USA: "Snapback" gegen Iran

Manche Plakate altern nicht so schnell. Der Auftakt zur Politik des maximalen Drucks gegen Iran im November 2018 - ins Bild gesetzt vom Trump-Wahlkampagnen-Team vor den "Denkzettelwahlen" zur Halbzeit seines Amtes. Bild: Trump, Twitter

Trump und Pompeo wollen die Nuklearvereinbarung mit Iran mit allen Mitteln zerstören, bevor sie Biden wieder reaktivieren könnte. Dafür nehmen sie eine weitere Militarisierung des Nahen Ostens und scheiternde Staaten in Kauf

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Ab November kann Iran wieder Waffen kaufen, ohne mit der UN-Resolution 2231 in Konflikt zu geraten. Die Beschränkungen laufen im Oktober aus. Das will die US-Regierung verhindern.

Nachdem sie in der vergangenen Woche eine "historische Niederlage" bei der Abstimmung über eine Verlängerung der UN-Restriktionen im Sicherheitsrat erlitten hat, kündigte Präsident Trump am vergangenen Wochenende einen Alleingang an: "We'll be doing a snapback" - "Wir werden den snapback auslösen. Sie werden es in der nächsten Woche sehen."

Vertrag gekündigt, aber Ansprüche reklamieren

Der Snapback-Mechanismus läuft darauf hinaus, dass sämtliche UN-Sanktionen gegen Iran, die vor der Nuklearvereinbarung (JCPOA) aus dem Jahr 2015 verhängt worden waren, wieder in Kraft treten, falls Iran gegen die JCPOA-Abmachungen verstoßen hat. Die Entscheidung darüber wird im UN-Sicherheitsrat getroffen, der dazu aufgerufen werden muss.

Obwohl Trump im Mai 2018 den Ausstieg aus der JCPOA-Vereinbarung erklärte, will er nun auf das Regelwerk des JCPOA zurückgreifen. Das stieß nicht nur beim iranischen Außenminister Zarif auf die Reaktion, dass dies unmöglich sei, sondern auch beim Außenbeauftragten der EU, Josep Borell, der über seine Sprecherin erklären ließ, dass die USA dazu nicht berechtigt seien.

Javad Zarif zieht den Anti-Iran-Falken Bolton als Referenz dafür heran, dass die USA keinen legalen Anspruch haben, auf dem sie stehen können. Bolton hatte geschrieben, dass die USA nicht beanspruchen könnten, sich einerseits aus der JCPOA-Vereinbarung zurückzuziehen und sich dann den Teil der JCPOA-Deals herauszusuchen, der ihnen politisch passt.

Die Basis für den Snapback-Mechanismus findet sich in Artikel 11 der Sicherheitsratsresolution 2231. Dort heißt es, dass ein JCPOA-Teilnehmerstaat ("a JCPOA participant State") mittels einer notification (frei übersetzt: "Anzeige") eine Resolution anstoßen kann, die zur Wiederaufnahme der Sanktionen führt.

Voraussetzung für eine Abstimmung über einen entsprechenden Resolutionsentwurf ist, dass der JCPOA-Teilnehmerstaat eine "signifikante Nichterfüllung von Verpflichtungen" anführt. Im weiteren erläutert Artikel 11 Regelungen des zeitlichen Ablaufs und der Kompetenzen, die der Präsident des Sicherheitsrats und ein Beratungsgremium (Advisory Board) haben.

Einer politischen Absicht auf den Leim gehen

Wer sich nun auf Diskussionen einlässt, ob die USA trotz ihres Ausstiegs aus der Vereinbarung "JCPOA-Teilnehmerstaat" bleibt, da sie die Vereinbarung mitunterzeichnet haben, geht einer politischen Absicht auf den Leim. Denn übergangen wird damit das Kernkriterium des Snapback-Mechanismus: die Nichterfüllung von Verpflichtungen. Das ist Iran bislang nicht nachgewiesen worden. Im Gegenteil bis zum Zeitpunkt des Ausstiegs der USA hielt sich Iran an die Auflagen, wie die Beobachter der IAEA feststellten.

Die USA brachten bislang vor allem vor, dass Iran mit seinem Raketenprogramm und seiner Politik im Nahen Osten "gegen den Geist" der Vereinbarung verstoßen. Man sieht, wohin die Pläne gehen: Im Vordergrund steht nicht mehr so sehr die unterstellte Absicht, dass Iran Nuklearwaffen entwickeln könnte, sondern ein prinzipielles Spektrum: Iran so schwach wie möglich zu machen. De facto zielt dies aber nicht nur auf die Führung und die Revolutionsgarden, wie es die US-Regierung darstellt, sondern mit Mitteln des Wirtschaftskrieges auf die Bevölkerung.

