Die Wirtschaft stürzt ab - trotz gigantischer Konjunkturpakete

Was jetzt wichtig wäre

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Im Zuge des Lockdowns haben fast alle Länder gigantische Konjunkturmaßnahmen beschlossen. Das war auch wichtig und nötig - Menschen, die nicht zur Arbeit gehen können, brauchen dennoch Geld auf das Konto, Unternehmen brauchen Unterstützung, um nicht direkt Konkurs anmelden zu müssen.

Diese Maßnahmen sind zwischen den Ländern nur schwer vergleichbar - die einen Länder gehen eher über Garantien und Kredite, die nächsten über Steuererleichterungen und so weiter. Der Brüsseler Think Tank Bruegel (Brussels European and Global Economic Laboratory) hat die Daten für einige Länder aufgearbeitet, um sie vergleichbar zu machen. Bedauerlicherweise fehlt hier ausgerechnet Schweden, dessen Daten sicherlich mit am Interessantesten gewesen wäre: ein Blick in die Daten, hier zitiert nach der NZZ 29/7/20.

Demnach hat Deutschland während der letzten fünf Monate Maßnahmen in Höhe von 48% seines Bruttoinlandsproduktes beschlossen. Dies ist eine unvorstellbar hohe Summe - zum Vergleich: laut der Maastrichtkriterien sind pro Jahr 3% Neuverschuldung erlaubt. Gleichzeitig ist im zweiten Quartal die Wirtschaftsleistung in Deutschland um 11,7% im Vergleich zum Vorjahresquartal gesunken. Das gab es noch nie in der deutschen Geschichte.

Fiskalmaßnahmen erhöhen die Wirtschaftsleistung sofort - bleibt alles gleich und der Staat erhöht die Staatsausgaben wie jetzt geschehen um 13,3%, dann sollte das Bruttoinlandsprodukt auch über den Daumen kurzfristig um 13,3% steigen. Stattdessen ist es um 11,7% gefallen!

Diese massive Staatsverschuldung kann so nicht fortgeführt werden. Das würde eine sehr hohe Schuldenlast für die kommenden Generationen bedeuten. Wir müssen die Mittel für das, was wir konsumieren, auch wieder selbst erwirtschaften. Eine Neuverschuldung von 48% des BIP bedeutet, dass wir von jeden 14,80 €, die wir ausgeben, nur 10 € selbst erbracht haben. Der Rest steht als Schuld zu Buche und muss später abbezahlt werden.

Bleiben wir bei Abstandsgeboten, Maskenpflichten in allen Läden und drohenden Schulschließungen, so werden wir weiterhin starke Budgetdefizite anhäufen. Ohne solche Defizite drohen Massenarbeitslosigkeit und Unternehmenssterben. Auch dies kann niemand ernsthaft wollen.

Wählen wir stattdessen einen amerikanischen Weg, d.h. lassen wir dem Virus freie Hand, so wird es vermutlich auch bei uns zu einer Übersterblichkeit kommen. Allerdings sind von dieser Übersterblichkeit im Wesentlichen die Älteren und multipel Vorerkrankten betroffen. Der Anteil der unter Sechzigjährigen an den Corona-Toten liegt bei unter 5%, dabei handelt es sich fast ausschließlich um multipel vorerkrankte Menschen.

Demnach könnte ein Weg darin liegen, die Kultur, Wirtschaft und Bildungseinrichtungen wieder voll zu öffnen - allerdings müssten alle Läden einige Stunden pro Tag mit Abstandsgebot und Maskenpflicht öffnen, damit auch die älteren Menschen und solche mit Vorerkrankungen beruhigt einkaufen gehen können. Gleiches sollte einmal pro Woche für Kulturbetriebe und Restaurants gelten, damit alle am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Wir sehen derzeit, dass Schweden wirtschaftlich um einiges stabiler ist als Länder mit starken Lockdown-Maßnahmen. Allerdings sind dort viele Menschen an Corona verstorben, da es Schweden nicht geschafft hat, seine ältere Generation zu schützen. Das Durchschnittsalter der dort an Corona Verstorbenen liegt bei 86 Jahren.

Der richtige Weg scheint daher eine Segmentierung zu sein - eine Öffnung des gesellschaftlichen Lebens bei gleichzeitigem konsequenten Schutz der Risikogruppen (Segmentierung als Weg aus der Corona-Krise). Denn ein "Weiter so" wie bislang kann niemand in aller Konsequenz wollen.

Dr. Sylvia Kreiß, Professorin für Finanzierung Hochschule Würzburg/ Schweinfurt.