Corona-Krise: Energieverbrauch sinkt

Die Energie- und Klimawochenschau: Von umstrittener Braunkohle, anhaltender Windkraftflaute und austrocknenden Flüssen

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Weit und breit keine Sommerpause in Sicht. In der vergangenen Woche ist mal wieder so viel passiert, dass die Wahl schwer fällt, womit unser Wochenrückblick auf Klimaforschung sowie Energie- und Klimaschutzpolitik beginnen soll. Vielleicht mit den weiter anhaltenden Protesten gegen die Ausweitung des Tagebaus Garzweiler 2 im Rheinland? Am 27.9. ist dort ein großer Aktionstag von Ende Gelände geplant, und zwischenzeitlich gehen dort die Mahnwachen und anderen kleinen Proteste weiter. Einige der dabei in den letzten Tagen festgenommenen Jugendlichen berichten auf Twitter von massiven Einschüchterungen der Polizei.

Außerdem bereiten Einwohner des von der Zerstörung durch den Braunkohlekonzern RWE bedrohten Dorfes Keyenberg eine Klage vor, wie die Westdeutsche Zeitung meldet. Das Dorf soll zwar erst 2024 dem Tagebau Garzweiler II weichen, aber der Konzern hat bereits vor zwei Wochen mit dem Abriss einer Umgehungsstraße begonnen. Viele Bewohner vermuten, dass ihnen damit das Leben im Dorf erschwert und sie zermürbt werden sollen. Bei der geplanten Klage geht es aber darum, dass eine Eigentümergemeinschaft nicht ihre am Ortsrand gelegene Obstwiese an RWE verkaufen will. Des Weiteren bereite diese eine Verfassungsklage gegen das Kohlegesetz vor, das Garzweiler II ohne weiter Begründung die "energiewirtschaftliche Notwenigkeit" bescheinigt.

Klimaschutzziele passé?

Was notwendig ist, ist wie so manches eine Frage der Perspektive. Man kann diese ohne unterstützende Gutachten behauptete und ins Gesetz geschriebene "Notwendigkeit" natürlich grundsätzlich in Frage stellen. Der Ressourcenverbrauch der Industriegesellschaften ist nicht nachhaltig, geht zu Lasten künftiger Generationen und muss daher eingeschränkt werden.

Man kann aber auch konkreter darauf verweisen, wie es zum Beispiel das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin vorgerechnet hat, dass Deutschland die Pariser Klimaschutzziele bei weitem nicht wird einhalten können, wenn die Tagebaue noch bis 2038 weiter ausgekohlt werden. Für die Pariser Ziele wäre es notwendig, den weiteren Kohleverbrauch auf 280 Millionen Tonnen oder weniger zu beschränken, je nachdem, ob man sich auf das 1,5-Grad-Ziel festlegt oder meint, es reiche die globale Erwärmung bei "deutlich unter zwei Grad" Anstieg gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu stoppen. Allein aus den Tagebauen Hambach und Grazweiler II lassen sich aber ohne weitere Zerstörung von Dörfern und Hambacher Wald noch mindestens 450 Millionen Tonnen Braunkohle fördern.

Weniger Kohle

Zur Zeit geht der Energieverbrauch jedenfalls ohnehin erst einmal drastisch zurück. Die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB) berichtet, dass er im Vergleich zum Vorjahreszeitraum im ersten Halbjahr 2020 um 8,8 Prozent abnahm. Dafür sei vor allem die Corona-Pandemie verantwortlich, was angesichts des drastischen Einbruchs der Wirtschaftsleistung nicht weiter verwundert. Zwei Drittel des Rückgangs gingen auf das Konto der Kohle, von der deutlich weniger in den Kraftwerken verbrannt wurde.

Auch der Erdgasverbrauch ging demnach leicht zurück. Otto-Kraftstoffe, das heißt, vor allem Benzin, seien um 13,5 Prozent weniger verbraucht worden, Dieselkraftstoffe um 8,6 und Kerosin gar um 46 Prozent. Hier macht sich der enorme Rückgang der Flugbewegungen bemerkbar. Gleichzeitig habe der Verbrauch an Heizöl aber um ein gutes Viertel zugelegt, sodass der Mineralölverbrauch im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 nur um 6,7 Prozent abnahm.

Nettostromerzeugung im Juli. Anteil der Erneuerbaren wächst zum einen wegen vermehrter Erzeugung von "Grün-Strom" (+1 Terawattstunde, TWh) zum anderen aufgrund des Rückgangs bei den konventionellen Energieträgern (-2,1 TWh). (Eine TWh entspricht einer Milliarde Kilowattstunden.) Bild: Bruno Berger, Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme.