Als Reaktion auf den Ausstieg setzte Iran schrittweise, mit langer Vorankündigung, Begrenzungen aus, gekoppelt mit Erklärungen, wonach diese Schritte allesamt reversibel seien, und Iran dies im Rahmen der JCPOA-Vereinbarung mache. Teheran steige nicht aus, man halte an der JCPOA-Vereinbarung fest.

Obama-Hinterlassenschaft auslöschen

Der Kurs von Trump und Pompeo hat dagegen zum Ziel, diese Vereinbarung aus der Zeit Obamas zu zerstören, so dass sie der momentan aussichtsreiche Präsidentschaftswahl-Gegenkandidat Joe Biden nicht wieder reaktivieren kann, sollte er im November gewählt werden. Die Obama-Hinterlassenschaft auszulöschen, gehörte zu den Wahlversprechungen Trumps 2016, und er erhofft sich davon erneut Zugkraft für die Wiederwahl.

Biden hat eine Rückkehr der USA zum JCPOA angekündigt, wenn auch mit einem Haken, der Iran nicht gefallen wird, aber als politische Forderung legitim ist und aufgrund der Drohungen, die aus reaktionären, klerikalen und militärischen Kreisen Irans gegen Israel regelmäßig laut werden, auch seine Gründe hat: Er will Nachverhandlungen. Aus seinem außenpolitischen Beraterstab kamen Signale, wonach man in Extra-Verhandlungen, außerhalb von Gesprächen über die Wiederaufnahme der Nuklearvereinbarung, auch über das Raketenprogramm und die Präsenz Irans in Ländern des Nahen Ostens reden will.

Das sind ganz die Themen von Trump und Pompeo, aber eingebettet in einer Konzeption, die sich nach außen zumindest weniger kriegstreiberisch und eskalationsverknallt gibt und entspannungspolitisch gerahmt wird. Wie das dann konkret aussehen wird - hier ist aufgrund der engen Verbindungen zum Hillary Clinton-Lager Skepsis angebracht -, zeigt sich erst, wenn die Wahl im November gelaufen ist, einschließlich der Legitimationsstreitigkeiten, die sich dazu ankündigen.

Den Sicherheitsrat unterminieren, unilateral vorgehen

Doch stehen nun erst Legitimationsstreitigkeiten zum JCPOA an. Damit verbunden sind Lagerfronten. Beobachter prophezeien ein zermürbendes Schauspiel im Theater des Sicherheitsrates, sollten die USA tatsächlich an der Absicht festhalten, den Snapback-Mechanismus in Gang zu setzen. Dann würde es einerseits darum gehen, dass die USA eine offizielle Notification im Sicherheitsrat anmelden kann und anderseits darum, genau dies zu verhindern. Mit Tricks hier wie dort.

Sollte es den USA gelingen, diesen Prozess in Gang zu bringen, so die Befürchtung, könnte dies die Stellung des Sicherheitsrates weiter unterminieren. UN-Resolutionen würden noch weiter an Relevanz verlieren, da sie, wie sich dann zeigen würde, selbst wenn ihnen schon zugestimmt worden war, nachträglich einem zermürbenden Revisions-Prozess unterworfen werden, der den Sicherheitsrat zu einer von Interessen verknäulten, wenig handlungsfähigen Bühne macht, die als politischer Adressat an Wichtigkeit einbüßt.

Der Militarisierung und dem Krieg zuarbeiten

Des Weiteren befürchten Beobachter, dass Iran dann aus dem JCPOA aussteigen würde, sich an keine Vereinbarungen mehr halten müsste und sich damit das Rad der Aufrüstung und Militarisierung des Konflikts zwischen dem Anti-Iran-Block mit den USA und Israel als Taktgeber und Iran mit seinen regionalen Verbündeten weiterdreht.

Das alles spielt hinein in die Konkurrenz um die "neue Ordnung" im Nahen Osten, wo militärische und wirtschaftspolitische Dominanz und der "große Friedensplan" (Trump) wichtige Felder sind.

Es war aller Wahrscheinlichkeit nach keine pure zeitliche Koinzidenz, dass sich die historische Niederlage der USA vor dem UN-Sicherheitsrat zur Verlängerung der UN-Waffensanktionen gegen Iran sich mit der Nachricht des historischen Deals zwischen den Vereinigten Arabischen Staaten und Israel, wo die USA eine wichtige Vermittlerrolle spielten, fast überschnitt.

