Wolf. Zaun. Mensch

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Über das Zumutbare und die Zumutungen, die mit Canis Lupus im Ländle verbunden sind: Wolfsgegner und -befürworter liefern sich harte Auseinandersetzungen

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"Wenn nun der Wolf aus dem Wald käme - was dann?", meint der Großvater in Sergei Prokovjevs musikalischem Märchen "Peter und der Wolf".

In der Realität stellen sich diese Frage derzeit viele Landwirte in Deutschland, auch ein Ehepaar in einem kleinen Seitental im Mittleren Schwarzwald. Denn traditionell werden auf ihrem Hof Ziegen gehalten; dies soll auch so bleiben.

Die Geisen grasen auf einem Hang oberhalb des massiven Bauernhauses, bergaufwärts schließt sich der Wald an und dazwischen steht ein Elektrozaun, der etwas mehr als ein Meter hoch ist. Er soll Canis Lupus, der seit 2015 in Baden-Württemberg nachgewiesen wird, vermitteln, sich doch bitte an Wildtiere zu halten.

Über den Zaun und seinen Nutzen scheiden sich in der aktuellen deutschen Wolfsdebatte die Geister, doch zunächst einmal kostet er Geld.

Rudel in Sachsen sorgen für Unruhe

"Vier Jahre haben wir gebraucht, um die Fördergelder für den Zaun zu bekommen", so Herr S., der sich bei Schreinerarbeiten in einem alten Speicher unterbrechen lässt. Zwei Anträge wurden bei Leader, so heißt die Förderstiftung der EU-Kommission für den ländlichen Raum, abgeschmettert. Erst beim dritten Anlauf bewilligte die Stiftung die Beteiligung von 75 Prozent durch die EU an dem 13.000 Euro teuren Zaun, der seit letztem Jahr dort steht. Für wirklich "wolfssicher" hält ihn der Landwirt jedoch nicht. Durch die Hanglage gebe es Stellen, wo ihn ein Wolf überspringen könnte.

In Baden-Württemberg gibt es bislang kaum Wölfe, offiziell nur einen, aber die Nachrichten über die hohe Zahl der Rudel etwa in Sachsen sorgen für Unruhe. Das Tier, das im 19. Jahrhundert im westlichen Teil Deutschlands ausgerottet wurde, gilt nach der Geburt von Welpen in der Lausitz im Jahr 2000 in Deutschland wieder als heimisch. Für den Schwarzwald kommt noch eine besondere Sorge hinzu. Die meisten Landwirte dort sind nur noch im Nebenerwerb Bauern und gehen einer weiteren Beschäftigung nach.

Viele meinten, dass sie aus der Tierhaltung aussteigen würden, sollten die Kosten für den Wolfsschutz überhandnehmen. Somit würde die Weidehaltung nicht mehr gepflegt. Diese Weidehaltung an Hängen gilt als typisch für die Gegend und ist arbeitsaufwändig.

Darum spricht sich auch der Schwarzwaldverein gegen den Wolf aus, der nach EU-Recht und Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt ist - die Kulturlandschaft sei in Gefahr. Bislang ist vor allem der waldreichere Norden von Rissen betroffen, wo ein einziger Wolf sich aufhält.

Entschädigungen und "Problemwölfe"

Eine besondere Regelung gebe es in der seit 2018 existierenden "Förderkulisse Wolfsprävention", einem Schutzraum, der fast den ganzen nördlichen Schwarzwald umfasst und auch bald den südlichen Schwarzwald umfassen soll, da sich dort ein weiterer Rüde niedergelassen hat. In der Förderkulisse bekommen Landwirte keine Entschädigungen, wenn sie die vorgeschriebenen Zäune nicht aufgestellt haben.

So geschehen in Wildbad, wo einem Schäfer keine Gelder für seine sieben gerissenen Schafe zustehen, da sie nicht vorschriftsgemäß gesichert gewesen seien, was dieser bestreitet. Die Landwirtin Frau S. betrachtet den Wolf im Schwarzwald als Realität, "Problemwölfe sollten jedoch abgeschossen werden"; ihr Mann glaubt hingegen nicht an "Problemwölfe" - da Nutztiere leichter zu erlegen seien, halte sich der Wolf an diese. Er würde zu einem Kulturfolger werden wie das Wildschwein, so der Landwirt.

Im Umweltministerium von Baden Württemberg wird dies anders gesehen - dort geht man vom Wolf als scheuem Wesen aus. Nach Pressesprecherin Silke John seien "Problemwölfe" solche Tiere, die diese "natürliche Scheu vor Menschen verloren haben und vermehrt über die Zäune gesprungen sind". Ein Tier, das einmal eine Herde attackierte, sei jedoch noch keines, das man "entnehmen" könne, wie der Abschuss dort verwaschen heißt.

Die Pressesprecherin des Landesbauernverbands (LBV) in Baden Württemberg Adriane Amstutz sieht derzeit Gesprächsbedarf bei den Mutterkuhhaltern, denn die Landesregierung sieht keine Gefahr bei größeren Tieren als Schafen und Ziegen. Bei einem Rudel könnte jedoch durchaus ein Kalb angegriffen werden. Doch was passierte, wenn eine Rinderherde in Panik geraten und den Zaun niedertrampelte, wer hafte dann bei den Schäden?

