Grönland: Eis nicht mehr zu retten?

Wissenschaftler auf dem grönländischen Eis (2015). Bild: Silvan Leinss/ CC BY-SA 4.0

Das Eis auf der gigantischen arktischen Insel habe einen Kipppunkt, einen Punkt ohne Wiederkehr erreicht, berichten zahlreiche Medien

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ist der grönländische Eisschild unwiederbringbar verloren? Immerhin ist in ihm genug gefrorenes Wasser gebunden, um den Meeresspiegel im globalen Mittel um sieben Meter steigen zu lassen. Meldungen wie diese von CNN, die in Deutschland unter anderem vom Spiegel aufgegriffen wurden, sprechen von neuen Erkenntnissen, wonach das Eis nicht mehr zu retten sei, auch wenn es gelänge, einen weiteren Klimawandel zu verhindern.

Die Berichte gehen auf eine soeben im Fachblatt Nature Communications Earth and Environment veröffentlichten Studie US-amerikanischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zurück. Auf Twitter weisen allerdings andere Wissenschaftler wie Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung oder Michael Mann von der Penn State University in den USA darauf hin, dass die Studie diese Aussagen nicht deckt. Vermutlich gehen sie auf eine unpräzise und reißerisch formulierte Pressemitteilung einer der beteiligten Universitäten zurück.

Worum geht es? Unstrittig ist, dass das Eis auf Grönland beschleunigt abnimmt und derzeit etwa einen Millimeter pro Jahr zum Anstieg des globalen Meeresspiegels beiträgt. Während zwar jedes Jahr neues Eis durch Schneefall gebildet wird, überwiegen seit vielen Jahren die Verluste durch sommerliches Tauen und das Kalben an den vielen sich ins Meer ergießenden Eiszungen.

Die Studie hat sich ausschließlich mit Letzterem beschäftigt und die aus den vergangenen drei Jahrzehnten vorliegenden Daten für über 200 Gletscherzungen ausgewertet. Ihr Ergebnis: Je mehr des vom Land aufs Wasser gedrückten Eises abbricht oder an der Unterseite vom warmen Meerwasser abgetaut wird, desto schneller strömt das Eis zum Meer.

Dieser Prozess sei inzwischen soweit fortgeschritten, dass er vermutlich auch nicht mehr aufzuhalten sei, wenn der Klimawandel gestoppt werden könne.

Aber, und das ist entscheidend: "Wir (…) haben herausgefunden, dass der wachsende Eisverlust nahezu vollständig mit dem Rückzug der Gletscherfronten erklärt werden kann..." Prozesse im Inlandeis, aus dem sich die Gletscher speisen, spielten dagegen kaum eine Rolle.

Nun weisen Rahmstorf und andere darauf hin, dass die Gletscher irgendwann so viel Eis verloren haben werden, dass sie nur noch gerade bis ans Ufer oder zu den flachen Enden der Fjorde reichen. Dort würde das abbrechende Eis aber nicht mehr so schnell und einfach aufs Meer hinaustreiben. Auch könne kaum noch Eis an der Unterseite durch das wärmere Meer zum Tauen gebracht werden.

Der Eisverlust würde sich also verlangsamen, so lange nicht mehr Eis aus dem Inland nachdrückt. An diesem Punkt wird für das weitere Schicksal des restlichen Eisschildes entscheidend, wie das Verhältnis von Schneefall zum Abtauen an der Oberfläche ist. Überwiegt Letzteres, wird der Eisschild weiter schrumpfen. Andernfalls bleibt er stabil oder wächst gar an, bis wieder mehr Eis aufs Meer hinausgedrückt wird.

Also alles im grünen Bereich? Keinesfalls. Auch für das Abtauen an der Oberfläche gibt es einen kritischen Schwellenwert. Ist dieser einmal überschritten, würde der Eisschild immer weiter schrumpfen, weil er dünner wird und seine Oberfläche somit in wärmere Atmosphärenschichten absinkt.

Ob dieser Punkt schon erreicht ist und wo er genau liegt, wissen wir nicht, wie Rahmstorf betont. Sicher scheint bisher nur, dass wir nicht allzu weit von ihm entfernt sind.