Aufmarsch der Milizen

Proteste vor dem Gerichtsgebäude des Mark O. Hatfield United States Courthouse in Portland/Oregon, 22. Juli 2020. Foto: Tedder/CC BY-SA 4.0

In den Vereinigten Staaten gewinnt die Mobilmachung für den molekularen Bürgerkrieg an Fahrt

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Die Eskalationsstrategie der Trump-Administration in der umkämpften US-Stadt Portland hat zu einem abermaligen Aufflackern von Protesten in den Vereinigten Staaten geführt. Am vergangenen Wochenende kam es in vielen US-Städten abermals zu Demonstrationen und Kundgebungen, die oftmals in Auseinandersetzungen mit Polizeikräften mündeten.

In Portland, Oregon, kam es zum Einsatz von Tränengas und Blendgranaten vor dem verbarrikadierten Bundesgerichtsgebäude, in dem sich die Trump-Truppen verschanzt haben, die mit rabiaten, an Entführungen erinnernden Methoden die Protestbewegung einzuschüchtern versuchten. Mehrere Dutzend Menschen sind auch in Seattle verhaftet worden, nachdem es zu einem Schlagabtausch zwischen Polizei und Demonstranten um ein in Bau befindliches Gerichtsgebäude kam.

Auseinandersetzungen wurden auch aus Oakland in Kalifornien, aus Aurora in Colorado und aus Austin, Texas, gemeldet, wo ein Demonstrant aus einem Wagen erschossen wurde.

In Louisville, Kentucky, kam es hingegen am vergangenen Wochenende zu keiner Randale, obwohl die Stadt nach dem Tod einer 26-jährigen Afroamerikanerin Breonna Taylor durch weiße Polizisten im vergangenen März immer wieder von Unruhen erschüttert wurde. In Louisville marschierten verfeindete, bis an die Zähne bewaffnete Milizen auf, die mit gezogenen Kriegswaffen durch die Stadt in militärischer Formation zogen. Drei Milizionäre erlitten Schussverletzungen durch die unsachgemäße Handhabung ihrer Waffen.

Die schwarze Miliz NFAC, die in der Großstadt Atlanta operiert, protestierte mit mehreren hundert Mann für die Bestrafung der Polizisten, die Breonna Taylor erschossen haben. Eine rechtsextremistische Miliz, die sogenannten "Three Percenter", erklärte hingegen, mit ihrem Aufmarsch in unmittelbarer Nähe der Demonstrationsroute der NFCA die lokalen Polizeikräfte unterstützen zu wollen.

Ausnahmeerscheinung in einer langen amerikanischen Tradition

Die Formierung einer schwarzen Miliz stellt - bislang - eine Ausnahmeerscheinung in den Vereinigten Staaten dar, da ein überwältigender Großteil der bewaffneten Bürgerformationen der weißen politischen Rechten zuzuordnen ist. Doch agierten beide Gruppen in Louisville im Rahmen des in Kentucky gültigen Waffenrechts, das das offene Tragen von Schusswaffen erlaubt.

In einem Kommentar bemerkte die Chicago Sun-Times, dass letztendlich beide Gruppen sich auf eine "lange amerikanische Tradition" stützten, die Waffenbesitz als eine wichtige "Schutzmaßnahme gegen Tyrannei" betrachte.

Die rechte Milizbewegung in den Vereinigten Staaten, die sich auf diese mit dem berühmten zweiten Verfassungszusatz begründete Tradition beruft, gilt als eine der wichtigsten Unterstützergruppen von Präsident Donald Trump. Ihren großen Aufschwung erlebte diese Bewegung in den 1990er Jahren unter dem demokratischen Präsidenten Bill Clinton sowie während der Präsidentschaft von Barrack Obama.

Es gibt in den Vereinigten Staaten Hunderte solcher bewaffneten Gruppen, die zehntausende Milizionäre mobilisieren können. Diese bewaffneten Formationen variieren zwar stark in ihrer ideologischen Ausrichtung - diese kann vom blankem Rassismus, über Isolationismus bis zum extremen Regierungshass reichen -, doch teilen sie zumeist die Ablehnung jedweder rechtlichen Einschränkung von Waffenbesitz sowie eine unterschiedlich begründete Opposition zur politischen Linken.

