USA: Build the Firewall?

Bild: U.S. State Department

Die amerikanisch-chinesische "Entkopplung" wird auf das Internet ausgeweitet. China reagiert empört und erinnert an den NSA-Skandal - Update

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Mehr als ein Drittel der weltweiten Smartphone-Verkäufe kommen derzeit von den chinesischen Anbietern Huawei, Xiaomi und Oppo. TikTok, die dieses Jahr am häufigsten heruntergeladene App, kommt ebenfalls aus China. Doch 2020 dürfte für diese Firmen das letzte erfolgreiche Jahr werden, wenn ihnen bald auf amerikanischem Boden das widerfährt, was seit langem für Google, Facebook & Co in China gilt: Draußen bleiben.

Das US-Außenministerium kündigte am Mittwoch an, dass es seine "Clean Network"-Initiative ausweiten wird, um wichtige chinesische Technologieprodukte in den USA zu verbieten. Begründet wird dieser Schritt mit Sicherheitsbedenken. Die Privatsphäre von US-Bürgern solle gewährleistet, sensible Informationen von US-Unternehmen sollen vor "aggressiven Eingriffen bösartiger Akteure" geschützt werden. Doch gleichzeitig zielt die "Bereinigung" darauf ab, die starke Konkurrenz aus China vom amerikanischen Markt zu verdrängen. Ähnlich wie bei dem 5G-Anbieter Huawei könnten die USA zudem ihre Verbündete dazu drängen, sich ihnen anzuschließen.

Die Clean-Network-Initiative konzentriert sich auf den Ausschluss chinesischer Unternehmen in den Bereichen Telekommunikationsdienste ("Clean Carrier"), App-Stores ("Clean Store"), App-Vorinstallationen ("Clean Apps"), Cloud-Dienstleistungen ("Clean Cloud") und Unterseekabel ("Clean Cable"). Demnach sollen "nicht vertrauenswürdige" chinesische Telekommunikationsanbieter wie China Mobile, Apps und Cloud-Service-Anbieter wie Alibaba, Tencent und Baidu daran gehindert werden, US-Benutzerdaten zu speichern oder zu verarbeiten, aus US-App-Stores heruntergeladen oder an das US-Telekommunikationssystem angeschlossen zu werden. Darüber hinaus werden chinesische Smartphone-Hersteller wie Huawei daran gehindert, einige US-amerikanische oder ausländische Apps vorzuinstallieren oder Downloads anzubieten. Unterseekabel, die die USA mit dem globalen Internet verbinden, sollen ebenfalls gegen nachrichtendienstliche Abhörung geprüft werden.

"Da die Muttergesellschaften der Firmen ihren Sitz in China haben, stellen Apps wie TikTok, WeChat und andere eine erhebliche Bedrohung für die persönlichen Daten amerikanischer Bürger dar, ganz zu schweigen von den Zensurmethoden der Kommunistischen Partei Chinas", sagte Außenminister Mike Pompeo. Die Ankündigung enthält bislang keinen Zeitplan und erklärt auch nicht, ob die amerikanischen Einrichtungen zur Einhaltung der Vorschriften verpflichtet sind.

China erinnert an Snowden

Das chinesische Außenministerium kritisierte am Donnerstag das Vorhaben. Dies sei "ein typisches hegemoniales Verhalten, das gegen Marktprinzipien und internationale Handelsregeln verstoße und die Sicherheit der globalen Industrie- und Lieferketten ernsthaft bedrohe", sagte Sprecher Wang Wenbin. "Unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit" versuchten die Vereinigten Staaten von Amerika ihr "High-Tech-Monopol zu erhalten." Das Vorgehen der USA stehe "im Widerspruch zu den WTO-Prinzipien der Offenheit, Fairness, Transparenz und Nichtdiskriminierung."

