CIA-Methoden im Kreml?

Wahlkampfversammlung in Minsk zur Unterstützung der Kandidatin Swjatlana Zichanouskaja. Bild: Homoatrox/CC BY-SA 3.0

Die Behörden der Republik Belarus haben Dutzende russischer Söldner festgenommen, die der versuchten Destabilisierung im Vorfeld der Wahlen beschuldigt werden

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Die aktuellen Nachrichten aus der Republik Belarus lassen den Verdacht einer klassischen Geheimdienstoperation aufkommen, wie sie der berüchtigte US-Nachrichtendienst CIA immer wieder in unliebsamen Ländern zwecks Regime Change organisierte. Zuletzt war dies in Bolivien und Venezuela der Fall.

Nur handelt es sich bei den Ende Juli festgenommenen mutmaßlichen Söldnern, denen nichts weniger als Terrorismus vorgeworfen wird, um russische Staatsbürger, die im Auftrag der privaten, kremlnahen Söldnerfirma Wagner handeln sollen.

Aus belorussischen Sicherheitskreisen verlautete, die 33 festgesetzten mutmaßlichen Söldner hätten den Auftrag gehabt, das Land im Vorfeld der kommenden Wahlen mittels terroristischer Aktionen zu destabilisieren. Insgesamt sollen mehr als 200 Wagner-Söldner in die Republik Belarus mit diesem Auftrag eingesickert sein.

Im belorussischen Fernsehen ausgestrahlte Videoaufnahmen vom Zugriff der weißrussischen Sondereinheiten zeigten nicht nur die Verhaftung der mutmaßlichen Wagner-Söldner in einem Hotel nahe Minsk, sondern auch Bargeld, Devisen, Reisepässe, Smartphones, militärisches Schulungsmaterial sowie Abzeichen mit der Aufschrift "Der Tod ist unser Geschäft und die Geschäfte laufen gut".

Laut der weißrussischen Nachrichtenagentur Belta hätten die Männer sofort Aufmerksamkeit erregt, da sie sich "uncharakteristisch für russische Touristen" verhielten: Sie hätten militärische Kleidung getragen und keinen Alkohol zu sich genommen.

KGB gegen CIA-Methoden?

Der Zugriff erfolgte durch den weißrussischen Geheimdienst, den KGB, sowie die Antiterrorgruppe Alpha der weißrussischen Polizei. Weißrussische Stellen erklärten öffentlich, dass es sich bei den Verhafteten um Wagner-Söldner handele, wobei der Verbleib der restlichen mutmaßlichen Umstürzler unklar blieb.

Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko forderte bei einer eiligst anberaumten Dringlichkeitssitzung des Kabinetts eine Erklärung der russischen Regierung für die Vorgänge. Der Botschafter der Russischen Föderation ist in Minsk einbestellt worden, nachdem einige der Festgenommenen gestanden haben sollen, den Auftrag gehabt zu haben, eine "Revolution" in Belarus zu entfachen.

"Keine Hinweise" - Moskau verlangt Erklärung

In einer offiziellen Verlautbarung des Kremls hieß es hingegen, dass der russischen Regierung keine Hinweise auf kriminelle Aktivitäten der festgenommenen Männergruppe vorlägen. Moskau erwarte eine "ausführliche Erklärung" der belorussischen Stellen bezüglich der Festnahme. Das russische Verteidigungsministerium bezeichnete die Beschuldigungen aus Minsk als "abscheulich" und forderte unverzüglichen Zugang zu den verhafteten russischen Staatsbürgern.

Die russische Botschaft in Minsk erklärte ferner, dass die Festgenommenen zwar durchaus Mitglieder eines "privaten Sicherheitsunternehmens" seien, sich aber nur "im Transit" in Belarus befunden hätten, da sie über Istanbul in ein drittes, nicht näher genanntes Land reisen sollten. Die Gruppe habe nur ihren Flug verpasst und musste deswegen ihren Aufenthalt in Weißrussland verlängern.

Die weißrussischen Sicherheitskräfte sehen hingegen einen klaren Zusammenhang zwischen der Präsidentschaftswahl am 9. August und dem Auftauchen der mutmaßlichen Wagner-Leute vor Minsk.

Laut dem US-Sender Radio Free Europe/Radio Liberty sehen weißrussische Sicherheitskräfte Verknüpfungen zwischen den russischen Söldner-Aktivitäten und den Oppositionskandidaten im gegenwärtigen Präsidentschaftswahlkampf - insbesondere der erfolgreichen Kampagne von Swjatlana Zichanouskaja, die angesichts zunehmender wirtschaftlicher Probleme Zehntausende Anhänger in Minsk mobilisieren konnte. Zichanouskaja führt de facto den Wahlkampf ihres Mannes, nachdem dieser Ende Mai festgenommen worden ist.

Wagner - Russlands Blackwater?

Die zunehmenden Spannungen zwischen Moskau und Minsk sind bereits im Juni offensichtlich geworden, nachdem die weißrussische Führung den Kreml beschuldigte, eine "bunte Revolution" nach westlichem Muster in Belarus organisieren zu wollen. Der als kremlnah geltende Kandidat im belarussischen Präsidentschaftswahlkampf, der Gasprom-Banker Wiktor Babariko, musste nach der Einleitung eines Verfahrens wegen Geldwäsche und Streuhinterziehung aus dem Rennen ums höchste Staatsamt ausscheiden.

Sollten sich die belorussischen Vorwürfe erhärten, wäre der Kreml de facto binnen weniger Wochen von der Planung eines "weichen" Umsturzes, wie er etwa vom Westen bei der "Orangen Revolution" in der Ukraine praktiziert wurde, zu handfesten CIA-Methoden einer militärischen Destabilisierung übergegangen. Wagner ist - ähnlich den westlichen Kriegsunternehmen - letztlich nur Ausdruck der Tendenz zur Privatisierung des Interventionskrieges.

Die Wagner Gruppe agiert faktisch als eine Entsprechung der Söldnerarmeen im privatisierten Umfeld der westlichen Militärmaschinerie, die oftmals die "Schmutzarbeit" bei Interventionen und militärischen Abenteuern in der Peripherie des Weltsystems übernehmen. Für staatliche Stellen hat die Instrumentalisierung solcher "privaten Sicherheitsunternehmen" den Vorteil, dass deren Verluste und Kriegsverbrechen nicht direkt mit dem entsprechenden Land in Zusammenhang gebracht werden. Berüchtigt ist etwa die inzwischen aufgelöste amerikanische Killertruppe "Blackwater", die im Irak regelrechte Massaker an der Zivilbevölkerung beging.

Die Wagner-Söldner kamen wiederum in Syrien (etwa bei der Schlacht um Khasham im Februar 2018), in Libyen (an der Seite Haftars) und in etlichen Ländern Afrikas zum Einsatz. Dass die Methoden der russischen Söldner sich hierbei nicht großartig von denen ihrer amerikanischen Berufskollegen unterscheiden, machten 2019 veröffentlichte Videoaufnahmen aus Syrien deutlich, auf denen Wagner-Männer einen angeblichen syrischen Deserteur auf bestialische Weise zu Tode foltern