Macron will mehr Macht in Mittelmeerzone

Die französische Fregate FS Courbet, die vor Wochen laut französischer Regierung von türkischen Schiffen im Mittelmeer "aggressiv bedroht" wurde. Archivbild (von 2017): Marine UK.

"Gasstreit" zwischen Türkei und Griechenland: Macron will militärisch aufrüsten. Kampf um Einflusszonen: USA für neue Regierung in Libyen

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Erdogan zeige sich "im Gasstreit mit Griechenland dialogbereit", heißt es in einer deutschen Nachrichtenmeldung. Im türkischen Sender TRT gibt es dazu ein Zitat des türkischen Präsidenten, wonach eine Lösung nur über Dialog und Verhandlungen zu erreichen sei. "Eine win-win-Lösung ist möglich. Wir sind nicht darauf aus, eine Stimmung der Spannung zu erzeugen."

Anti-Türkei-Blocks

Diese Stimmung ist längst da und Erdogan ist nicht der einzige, der die Spannungen hochtreibt. Der Druck auf die Türkei wird größer. Im Mittelmeer formiert sich gerade ein Anti-Türkei-Block - in dem der französische Präsident eine federführende Rolle spielen will. Da dieser Block mit einem arabischen Anti-Türkei-Block Verbindungen hat, wird der Kampf um Einflusszonen im Mittelmeergebiet weit abgesteckt.

Dass sich die aktuellen Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland (Östliches Mittelmeer: Türkei provoziert Griechenland) zu einer mit Waffen geführten Auseinandersetzung hochschaukeln könnten, ist sehr unwahrscheinlich. Beide Staaten sind Nato-Mitglieder.

Die Krise wird weitergehen, sie hat mehrere Brennpunkte, entsprechend der Expansionsinteressen der Türkei, der regionalen Herrschaftsansprüche der Vereinigten Arabischen Emiraten und den Ansprüchen, die der französische Präsident gerade geltend macht. Er versucht anscheinend die Renaissance der Grande Nation.

Mehr militärische Präsenz Frankreichs im Mittelmeer

So gab Macron über Twitter bekannt, dass er temporär die französische Militärpräsenz im östlichen Mittelmeer erhöhen werde - in Kooperation mit Griechenland. Zwar sprach er sich - wie Erdogan - für einen Dialog zwischen Nachbarn und Natomitgliedern aus, aber die Aufrüstung im Mittelmeer ist natürlich auch ein Signal.

Es widerspricht, wie schon die zuvor geäußerte scharfe Kritik aus dem Elysée an der Türkei (was man ja auch unter sich hätte ausmachen können), der Absicht, Spannungen abzubauen.

Macron machte in einer Rede vor dem Nationalfeiertag am 14. Juli deutlich, wie strategisch wichtig ihm die Mittelmeerzone ist - "sie wird in den nächsten Jahren die große Herausforderung sein" - und dass Europa dort stark sein müsste. Dazu passt auch sein starkes Engagement im Libanon für den Wiederaufbau nach der Mammutexplosion. Auch das ist ein Wettbewerb um Einflusszonen.

Aus der Forderung nach einem stärkeren Europa im Mittelmeer kann man, ohne viel zu spekulieren, den Wunsch nach einer französischen Führungsrolle herauslesen.

Einfluss in Libyen

Es geht dabei nicht nur um die reichen Öl- und Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer, sondern auch um Libyen und Nordafrika. Diese Verbindung verstärkt hat die Türkei mit ihren beiden Abkommen mit der libyschen Einheitsregierung (GNA). Eines behandelt Vereinbarungen über Wirtschaftszonen im östlichen Mittelmeer zur Ausbeutung von Rohstoffen, das andere die militärische Kooperation zwischen der GNA und der Türkei (Türkische Mittelmeerpläne: Libyen als "Trojanisches Pferd", Türkisches Parlament genehmigt Entsendung von Truppen nach Libyen).

Letztere hat, wie berichtet, zu einer militärischen Wende in Libyen geführt. Mit dem dezidierten Eingreifen der Türkei ist die GNA, die militärisch völlig von ihr abhängig ist, bislang im Vorteil. Das kann sich aber ändern, wenn die Unterstützer der Gegenseite, angeführt von General Haftar, ihren Einsatz erhöhen. Zu erwähnen ist hier Ägypten, das ebenfalls gegnerische Partei im Streit über Ressourcen im Mittelmeer ist, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Russland, dem nicht an einer Niederlage der LNA-Kräfte gelegen ist.

Libyen ist neben dem Streit über die Gas- und Erdölvorkommen der andere größere Brennpunkt der Krise. Mit dem Einsatz von verbündeten syrischen Milizen in vierstelliger Stärke (die genauen Zahlenangaben, die es manchmal gibt, sind strittig) stellte die Türkei auch die Verbindung der Libyenkrise mit dem syrischen Krieg her.

