Trotz Niederlage könnte Trump im Amt bleiben

Bild: Gage Skidmore CC BY-SA 2.0

Dass er dazu seine Macht nicht missbrauchen wird, gesteht er womöglich sich selbst nicht mal zu

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Donald Trump ließ im hitzig geführten Interview mit Fox News einmal mehr die Gelassenheit des elderly statesman vermissen, die ihm die Rolle des mächtigsten Mannes der Welt vorsieht. Dennoch kam er glimpflich davon, denn sein Lieblingssender Fox News verschonte ihn davor, sich abermals die Blöße zu geben: Wallace hätte fragen können, wie Trump gedenkt, das in sämtlichen Bereichen gespaltene Land zu einen: in Fragen des Einkommens, des Gesundheit, der Gleichberechtigung. Wallace sprach ihn auch nicht auf die Vorgänge in Portland an, die die USA in jenen Ländern, die sie zu den Schurkenstaaten der Welt zählen, gerne mit Sanktionen ahnden, wegen Verletzung der Menschenrechte, polizeilicher Willkür statt Gesetzestreue, Absage an den demokratischen Rechtsstaat.

Stattdessen ging es am Ende des Interviews darum, ob Trump eine Niederlage im November akzeptieren würde. Dass Trump weder Ja noch Nein sagt, ist nicht verwunderlich, ohnehin ist auf sein Wort selten Verlass. Interessanter und aufschlussreicher für die Pläne des älteren Herren wie für die Zukunft der USA wäre die schlichte Frage, welche Optionen es gäbe, um im Fall einer Niederlage an der Macht zu bleiben.

Mittlerweile gibt es keine einzige Umfrage, in der sein Konkurrent Joe Biden nicht die Nase vorn hat, selbst nicht in den Umfragen von Fox News. Doch das Projekt "Zweite Amtszeit" könnte Trump mit allen in seiner Macht stehenden Befugnissen erzwingen. Der ehemalige Senator Timothy E. Wirth hat kürzlich ein Gedankenexperiment aufgestellt, das sich konkret mit Trumps realen Möglichkeiten beschäftigt. Trump habe begonnen, den Grundstein für den schrittweisen Prozess zu legen, mit dem er nach einer klaren Wahlniederlage an der Präsidentschaft festhält, so Wirth.

In zehn Schritten zur zweiten Amtszeit

1. Die US-Präsidentschaft wird bekanntlich in den "swing states" entschieden. Im Jahr 2016 waren es Pennsylvania, Michigan und Wisconsin, in denen Trump entgegen aller Vorhersagen hauchdünn vorne lag, zum Teil mit einer nur minimalen Mehrheit. In Pennsylvania waren es etwas über 40.000 Stimmen, in Michigan 23.000 und Wisconsin gerade mal 9.000.

Wirth nimmt an, dass die diesjährige Wahl am 3. November ebenfalls extrem knapp ausfällt: Biden gewinnt den "popular vote" und führt in Arizona, Wisconsin, Michigan und Pennsylvania mit mäßigem, aber nicht überwältigendem Vorsprung.

2. Trump, zu dessen Wahlkampfstrategie es gehört, Biden als "weich gegenüber China" zu verkaufen, erklärt am 4. November, dass die Abstimmung manipuliert war, dass es etwa Wahlbetrug bei den Briefwahlen gab und dass die Chinesen hinter dem Plan steckten, betrügerische Briefwahlen und andere "Wahlmanipulationen" in den vier wichtigsten Swing-Staaten durchzuführen, um Biden zum Sieg zu verhelfen. Dementsprechend sagt Trumps Pressesprecherin Kayleigh McEnany - gewohnt souverän im Umgang mit liberalen Medien - die Chinesen hätten sich in die US-Wahl eingemischt und erinnert an "russian meddling".

Steven Levitsky, ein Politikwissenschaftler der Harvard-Universität und Autor des Buches "How Democracies Die", vermutet ebenfalls in der Frage, wie es nach einer Niederlage für Trump weitergehen könnte: "Wenn Sean Hannity im Fernsehen von Wahlbetrug spricht und Rush Limbaugh von Wahlbetrug spricht und Mitch McConnell nicht bereit ist, aufzustehen und zu sagen: 'Nein, es gab keinen Betrug', dann könnten wir eine echte Krise bekommen."

