Der Präsident und die drei Fragezeichen

Bild: The White House

Nein, Trump kann die Wahl nicht verschieben

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

US-Präsident Donald Trump beweist abermals, dass er die Massen abzulenken weiß. Nur wenige Minuten, nachdem die Regierung berichtet hatte, dass die US-Wirtschaft im zweiten Quartal dieses Jahres mit über 30 Prozent so stark geschrumpft war wie nie zuvor, meldete sich Trump auf Twitter zu Wort. So unvergleichlich medienwirksam, dass seine Retweets explodierten wie schon lange nicht mehr. Einige Medien fabulieren in Klatsch-Tratsch-Manier, was er gemeint haben könnte. Auch dieser Text wird sich des seifenoperesken Stils dieser "He said, she said"-Berichterstattung bedienen. Es geht um diesen Tweet:

With Universal Mail-In Voting (not Absentee Voting, which is good), 2020 will be the most INACCURATE & FRAUDULENT Election in history. It will be a great embarrassment to the USA. Delay the Election until people can properly, securely and safely vote???

Wie die – gleich – drei Fragezeichen zu deuten sind, scheint in einigen Redaktionen selbst für Fragezeichen gesorgt zu haben. Trotz vier Jahre Präsidentschaft mit mehreren tausend Tweets weiß Trump die besten Hermeneutiker vor Rätsel zu stellen. Einem Versuch der SZ ist zu entnehmen: "Der US-Staatschef spricht sich für eine Verschiebung der Präsidentenwahl aus", und das "in einem spektakulären Vorstoß".

Die Tagesschau tituliert "Die Wahl verschieben?", streicht somit zwei der drei Fragezeichen und Trumps Tonalität glatt. Ihr zufolge "spiele" Trump "offen mit dem Gedanken", die Wahl im November zu verschieben. Beim ZDF heißt es wiederum Trump "kokettiere" mit der Verschiebung der US-Wahl. Die BBC lässt sich, beinahe in der Manier eines Privatsenders, zu der Überschrift "Trump calls for delay to 2020 US election" hinreißen, die sie wenig später umändert in "Donald Trump suggests delay to 2020 US presidential election".

Die Nachrichtenagentur Associated Press aktualisiert ihre Überschrift gleich mehrmals. Zunächst von "Trump floats election 'delay' amid claims of voting fraud" zu "Trump floats November election delay, but it won’t happen", um sie schließlich nochmals zu verfeinern in: "Trump floats idea of election delay, a virtual impossibility".

Am Dienstag nach dem ersten Montag im November des vierten Jahres nach...

In der Tat ist es nahezu unmöglich, dass nicht nur Trump eine Wahl verschiebt, sondern überhaupt eine Präsidentenwahl verschoben wird. Selbst ein Bürgerkrieg war einst kein Grund genug, am Datum der Präsidentschaftswahl zu rütteln. Das Datum ist wie folgt festgelegt:

Die Wähler des Präsidenten und des Vizepräsidenten werden in jedem Bundesstaat am nächsten Dienstag nach dem ersten Montag im November in jedem vierten Jahr, das auf jede Wahl eines Präsidenten und eines Vizepräsidenten folgt, ernannt.

Damit das Datum geändert wird, muss der Kongress das Wahlgesetz ändern. Der Senat wird zwar von den Republikanern kontrolliert, doch im Repräsentantenhaus verfügen die Demokraten seit den "Midterms" 2018 über die Mehrheit der Sitze. Es ist unwahrscheinlich, dass beide Parteien zu einem Kompromiss finden, der eine Verschiebung des Wahltermins ermöglicht. Trump hat derzeit auch nicht einmal alle Republikaner hinter sich.

Trump kann nur die Wahlbeteiligung beeinflussen

Wählen gehen ist in den USA allerdings keine einfache Angelegenheit. Seit 2010 haben etliche republikanisch regierte Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die den Urnengang erschweren, die insbesondere die Afroamerikaner, Hispanoamerikaner und Ureinwohner Amerikas unverhältnismäßig stark einschränken. In einigen Bundesstaaten werden seither Fotoausweise verlangt, in anderen die vorzeitige Stimmabgabe gekippt. Auch obliegt es den amerikanischen Bürgern und Bürgerinnen sich selbst um die Wählerregistrierung zu kümmern. Nach Angaben des Census Bureau waren 2016 nur etwa 64 Prozent der wahlberechtigten Amerikaner überhaupt registriert.

Bei den Präsidentschaftswahlen 2016 gaben nur 56 Prozent der Wählerschaft ihre Stimme ab. Ein Grund für die niedrige Wahlbeteiligung ist das unverrückbare Datum der Wahl, das immer auf einen Werktag fällt. Arbeitende riskieren bei der Ausführung ihrer Bürgerrechte mitunter ihre Stelle, wenn sie wählen gehen, statt pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen.

Eine Möglichkeit, das Wählen zu erleichtern, ist die allgemeine Briefwahl. Von der hält Trump so wenig (vgl. Warum Trump gegen die Möglichkeit der Briefwahl kämpft), dass er vermutlich eher in einem spektakulären Vorstoß die Wahl verschieben würde, als bundesweit die Briefwahl zuzulassen. Auf jeden Fall würde er wohl immer von den desaströsen Wirtschaftszahlen ablenken; was er auch kurzfristig schaffte.