Der starke Rückgang bei der Kohlenutzung ist jedoch nicht nur eine Folge der Krise, sondern auch der höheren Einspeisung von Wind- und Solarstrom. Insgesamt lag der Anteil von Sonne, Wind & Co. an der Nettostromerzeugung nach den Zahlen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme 202 bisher bei knapp 55 Prozent. Zudem hat auch der Anteil der Gaskraftwerke leicht zugenommen. Obige Grafik zeigt die Veränderungen beispielhaft für den Monat Juli.

Die Energiestatistiker haben sich auch Gedanken gemacht, wie es mit der Entwicklung des Energieverbrauchs weiter gehen könnte. Im finstersten Szenario ließe die wirtschaftliche Erholung auf sich warten und würde durch eine zweite Infektionswelle erschwert. (Einige Wissenschaftsfeinde haben ja am Wochenende in Berlin eifrig daran gearbeitet, in dem sie unter anderem im Namen ihrer Freiheit besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen rücksichtslos aus den öffentlichen Verkehrsmitteln verdrängten.) Entsprechend könnte der Energieverbrauch insgesamt 2020 sogar um über zehn Prozent zurückgehen, so die AGEB.

Positiv an dem Ganzen ist natürlich, dass damit auch die Emissionen des Treibhausgases CO2 zurückgehen. Allerdings wird dieser Rückgang größeren Teils nur vorübergehend sein, wenn die Krise nicht zugleich genutzt wird, den Ausbau der Erneuerbaren zu forcieren.

Ausbauflaute

Damit sieht es in Deutschland jedoch weiter schlecht aus, wie die Halbjahresbilanz des Bundesverbandes Windenergie und des Verbandes der Deutschen Maschinen- und Anlagenhersteller Power Systems letzte Woche zeigte. In den ersten sechs Monaten 2020 sind bei den Windkraftanlagen an Land netto nur gut 500 Megawatt (MW) Leistung hinzugekommen. Das ist ein Rückfall auf die Ausbauzahlen während der Finanzkrise 2008ff.

Zu befürchten ist, dass es in den nächsten Jahren in diesem Schneckentempo weitergeht. Während zwischen 2014 und 2017 jährlich im Durchschnitt netto jeweils zwischen 4000 und 5000 MW neue Anlagenleistung hinzu kam, werden derzeit mit dem neuen, bürokratischen Ausschreibungsverfahren jährlich nur 2700 MW ausgelobt. Doch dafür gibt es nicht einmal genug Gebote.

Wie die neuesten Zahlen der Bundesnetzagentur zeigen, wurden 2020 bisher in vier Runden insgesamt 2300 MW ausgeschrieben, aber nur Zuschläge für Anlagen mit einer Leistung von gut 1300 MW erteilt. Diese Anlagen können nun in den nächsten zweieinhalb Jahren errichtet werden und erhalten dann je nach Gebot zwischen 5,74 und 6,2 Cent pro Kilowattstunde ins Netz eingespeisten Strom.

Bild: AGEB

Schon beim Strom hapert es also im Augenblick mit dem Ausbau der erneuerbaren Energieträger. Dabei zeigt die AGEB-Statistik auch, dass das Problem deutlich größer als die Stromversorgung ist. Die Sektoren Gebäudewärme und Verkehr werden noch immer von fossilen Energieträgern dominiert. Entsprechend liegt der Anteil der Erneuerbaren an der Primärenergieversorgung, wie die obige Grafik zeigt bisher nur bei 17,5 Prozent. Das ist immerhin eine Steigerung um 2,1 Prozentpunkte, aber immer noch viel zu wenig.

Anderswo sieht es derweil mit den Investitionen in Sonne, Wind & Co. Etwas besser aus. Der Fachinformationsdienst IWR berichtet von einem globalen Anstieg der Investitionen in erneuerbare Energieträger. Trotz Corona-Krise hätten diese im ersten Halbjahr 2020 diese im Vergleich zur ersten Jahreshälfte 2019 um fünf Prozent zugenommen. Vor allem in den Offshore-Bereich, das heißt, in die Branche der auf See errichteten Windkrafträder floss mehr Kapital und zwar die Rekordsumme von 35 Milliarden US-Dollar. Bei Solaranlagen und Wind an Land nahm das Investitionsvolumen hingegen leicht ab. Da die Preise weiter zurückgehen, bedeutet Letzteres nicht automatisch, dass weniger Leistung installiert wurde.