Viele Nutztierhalter beschwerten sich auch über den Aufwand, die mobilen Zäune aufzubauen, wie der Landesbauernverbands (LBV) in Baden-Württemberg berichtet. Den Zaun als Wolfschutz sieht man beim LBV kritisch, "da kommt ein kleiner Hund drüber".

Was ist zumutbar?

Über das Zumutbare und die Zumutungen, die mit Canis Lupus im Ländle verbunden sind, sprechen in der "Arbeitsgruppe Luchs und Wolf" regelmäßig Nutztierhalter, Jäger, Naturschützer und Experten getragen wird dies vom Ministerium für ländlichen Raum und dem Umweltministerium.

Teilnehmer Dr. Micha Herdtfelder von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg berichtet von "einem respektvollen Umgang miteinander".

Herdtfelder ist für große Beutegreifer zuständig, also für den Wolf. Der reiße ein bis zwei Rehe in der Woche. Dass der Wolf vor allem von Nutztieren leben würde, weist er zurück. In anderen Bundesländern würde auch der Kot des Wolfes (Losung) untersucht, dort mache der Anteil an Nutztieren statistisch allein ein Prozent aus.

Von den gerissenen Nutztieren machten dann Rinder nur fünf Prozent der Wolfsangriffe in Deutschland aus. Wenn Rinder erbeutet werden, seien es überwiegend Kälber in den ersten Lebenswochen. Dort sei Schutz sinnvoll. Durch die Corona-Krise würde die Aufklärungsarbeit nun vornehmlich via Telefon und Mail stattfinden.

"Allgemein ist es wichtig, dass die Menschen eine größere Gelassenheit gegenüber dem Wolf entwickeln", so Herdtfelder.

"Wolfskuschler"

Damit tut sich Uwe B. aus Steinen im Südschwarzwald und Gründer der Initiative "Wolf.info" schwer. Der Nebenerwerbslandwirt mit 40 Schafen und einigen Lamas habe nichts gegen Wölfe an sich, wohl aber gegen manche Wolfsschützer - "Wolfskuschler" wie er sagt.

Braun will, dass die Tiere kontrolliert abgeschossen werden. Und weiter: "Irgendwann wird ein Mensch von einem Wolf angegangen", da sich die Tiere weiter vermehren und Rudel bilden.

Seiner Initiative haben sich Herdenhalter innerhalb und außer Deutschlands angeschlossen, die Webseite wartet mit schlimmen Bildern von attackierten Nutztieren auf. Im Südschwarzwald habe der Wolf jedenfalls nichts zu suchen, dort sei die Gegend zu zersiedelt. Einen funktionierenden Herdenschutz gebe es nicht gegen den Wolf, nirgendwo auf der Welt - so das Credo des Aktivisten.

Mit Herdenschutz beschäftigt sich auch Peter Herold, Biologe und Agrarwissenschaftler, von der 1991 gegründeten Gesellschaft zum Schutz der Wölfe".

Man berate bei der Anschaffung von Herdenschutzhunden und finanziere diese teilweise und unterrichte die Nutztierhalte über die richtige Einzäunung. In ganz Deutschland müsse mit dem Auftauchen des Wolfes gerechnet werden, so dass eine entsprechende Einzäunung Allerortens notwendig wäre. Durch die Pandemie leide aktuell die Informationsarbeit sowie das Erfassen der Wolfszahlen.

Den Zaun sieht Herold mehr "als psychologische denn als physische Barriere". Wölfe würden durch den Stromschlag abgeschreckt und lernten dann ihn zu meiden. Die Tiere sprängen von Natur aus nicht gern, wenn ein Wolf jedoch einmal angefangen habe, über einen Zaun zu springen, müsste man ihn abschießen, ein solches Tier sei dann den Bauern nicht zumutbar. Bleibt zu hoffen, dass die Wölfe nicht springen lernen und die Reviere der Menschen respektieren.

Unversöhnlicher Ton

Im Herbst wird die Debatte über Canis Lupus jedenfalls wieder an Fahrt aufnehmen, dann stellt die "Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf" die jüngsten Zahlen zum Wolfsbestand vor. Bislang gibt es offiziell 61 Rudel, zwölf Paare und sechs territoriale Einzeltiere.

Es ist mit einer weit höheren Zahl des geschützten Tiers zu rechnen. In den Online-Kommentarbereichen von Zeitungen zum Thema fällt ein sehr harter, unversöhnlicher Ton auf, beide Wolfsgegner und -befürworter gehen kaum aufeinander ein, als gebe es einen Zaun zwischen ihnen, der garantiert unüberwindbar ist. Beide Seiten beschweren sich auch über Drohungen, die sie erhalten würden.

Wölfe werden landesweit illegal getötet, im vergangenen Jahr waren es acht, Weidehaltern der Zaun niedergerissen. Und wer über das Thema schreibt, wie etwa der Autor dieser Zeilen, muss zuvor teils Vertrauen aufbauen und das Geschriebene zur Autorisierung vorlegen und Korrekturen vornehmen.

Dieser Text bemüht sich um relative Neutralität und darum, dass verschiedene Ansichten gezeigt werden, wogegen sicherlich Widerspruch eingelegt wird. "Deutschland und der Wolf" ist eben kein musikalisches Märchen, sondern eine Kakofonie.