"Ich möchte betonen, dass viele chinesische Unternehmen, die einseitigen Sanktionen der USA unterliegen, unschuldig sind und nur sichere Technologien und Produkte anbieten. Es hat keinen einzigen Vorfall im Bereich der Cybersicherheit gegeben, wie er von Edward Snowden oder WikiLeaks aufgedeckt wurde, noch weniger eine einzige Abhör- oder Überwachungsoperation wie PRISM, Equation Group oder ECHELON. Es ist absurd, wenn die USA mit schmutzigen Händen ein 'sauberes' Netzwerk predigen", so Wang. Dass China jedoch seit 2003 das eigene Netzwerk clean hält, dazu äußerte sich Wang nicht.

Anlass zur Sorge seitens der Amerikaner gibt das chinesische Geheimdienstgesetz (National Intelligence Law) von 2017. Die chinesischen Unternehmen unterstellte Loyalität gegenüber ihrer Regierung soll darin verankert sein. Dort heißt es in Artikel 7, auf den sich viele Medien und Politiker berufen, dass "jede Organisation oder jeder Bürger die Arbeit des staatlichen Nachrichtendienstes unterstützen, ihr beistehen und mit ihr zusammenarbeiten soll".

Laut Dr. Gu Bin von der Beijing Foreign Studies University seien "westliche Ängste vor Parteieinfluss auf chinesische Unternehmen übertrieben". Artikel 7 werde oft missverstanden, er erlaube sinngemäß jedoch "keine präventive Spionage, da die nationale Geheimdienstarbeit defensiven Charakter haben muss", erklärt Gu.

TikTok im Fadenkreuz

Nach Huawei steht besonders TikTok in den USA in der Kritik, da in der App eine Gefahr für die nationale Sicherheit und ein Spionageinstrument der chinesischen Regierung vermutet wird. Es wird befürchtet, dass TikToks Daten der rund 85 Millionen aktiven Nutzer in den USA beim chinesischen Staat landen könnten. Präsident Donald Trump kündigte zuletzt an, TikTok verbieten zu wollen. Derzeit läuft eine Frist bis zum 15. September, um die US-Aktivitäten von TikTok an Microsoft zu verkaufen. Gelingt der Verkauf nicht, droht ein Verbot. Microsoft will laut einer Mitteilung TikTok in den USA, Kanada, Australien und Neuseeland übernehmen und betreiben.

Der chinesische Konzern Bytedance, das Unternehmen hinter Tiktok, kündigte am Donnerstag zudem an, in Irland ein Rechenzentrum für 420 Millionen Euro bauen zu wollen. Dort sollen ab Anfang 2022 die Daten aller europäischen Nutzer gespeichert werden. In Deutschland soll das Bundesgesundheitsministerium (BMG) laut Medienberichten einen Verzicht auf die Nutzung der umstrittenen chinesischen Video-App erwägen. Dem Ministerium folgen auf der Plattform knapp 60.000 Nutzer. Grund sollen Sicherheits- und Datenschutzbedenken sein.

Eine "Bereinigung" chinesischer Inhalte vollzogen jüngst Youtube und Twitter. Im Juni löschte Twitter 170.000 Konten "im Zusammenhang mit einer China-Einflusskampagne". Google sagte am Mittwoch, dass es fast 2.600 chinesische Kanäle von YouTube verbannt habe. Die meisten Kanäle hätten "nur Spam und unpolitische Inhalte gepostet, aber einige von ihnen hätten Inhalte über die Proteste gegen die Rassenjustiz in den USA gepostet, die durch den Polizistenmord an George Floyd in Minneapolis ausgelöst wurden. Der Inhalt wurde hauptsächlich auf Chinesisch gepostet."

Update:

Präsident Donald Trump hat am Donnerstagabend zwei Dekrete erlassen, die jegliche Geschäfte "von Personen oder in Bezug auf Eigentum, das der Gerichtsbarkeit der Vereinigten Staaten unterliegt", mit den chinesischen Eigentümern von TikTok (Bytedance) und WeChat (Tencent) verbieten. Die USA müssten Trump zufolge im Interesse der nationalen Sicherheit "aggressive Maßnahmen" ergreifen. Das Verbot beginnt in 45 Tagen.