Was in der Gegenreaktion zu manchen erstaunlichen Annäherungen führt, wie zum Beispiel zwischen dem EU-Staat Griechenland und der Regierung Assad in Syrien.

Stimmen die Aussagen des Sprechers des international anerkannten Parlaments in Libyen, so wird in Hinterzimmerverhandlungen mit den USA gerade der Mann ausgebootet, den die Türkei unterstützt: GNA-Chef Fayiz as-Sarradsch, mit dem die Türkei die beiden erwähnten Vereinbarungen getroffen hat.

USA-Delegation für neue Regierung in Libyen

Aguila Saleh heißt der Sprecher der Volksvertretung (englisch: House of Representatives, HoR) im Osten des Landes. Als Hintergrund wichtig ist zu erwähnen, dass das HoR als gewähltes Parlament von der UN anerkannt wird, dass diese Kammer den GNA-Chef Sarradsch niemals durch eine Abstimmung bestätigt hat, dass das HoR Haftar als Chef der Libyschen Nationalarmee (LNA) bestimmt hat und dass sich Aguila Saleh vor ein paar Wochen deutlich gegen dessen Rede ausgesprochen hat, mit der Haftar Macht über ganz Libyen reklamierte.

Und zuletzt ist wichtig, dass sich Aguila Saleh (manchmal auch: Aguila Saleh Issa) damit selbst in den Vordergrund als Ansprechpartner für die großen ausländischen Player spielte, begleitet von vielen Spekulationen darüber, ob er Haftar als Führungsperson ablösen könnte. Fakt ist, dass er Anfang Juli nach Moskau reiste, um mit dem russischen Außenminister Lawrow über Libyen zu sprechen und er, wie nun Arab News berichtet, diese Woche in Kairo mit dem US-amerikanischen Botschafter für Libyen, Richard Norland, und einer US-Delegation, zusammentraf.

Die letzten Monate hatte sich die US-Regierung zu Libyen sehr zurückgehalten. Trump hatte zwar vor einem Jahr noch Sympathie für Haftar geäußert, zuletzt aber kamen aus der zweiten Reihe der Administration Äußerungen, die keine Positionierung zugunsten der Partei Haftars mehr erkennen ließen.

Geht es nach Arab-News-Interview mit Aguila Saleh, so entstanden aus seinen Gesprächen mit der US-Delegation folgende Abmachungen: die Verlegung der Hauptstadt von Tripolis nach Sirte, eine geänderte Bankverbindung für Öleinnahmen, statt in die Zentralbank in Tripolis sollen die Einnahmen - wegen des Risikos, dass Milizen in Tripolis sich dieser habhaft machen - in eine "(Libyan) Arab Foreign Bank" eingezahlt werden; und es soll - mit Vermittlung der UN und in Übereinstimmung mit der Kairoer Vereinbarung (unterstützt von mehreren Staaten, z.B. Russland, auch von Merkel) ein neuer Ministerpräsident bestimmt werden und später Neuwahlen folgen.

Interessant ist auch folgende Vereinbarung: Die neue Regierung soll von der Libyschen Nationalarmee geschützt werden. Der Name Haftar fällt dabei aber nicht.

Die Chancen, dass der umstrittene und von keiner Bevölkerungsmehrheit legitimierte Sarradsch erneut als Ministerpräsident bestimmt wird, wären nicht groß.

Das wirft die Frage auf, wie denn der Status der türkischen Verträge mit der GNA aussehen wird - sollte sich tatsächlich eine breite Unterstützung unter den großen und regionalen Mächten und natürlich und nicht zuletzt in Libyen selbst für diesen Plan finden. Der sieht zwar vor, dass mit politischen Repräsentanten in Tripolis zusammengearbeitet wird, aber in jedem Fall wird der bestehende Präsidentschaftsrat aufgelöst und die Regierung neu gestaltet.

Aus Ankara war Mitte Juni zu hören, dass man mit Aguila Saleh besser verhandeln könne als mit Haftar. Ob dies auch zutrifft, wenn die Vereinbarungen, die man mit der GNA-Regierung gemacht hat und die Pläne zur Errichtung von Militärbasen ins Wasser fallen?

"Eine win-win-Lösung ist möglich", so Erdogan. Wenn die USA mit Russland, Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Frankreich wie auch die EU in Libyen an einem Strang ziehen, würden die Spielräume für die Türkei in Libyen aber sehr viel enger. Gäbe es im Gegenzug eine "Entschädigung" beim Streit über die Gas- und Ölvorkommen im östlichen Mittelmeer? Möglich, aber sehr spekulativ.