3. Trump weist darauf hin, dass es eine wichtige Frage der nationalen Sicherheit sei, die ausländische Einmischung aufzuklären. Er beruft sich auf Notstandsbefugnisse und weist das Justizministerium an, die angeblich verdächtigen Aktivitäten in den Swing-Staaten zu untersuchen. Die rechtliche Rechtfertigung für die von ihm geltend gemachten präsidialen Befugnisse würde von Justizminster Barr ausgearbeitet und herausgegeben.

Entrüsteten Demokraten und liberalen Medien könnte Lindsey Graham entgegenhalten, dass sie die demokratischen Prinzipien des Rechtsstaats unterwandern wollen. "Sie fürchten sich vor einer gründlichen Untersuchung der Fairness dieser Wahl", erklärt er. "Sie werden vor nichts zurückschrecken, um diesen Präsidenten aus dem Amt zu bringen."

4. Die Untersuchungen sollen schließlich das offizielle Ergebnis der Wahl bis zum 14. Dezember verschleppen. An diesem Tag, so sieht es das Wahlgesetz vor, muss die Liste der Wahlmänner und -frauen, das Electoral College jedes Bundesstaates, verkündet werden.

Genau diese Frage habe der Oberste Gerichtshof in der Rechtssache Bush gegen Gore aufgegriffen, als er entschied, dass der Wahlprozess zum Abschluss gebracht werden müsse, und damit die weitere Auszählung der Stimmzettel in Florida untersagte, so Wirth.

5. Das Ober- als auch das Unterhaus in den genannten vier Swing-Staaten stehen unter republikanischer Kontrolle. Die bundesstaatlichen Parlamente weigern sich, die Bestätigung des Electoral College zuzulassen, solange die Untersuchung der "nationalen Sicherheit" nicht abgeschlossen ist.

6. Die Demokraten leiten ein Gerichtsverfahren ein, um die Ergebnisse in diesen vier Staaten und die Ernennung der Biden-Wählerliste zu bestätigen, mit dem Argument, dass Trump einen nationalen Sicherheitsnotstand absichtlich herbeigeführt habe, um das sich daraus ergebende Chaos zu verursachen.

7. Die Angelegenheit geht bis zum Obersten Gerichtshof, der im Gegensatz zur Wahl von 2000 nicht zugunsten der Republikaner entscheidet. Das Supreme Court weist jedoch erneut darauf hin, dass die Frist zum 14. Dezember eingehalten werden müsse. Die Befugnisse des Präsidenten würden ihn dazu autorisieren, eine mögliche Einmischung eines fremden Landes in die nationale Wahl untersuchen zu lassen. Falls jedoch bis zum 14. Dezember keine Liste des Electoral College von irgendeinem Staat bestätigt werden kann, muss das Electoral College trotzdem zusammentreten und seine Stimmen abgeben.

8. Das Wahlkollegium tritt zusammen, doch ohne die Ergebnisse aus den vier Swing-Staaten haben weder Biden noch Trump genügend Stimmen, um eine Mehrheit im Wahlkollegium zu erhalten.

9. Die Wahl wird gemäß der Verfassung dem Repräsentantenhaus übertragen. Gemäß dem Verfassungsprozess erfolgt die Abstimmung im Repräsentantenhaus durch die Delegation eines Bundesstaates. Jede Delegation gibt eine Stimme ab, die von der Mehrheit der Vertreter dieses Staates bestimmt wird.

10. Gegenwärtig gibt es 26 Bundesstaaten, die über eine mehrheitlich republikanische Delegation im Repräsentantenhaus verfügen. 23 Bundesstaaten verfügen über eine mehrheitlich demokratische Delegation. Lediglich Pennsylvania hat eine gleichmäßig aufgeteilte Delegation. Demnach haben die Republikaner die nötige Mehrheit mit 26 Delegationen.

Ergo, die Wahl fiele zugunsten Trumps aus, die Niederlage würde in einen Sieg gekehrt. Was dann auf den amerikanischen Straßen folgen könnte, kann die derzeitigen Vorgänge in Portland in ein neues Licht rücken: Dass sie eine Warnung waren.