"Man ist bereit, die Monarchie zu beseitigen"

Ausschnitt aus dem Buchcover von Rebeca Quintáns

Skandale im spanischen Königshaus: Die Monarchie als Stütze des "postfaschistischen Spanien" und als Sprengstoff für die Sozialdemokratie. Ein Gespräch mit Rebeca Quintáns

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Der Skandal um den ehemaligen spanischen König Juan Carlos und seine Flucht vor der Justiz wegen der Ermittlungen gegen ihn wegen Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung weitet sich weiter aus. Nach Ablenkungsmanövern, wonach er angeblich die Dominikanische Republik als Exilland angesteuert habe, ist nun bestätigt, dass er sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) aufhält. Zu denen gehört Abu Dhabi und von dort war zwischenzeitlich ein Bild an die Medien durchgestochen worden.

Gerade hat sich auch die ehemalige Geliebte von Juan Carlos ausführlich in einem Interview mit der BBC geäußert. Denn die Schweiz ermittelt auch gegen Corinna zu Sayn-Wittgenstein. Von 100 Millionen US-Dollar, die Juan Carlos angeblich vom saudischen König Abdullah auf ein Schweizer Konto überwiesen bekam, gingen später 65 Millionen an die gebürtige Frankfurterin. Die Schweizer Ermittler gehen davon aus, dass es sich dabei Schmiergeld handelt, die von einem spanischen Konsortium über Saudi-Arabien an den König kanalisiert wurden. Die Firmengruppe hatte den Zuschlag für den Bau der Schnellzugtrasse Medina-Mekka erhalten.

Im Interview zeigte sich Corinna zu Sayn-Wittgenstein allerdings wenig erbaut darüber, dass Juan Carlos das Geld später zurückhaben wollte. Sie spricht nun von einem "sehr großzügigen Geschenk". Dabei hatte ihr Anwalt früher stets von einem "ungebetenen Geschenk" gesprochen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass sie sich angesichts der Ermittlungen gegen sie wegen Geldwäsche eine Verteidigung zurechtlegt. "Er wollte mich versorgt wissen und fürchtete, seine Familie würde seine Wünsche nach seinem Tod nicht erfüllen", hat sie nun erklärt.

Sie bekräftigte aber frühere Aussagen, wonach sie vom spanischen Geheimdienst verfolgt und bedroht worden sei. Sie habe Morddrohungen erhalten und auch ihre Wohnung in Monaco sei durchsucht worden. 2012 habe sie in London sogar der Chef des spanischen Geheimdiensts CNI aufgesucht. Félix Sanz Roldán habe ihr gesagt, er sei im Auftrag des Königs unterwegs und sie solle auf keinen Fall mit den Medien sprechen. "Sollte ich diese Anweisungen nicht befolgen, sei meine körperliche Unversehrtheit oder die Sicherheit meiner Kinder nicht garantiert."

Klar ist, dass bisher erst die Spitze des Eisbergs eines viel umfangreicheren Skandals zum Vorschein gekommen ist. Es gebe wohl noch "Hunderte Konten" an anderen Orten, meint sie und hält es für "außergewöhnlich", dass mit Juan Carlos "der Fokus auf eine Person" gelegt werde, dabei habe es sich um den "Modus Operandi eines Familienunternehmens über 40 Jahre hinweg" gehandelt. Und auch deshalb bergen der Vorgang und die sich längst abzeichnenden Verwicklungen um den Thronfolger Felipe noch viel Sprengstoff für die sozialdemokratische Regierung.

Die bekleckert sich jedenfalls nicht mit Ruhm, was ihren Willen zur Aufklärung und Transparenz angeht, sondern setzt eher auf Verdunkelung. Inzwischen ist geklärt, dass sie sogar in die Fluchtpläne eingeweiht war und diese unterstützt hat. Der spanische Steuerzahler kommt zumindest, soweit die Regierung bisher eingeräumt hat, für die Bewachung des Königs in den Vereinigten Emiraten auf.

Damit wurde deutlich, dass der Regierungschef Pedro Sánchez gelogen hat, als er behauptete, den Aufenthaltsort von Juan Carlos nicht zu kennen. Kritisch könnte für seine Regierung auch werden, dass sie stets verhindert hat, die Hintergründe und die dunklen Geschäfte von Juan Carlos aufzuklären. Und nun haben die Sozialdemokraten erneut im Bund mit Rechten verhindert - auch mit der rechtsradikalen Vox -, dass Sánchez vor dem Parlament Rede und Antwort über die Flucht von Juan Carlos stehen muss.

Telepolis sprach mit einer ausgezeichneten Kennerin von Juan Carlos über die Vorgänge, seine Geschichte, seinen Abgang und über Rolle der Sozialdemokraten. Dazu ist auch die wackelige Zukunft der Monarchie ein Thema, deren Pfeiler 2014 gestützt werden mussten, als Juan Carlos angesichts seiner Skandale abdanken musste.

"Die Emirate werden sich wohl jeder Auslieferung widersetzen"

Die Journalistin Rebeca Quintáns hatte schon vor 20 Jahren im Buch "Un rey golpe a golpe" (Ein König Schlag auf Schlag) die Mythen über den angeblichen "Retter der Demokratie" beim Putschversuch 1981 geknackt und dessen dunkle Geschäfte in aller Welt aufgedeckt. Das geschah zum Selbstschutz damals allerdings aus Sicherheitsgründen unter dem Pseudonym Patricia Sverlo.

Telepolis: Wundert Sie es, dass sich der ehemalige spanische König angesichts der Ermittlungen gegen ihn in die Vereinten Arabischen Emirate abgesetzt hat?

