mit ihrem Vorschlag, die Wehrpflicht wieder einzuführen, sogar Zustimmung von der AfD erfahren. Dabei ignoriert die Rechtspartei, dass Högl die Abschaffung der Wehrpflicht auch deshalb einen Riesenfehler genannt hat, weil damit die Bundeswehr angeblich für Rechte attraktiver geworden ist.

Es tue der Bundeswehr sehr gut, "wenn ein großer Teil der Gesellschaft eine Zeit lang seinen Dienst leistet", betonte Högl. "Das erschwert es auch, dass sich Rechtsextremismus in der Truppe breit macht." Darüber wolle sie im kommenden Jahr "intensiv diskutieren". Dabei solle es auch um die Frage gehen, ob Männer und Frauen gleichermaßen dienen sollten.

Högl ist nun nicht die erste Politikerin, die die Abschaffung der Wehrpflicht wieder rückgängig machen will. Doch bisher wurde als Grund vor allem genannt, dass sich nicht genügend Freiwillige bewerben. Doch Högl hat nun das Copyright darauf, die Wiedereinführung der Wehrpflicht als Maßnahme gegen rechts zu verkaufen.

Nun gibt es durchaus auch Bundeswehrfans, die Högl aus unterschiedlichen Gründen wiedersprechen. Sie verweisen darauf, dass es juristische Probleme geben könnte, zudem seien die Einrichtungen der Bundeswehr ein Jahrzehnt nach der Abschaffung der Wehrpflicht logistisch gar nicht in der Lage,wieder zum alten Zustand zurückzukehren. Zudem verweisen Beobachter der Militärstrategien schon lange darauf, dass die Abschaffung der Wehrpflicht nicht aus antimilitaristischen Gründen erfolgte Die Armee von heute braucht hoch motivierte Freiwillige und nicht Zwangsverpflichtete.

Mär von der Wehrpflicht als Kampf gegen rechts

Doch viel zu wenig wird diskutiert, dass Högl hier für mehr Zwangsdienste eintritt und diese Maßnahme als Kampf gegen rechts verkauft. Die antimilitaristische Organisation Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner bezeichnet es als Mär, dass die Wehrpflicht ein Bollwerk gegen rechts ist. Erinnert wird an die Geschichte der Bundeswehr mit Zwangsdienst:

Die Bundeswehr ist strikt hierarchisch aufgebaut und funktioniert nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Haltung, Bewusstsein, Kultur und Geist werden von Offizier- und Unteroffizierkorps geprägt, also von Zeit- und Berufssoldaten, nicht aber von Wehrpflichtigen am Ende der Befehlskette. Entscheidend dafür, dass Militär nicht zum Sammelbecken für Rechtsextremisten wird, sind klare Vorgaben bei der Personalauswahl, politisch-demokratische Bildung und strenge Kontrolle durch die Politik.

DFG-VK

Auch der langjährige Militarismuskritiker Tobis Pflüger, der für die Linke im Bundestag sitzt, kritisiert Högls Gedankenspiele nach Wiedereinführung der Wehrpflicht: Die Tageszeitung Neues Deutschland zitiert ihn mit folgenden Statement:

Um trübes Wasser klar zu kriegen, muss Braunes systematisch und engmaschig ausgefiltert, nicht nur durch Masse verdünnt werden.

Tobias Pflüger

In diesen Tagen erlebt Pflüger, dass Militarismuskritiker mit Repression rechnen müssen. Bei einer Razzia gegen autonome Linke in der letzten Woche in Baden-Württemberg wurde auch die Wohnung seines Mitarbeiters durchsucht. Pflüger sieht die Abgeordnetenrechte verletzt und hat Beschwerde eingelegt.

Zivilpflicht statt Wehrpflicht?

Högl hat mit ihrer Wehrpflichtdebatte im Sommerloch auch über die Bundeswehr hinaus die Freunde des obligatorischen Zivildiensts aufgeweckt. So kritisiert die Taz-Kommentatorin Anna Lehmann die Wiedereinführung der Wehrpflicht, dafür aber will sie eine sogenannte Zivilpflicht obligatorisch durchsetzen. Anna Lehmann begründet mit Zahlen, dass die Wiedereinführung kein Instrument gegen rechts ist:

Die Akademie der Bundeswehr analysierte von 1997 bis 2000 fast tausend Verdachtsfälle auf fremdenfeindliche und rechtsextreme Delikte. Die Mehrzahl begangen von Wehrpflichtigen in den ersten Dienstmonaten. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht bietet also keine Aussicht auf Besserung.

Anna Lehmann

Doch dann kommt das Plädoyer für einen anderen Zwangsdienst:

Stattdessen lohnt es sich, über eine neue Art von Pflichtdienst nachzudenken: eine Zivilpflicht. Der Aussetzung der Wehrpflicht fiel nämlich auch der daran gekoppelte Zivildienst zum Opfer. Die gut 100.000 Zivis, die pro Jahr verweigerten, hatten überwiegend im sozialen Bereich gearbeitet. Den stattdessen eingeführten Bundesfreiwilligendienst nehmen dreimal weniger Jugendliche wahr - und jede Dritte bricht vorzeitig ab. Die neue Zivilpflicht würde für alle gelten, ob männlich, weiblich oder divers. Die Konditionen sollten die gleichen sein wie beim freiwilligen Wehrdienst: 1.500 Euro Grundbetrag und freie Bahnfahrten zum Dienstort. Dafür würden die neuen Zivis helfen, Alte und Kranke zu pflegen oder Kinder zu betreuen oder also in gesellschaftlich wichtigen Bereichen arbeiten, wo es an Personal mangelt. Und wer den Zivildienst verweigert, muss zum Bund.

Anna Lehmann

Bestes Mittel gegen rechts - Bundeswehr abschaffen

Nicht erst der letzte Satz macht deutlich, dass dieser sogenannte Zivildienst der Bundeswehr genauso zuarbeitet, wie er es während der Zeit der Wehrpflicht der Zivildienst getan hat. Deshalb haben Totalverweigerer nicht nur die Wehrpflicht, sondern auch den Ersatzdienst abgelehnt und mussten dann regelmäßig mit Gefängnisstrafen rechnen.

Manche dieser Totalverweigerer saßen mehrere Jahre im Gefängnis, weil sie mehrmals einberufen und immer wieder neu verurteilt wurden. Das sollte ein Grund mehr sein, klar gegen jegliche Zwangsdienste Stellung zu nehmen, egal ob sie als Wehrpflicht oder Zivilpflicht daherkommen. Es sind beides Zwangsdienste und dienen der Mobilmachung einer deutschen Volksgemeinschaft. Statt dessen sollte eine Forderung wieder erhoben werden, die viele Totalverweigerer und ihre Selbstorganisation propagiert haben: Die Bundeswehr gehört abgeschafft.

In der Schweiz gibt es eine aktive Initiative, die eine Schweiz ohne Armee fordert und die auch einige Millionen Unterstützer bei einer Volksabstimmung vor mehr als 30 Jahren gewonnen hat. Eine Abschaffung der Bundeswehr und ein Verbot jeglicher Privatarmeen wäre auf jeden Fall ein sinnvolleres Mittel gegen rechts als die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Zudem wäre eine Kampagne für die Abschaffung der Bundeswehr auch ein transnationales antimilitaristisches Signal.

Peter Nowak

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