Es gab vor der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat einen, wie sich herausstellte, irreführenden Brief aus den Golfstaaten - des Gulf Cooperation Council -, der den USA Unterstützung versprach. Womit sich die USA auch brüsteten, dann aber wurde das Schreiben zurückgezogen. (Übrig blieb dann als einziger Staat aufseiten der USA die Dominikanische Republik, die Pompeo auf Kosten der US-Steuerzahler mit großem Pomp besuchte.)

Offiziell äußerte Katar Bedenken; inoffiziell ist wahrscheinlich, dass der Brief und die US-Position nicht im Einklang mit den Interessen der Vereinigten Arabischen Emirate steht. Unterschrieben hat ihn eine Vertreterin aus der zweiten Reihe - Amierah Alhefeit ist stellvertretende Repräsentantin der VAE in der UN. Von keiner hochrangigen Person der Emirate hatte man Unterstützung für die UN-Resolution der USA gehört, die im ersten Anlauf mit starken Angriffen gegen Iran formuliert war.

Das wirft ein Licht auf Bruchstellen des Anti-Iran-Blocks, die sich schon früher etwa beim "Tankerkrieg" im persischen Golf zeigten. Die VAE verfolgen ihre eigenen Interessen und gehen nur bis zu einem bestimmten Punkt mit den USA mit. Ihnen ist an freien Verkehrswegen, Wirtschaft und einer Dominanz gelegen, die sich zwar gegen radikale Islamisten und Iran wendet, aber sehr darauf achtet, dass es zu keiner Eskalation mit Iran kommt, die in ihrem Hausmeer stattfinden würde.

Die im Vergleich zu außenpolitischen Ordnungswünschen der USA zurückhaltende Regionalpolitik zeigte sich auch bei der Kritik der VAE an den Annexionsplänen der Regierung Netanjahu.

Der Deal, der der Kritik nach wochenlangen Verhandlungen mit Israel folgte und vergangene Woche - wegen seiner historischen Bedeutung - für großes Aufsehen sorgte, hat ebenfalls seine Grenzen. Zwar gibt es schon lange eine Annäherung zwischen den Emiraten und Israel und wichtige Gemeinsamkeiten, die sich in der Sicherheitszusammenarbeit (Das neue Arabien: KI-gestützte Überwachung in den Vereinigten Arabischen Emiraten) manifestieren, aber der Wortlaut der Vereinbarung lässt auch Spielräume für die VAE, um sich vor riskanten Entwicklungen zu schützen. Etwa wenn die israelische Regierung die Annexion zum falschen Zeitpunkt verwirklicht.

In den Emiraten steht wegen der autoritären Herrschaft und der geringen Zahl an Staatsbürgern - den größten Anteil der Bevölkerung stellen ausländische Zuwanderer, Arbeiter und anders dort Tätige - kein Protest ins Haus. Auch nicht in Saudi-Arabien oder Bahrein, wo die VAE zusammen mit Saudi-Arabien 2011 Proteste niederschlugen, aber in den Kernländern des Nahen Ostens ist die Lage anders.

Proteste im Libanon, die unsichere Lage im Irak, wo die US-Truppen regelmäßig Angriffen von Milizen ausgesetzt sind, die Konfliktzonen in Syrien, das durch die US-Sanktionspolitik, die auch mit der Iranpolitik zusammenhängt, an den Abgrund zum failed state gedrückt wird, die Situation in Jordanien mit vielen palästinensischen Flüchtlingen, die zum großen Teil ihren Status über Jahrzehnte behalten haben - das sind Minenfelder, die sich bei einem politischen Kurs, der auf harte Auseinandersetzung und Mittel (wie etwa Piraterie) gegen Iran setzt, nicht unbedingt ein großes Ereignis brauchen, um die seit Jahren hochgefahrene Spannung zu entladen. Dazu kommen noch die Konfliktzonen im Jemen und in Libyen.

Entspannungspolitik im Gegensatz zur Politik des maximalen Drucks wäre da nicht die dümmste Richtung. Der russische Präsident Putin hat einen Vorschlag für ein Treffen gemacht: Die USA, Russland, Frankreich, Großbritannien, China, Iran und Deutschland sollten sich besprechen, um eine Auseinandersetzung über das Waffenembargo gegen Iran im UN-Sicherheitsrat zu vermeiden.

Trump sagte ab, "probably not". Für ihn gilt: Wahlkampf first.