Rebeca Quintáns: Dass er sich dort aufhält, erklärt sich. Er war ja auch früher oft dort. Für mich steht das in Zusammenhang damit, was seine ehemalige Geliebte bezeugt hat, dass er immer wieder aus arabischen Ländern mit gefüllten Geldkoffern zurückgekommen ist.

In Abu Dhabi war er oft, sogar mehrmals im Jahr. Vielleicht muss er gerade wieder ein paar Koffer holen (lacht). Mich erstaunt aber vor allem seine Frechheit. Es fällt auf und es stößt auch stark auf, dass er dorthin geht, wo er Schmiergelder erhalten hat, wie man weiß. Wir werden dann sehen, wohin er später noch geht.

Telepolis: Hat der Aufenthaltsort nicht vor allem damit zu tun, dass es kein Auslieferungsabkommen mit der Schweiz gibt, wo die Ermittlungen begonnen haben?

Rebeca Quintáns: Das spricht sicher für die Emirate. Vor allem wird man versuchen, die Ermittlungen zu behindern, zeitlich so lange wie möglich zu verzögern. Juan Carlos ist schließlich schon 82 Jahre alt. Die Emirate werden sich wohl jeder Auslieferung widersetzen. Ich glaube aber nicht, dass er sich der Justiz vollständig entzieht, sondern eher verzögert, zum Beispiel wegen seines Alters nur per Videokonferenz vernommen werden kann und ähnliches. Wir müssen uns auf einen langen juristischen Vorgang einstellen.

Rebeca Quintáns. Foto: Rebeca Quintáns

Telepolis: Was bedeutet es, dass auch Spanien nach dem Beginn der Schweiz plötzlich doch noch eigene Ermittlungen aufgenommen hat?

Rebeca Quintáns: Damit wird versucht die Schweizer Ermittlungen zu kontrollieren und auszubremsen.

Telepolis: Hat Juan Carlos in Spanien überhaupt etwas zu befürchten? In Spanien spricht man wenigstens für die Amtszeit von einer "Unantastbarkeit", weshalb hier nur wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung für Vorgänge nach seinem Abdanken 2014 ermittelt wird und nicht auch wegen Korruption wie in der Schweiz.

Rebeca Quintáns: Zu befürchten hätte er in Spanien sehr viel, wenn man damit anfangen würde, wirklich die gesamten Vorgänge zu ermitteln. Aber ich glaube nicht, dass er sich in Spanien tatsächlich auf die Anklagebank setzen muss. Vermutlich wird die spanische Staatsanwaltschaft den Schweizern sagen, dass sie nicht weiter zu ermitteln brauchen, da das schließlich in Spanien schon geschieht.

Das ist eine Form der Kontrolle. Aber dafür muss man ihn aber hier formell anklagen, das ist bisher noch nicht der Fall. Wenn Spanien das nicht tut, kann nicht verhindert werden, dass Anklage wegen noch schwerwiegenderer Vergehen in der Schweiz erhoben wird.

Jetzt hat man Zeit gewonnen und es wird abgewogen, denn auch die Anklage des ehemaligen Staats- und Militärchefs wäre ein Skandal an sich. Auch wenn man ihn später als unschuldig erklären würde, wäre der Skandal groß. Es wird sehr schwierig sein, ihn zu retten, aber sie werden es versuchen. Deshalb werden alle möglichen juristischen und politischen Manöver gestartet werden.

Telepolis: Welche Rolle spielt die sozialdemokratische Regierung von Pedro Sánchez in dem Vorgang, den viele als "Flucht" bezeichnen? Sie haben in verschiedenen Interviews schon erklärt, dass Sánchez im Machtkampf seiner Partei der Kandidat des Königshauses war.

Rebeca Quintáns: Als Sánchez im Jahr 2014 Alfredo Perez Rubalcaba an der Parteiführung abgelöst hat, haben einige hier behauptet, das Königshaus habe Sánchez sogar aufgestellt. Klar ist, dass er das Einverständnis der Zarzuela hatte. Und Sánchez füllt seine Rolle aus, die Monarchie zu verteidigen. Er kann zwar nicht viel unternehmen, aber er tut was er kann.

"Die Monarchie wird stürzen"

Telepolis: Gibt es direkte Verbindungen zwischen Sánchez und dem Königshaus?

Rebeca Quintáns: Sánchez hat einen auffälligen Lebenslauf. Es mag Zufall sein, dass er gleichzeitig an derselben Oberschule wie Letizia studierte, der Frau des heutigen Königs Felipe. Auf der Schule Ramiro de Maetzu kommt nur die Crème de la Crème zusammen. Später studierte er an der privaten, exklusiven und ultra-katholischen Universität "Real Centro Universitario Escorial-María Cristina". Dies ist eine teure Universität und von dort ging er direkt in die Politik. Aber über direkte Verbindungen ins Königshaus ist mir nichts bekannt.

Telepolis: Vor sechs Jahren musste Juan Carlos wegen zahlreicher Skandale abdanken und gab den Thron an Felipe ab. Das wurde allgemein schon als Versuch gewertet, die Monarchie zu retten. Ist die Rettung nun in Gefahr?

Rebeca Quintáns: Ja, natürlich. Die Monarchie wird stürzen, es gibt keine Möglichkeit der Rettung mehr. Die gesamten Strategien, die jetzt angewendet werden, können das nur noch verzögern. Juan Carlos ist schon völlig verschlissen und wenn auch noch zu einer Anklage kommt…

Man fährt nun eine Kampagne gegen den Vater und lässt den Sohn bewusst außen vor. Ist es nicht aus journalistischer Sicht meist so, dass man dosiert vorgeht? Wenn man mit Juan Carlos abgerechnet hat, werden auch mehr Vorgänge zu Felipe ans Licht gezogen werden. Er wird da nicht mehr herauskommen.