Zuletzt waren einige dieser Milizen als Fußtruppen rechter Kampagnen gegen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung in den USA aktiv - etwa als mit Maschinengewehren bewaffnete Milizionäre in das Kapitol in Michigan eindrangen, um dafür von Trump als "sehr gute Menschen" gelobt zu werden.

Etliche Milizionäre haben sich auch als selbsternannte Grenzschützer versucht, indem sie in Eigenregie Migranten an der amerikanisch-mexikanischen Grenze abzufangen versuchten.

Aufschwung der Milizaktivität: Erschreckender Effekt

Und auch bei der gegenwärtigen Bewegung gegen Rassismus und Polizeigewalt sind viele Milizionäre aktiv - als Gegendemonstranten oder Schutztruppe. Allein in den ersten zwei Wochen der Protestwelle wurden landesweit 136 Vorfälle rechtsextremer Milizaktivität bei Demonstrationen und Protesten gemeldet, wobei es den Milizionären zumeist um Einschüchterung der Protestteilnehmer oder um den Schutz von Geschäften und Unternehmen geht.

Es gebe einen raschen Aufschwung der Milizaktivität, wobei deren Mitglieder sich nun umorientieren würden, hieß es in Hintergrundberichten. Anstatt gegen den "Lockdown" zu protestieren, würden sie nun "bewaffnete Sicherheit für lokale Gemeinschaften" anbieten, erklärte der Sprecher einer Nichtregierungsorganisation gegenüber US-Medien.

Dies hätte einen "erschreckenden Effekt auf die demokratische Praxis". Potenzielle Demonstranten würden hierdurch eingeschüchtert und blieben den Protesten fern. In vielen kleineren Städten in den westlichen USA seien diese bewaffneten Formationen präsent, um, so wörtlich, "Dienstleistungen anzubieten, die wir für gewöhnlich von der Regierung erwarten".

Mitunter bildeten sich bereits direkte Verfilzungen zwischen einem krisenbedingt verwildernden Polizeiapparat und den Milizen aus. Dies scheint etwa im Bundesstaat New Mexiko der Fall zu sein, wo Polizeikräfte der Mitgliedschaft in rechtsextremen Formationen beschuldigt werden. Es gebe in New Mexiko klare "Überschneidungen" zwischen Personen, die in "Milizen und im Polizeidienst" tätig seien, erklärte der Sozialwissenschaftler David Correia, der sich mit diesem Milieu eingehend befasste.

"Bürgerarmee"

In New Mexiko sei es schwer, zwischen den "rechten faschistischen Milizen und der Polizei" zu unterscheiden, da die Linien zunehmend verschwimmen würden. Laut Correia würden Rechtsextremisten mit stillschweigender Duldung oder gar Unterstützung der Polizei die Protestbewegung in New Mexiko überwachen und einschüchtern.

Wie schnell diese Militarisierung der US-Gesellschaft in etlichen Regionen vonstattengeht, lässt sich am Beispiel des US-Bundesstaates Utah erahnen, wo eine weiße Miliz binnen eines Monats rund 15.000 Mitglieder rekrutieren konnte.

Unter dem Vorwand der Verhinderung von Gewalt marschiert diese von ehemaligen Veteranen geführte Bürgerarmee bei Protesten der Black-Lives-Matter-Bewegung, die schon mehrmals aus Angst vor den weißen Milizionären abgesagt wurden, bewaffnet auf. In der Hauptstadt Utahs, der Mormonenstadt Salt Lake City, sind 88 Prozent der Bevölkerung weiß, der Anteil Schwarzer liegt bei weniger als einem Prozent.

Bei einer Demonstration gegen Polizeibrutalität und Rassismus in Salt Lake City wurden die Demonstranten von einem Spalier bewaffneter Weißer begleitet, während die Polizei auf den Dächern Scharfschützen postierte. In der Bewegung, die regelmäßig militärische Übungen abhält und gute Kontakte zur lokalen Polizei unterhält, kursieren absurde Gerüchte über Verschwörungen etwa des "Islamischen Staates", der die gegenwärtigen Proteste finanzieren soll.

Die Milizionäre würden sich mit ihrem Bürgerkriegstraining auf einen bald ausbrechenden "Bürgerkrieg" vorbereiten, der von finsteren, im Untergrund wühlenden Kräften forciert werde, hieß es in Hintergrundberichten.