Nasen-Pflicht und Eigenschutz

Bild: NanaCola/Pixabay.com

Möglicherweise ist beim Robert-Koch-Institut nicht bekannt, dass die Reinigung von Luft und Abgasen eine hoch entwickelte Technologie und ein großer Industriezweig ist

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Der Schock war groß. Ich war kürzlich mehrere Tage an den oberitalienischen Seen in der Lombardei, ganz in der Nähe von Bergamo, das von Corona am schwersten getroffen wurde. Dort gilt die übliche Maskenpflicht in Restaurants und Geschäften.

Und tatsächlich tragen sie fast alle Masken, die Ober, das Servicepersonal, die Bedienungen und VerkäuferInnen - und auch die Chefs. Aber mehr als die Hälfte hatte die Maske nur unter dem Kinn hängen, logischerweise völlig nutzlos. Nur ein sehr strenger Blick oder ein Hinweis des Gastes bewirkte manchmal, dass sie kurz und widerwillig nach oben geschoben wurde. Mir schien es die Mehrheit der Angestellten, die so nachlässig, ja letztlich verantwortungslos mit dem Thema Maske umging.

Natürlich gab es auch die, die wenigstens den Mund bedeckten, aber die Nase blieb frei. Aber dieser Virus wird über die kleinen Tröpfchen übertragen, die wir beim Atmen und beim Husten ausstoßen. Und das bedingt, dass die Maske die Nase bedecken muss, damit das Gewebe die Tröpfchen aus der gesamten Atemluft abfangen kann. Nur das kann verhindern, dass infiziertes Personal zum "Superspreader" wird.

Bei so wenig Disziplin ist es kein Wunder, wenn die Infektionszahlen der Reiserückkehrer steigen. Dabei müsste der Schutz durch die Maske das ureigenste Interesse aller Mitarbeiter der Touristikbranche sein. Denn sie alle wären von einem Lockdown besonders betroffen.

Es fehlt an Motivation

Aber dieses mangelnde Verständnis, die fehlende Motivation, die Maske ernst zu nehmen, ist kein italienisches Problem. Sie fehlt auch bei uns. Begründet ist das nach meiner Meinung in den unverändert verfehlten Maskenempfehlungen des Robert Koch-Instituts und der Politik. War man anfangs noch komplett gegen Masken für die Allgemeinheit, so hat man später zumindest einen Mundschutz empfohlen, meist mit der Bemerkung, sie würden andere vor Ansteckungen schützen, wenn man selbst infiziert ist. Aber längst ist klar, Masken können auch den Träger schützen, vor allem wenn sie qualitativ hochwertig sind. Es geht keineswegs nur darum, dass Infizierte mit einer Maske andere schützen. Und da sich eigentlich jeder für gesund hält, wird die Notwendigkeit einfach nicht eingesehen.

Das Robert Koch-Institut empfiehlt in seinen Richtlinien vom 14. April, dem letzten Datum einer umfassenden Veröffentlichung: "...generelles Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum als einen weiteren Baustein, um Risikogruppen zu schützen und den Infektionsdruck und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren".

Unverändert betonen diese Richtlinien also, dass Masken primär dem Schutz anderer, also dem "Fremdschutz" dienen, wobei der Text reichlich vage ist. Die hohe Bedeutung zum "Eigenschutz" wird nicht genannt, obwohl in Fernost zahlreiche Studien den Eigenschutz durch Masken bestätigen. Es ist diese in meinen Beiträgen mehrfach diskutierte Unklarheit und das dadurch fehlgeleitete politische Handeln, die diese Krise so schwer machen und die Vertrauensbildung belasten.

Eigenschutz-Masken waren immer verfügbar

Noch deutlicher wird aus meiner Sicht die fehlende Gestaltungsfähigkeit des Robert Koch-Instituts aus einer Information über verschiedene Arten von Masken. In einer Richtlinie vom 31. März 2020 wird unterschieden zwischen "Mund-Nasen-Bedeckung" und den bekannten FFP-Masken, dort bezeichnet als "partikelfilternde Halbmasken". Die heißen so, da diese Filter anfangs als Teil kompletter Gasmasken galten. In der Tabelle werden diese FFP-Masken ausdrücklich für den "Eigenschutz" empfohlen. Sie sind mehrlagig aus meist vier verschiedenen Vliesstoffen aufgebaut und für das Abfangen von Partikeln optimiert.

Sie bieten dadurch wirklichen Eigenschutz im Gegensatz zu einer Mund-Nasen-Bedeckung aus üblichen Leinenstoffen. Diese Gegenüberstellung der beiden Maskenarten lässt besonders deutlich werden, dass wegen des naturgemäß sehr wichtigen Eigenschutzes primär diese FFP-Masken allgemein empfohlen werden sollten. Natürlich waren sie im März 2020 wegen der unterlassenen Vorratsvorsorge, die ebenfalls das RKI zu verantworten hat, nicht verfügbar. Aber für Berufe mit viel Sozialkontakt hätte schon damals auf die schützenden FFP-Masken umgestellt oder zumindest eine differenzierte Empfehlung herausgegeben werden müssen.

Heute sind sie nun überall erhältlich und liegen im Preis in der Größenordnung der meisten bedruckten und dekorierten Leinenmasken. Diese Masken nicht für die vielen Angestellten unter anderem in der Gastronomie zu empfehlen und stattdessen einen allumfassenden Lockdown zu machen, stellt sich nach all dem Irrlichtern des RKI zur Bedeutung von Masken als ein weiteres großes Fragezeichen des politischen "Krisenmanagements" heraus.

Jens Spahn wird gewusst haben, worauf er sich bezieht, als er schon vor einigen Monaten in einem Interview sagte: "Wir werden uns noch viel zu verzeihen haben." Die Einsicht, Fehler gemacht zu haben, ist also da, dass allerdings noch immer die gleichen Verantwortlichen beim RKI das Sagen haben, ist unverantwortlich. Erschwerend ist dabei, dass die Verbreitung solcher FFP-Masken und das Verständnis, dass sie schützen können, ein starker Motivator wäre für sachgerechte Verwendung, genau das, was bei den nie sonderlich obrigkeitshörigen Italienern fehlte.

In Fernost ist das grundlegend anders. Die Massendisziplin ist hoch. Kürzlich erzählte mir ein befreundeter Arzt, der an einer chinesischen Universität lehrt und mir für meine früheren Beiträge viele Hinweise gegeben hat, dass die Masken in Fernost meist als FFP-Typ aufgebaut sind. Die technischen Möglichkeiten werden dort also ausgenutzt, es wird viel geforscht und die Aufklärung der Bevölkerung hat offensichtlich überzeugt (Die missachtete Risikostudie zur Pandemie).

Innovation für Masken

Die Forderung, konsequent Partikel aus Luftströmen herauszufiltern, schreit geradezu nach Impulsen, diese Techniken konsequent weiter zu entwickeln. Bisher scheint sich die Kreativität aber primär auf schöne Muster und bunte Aufdrucke auf Stoffmasken konzentriert zu haben ohne sonderliche Beachtung des FFP-Typs. Die sonst so agile Marktwirtschaft blieb uninteressiert, kein Wunder bei so geringem politischem Anstoß. Aber in der technischen Weiterentwicklung dieser partikelfilternden Masken dürfte enormes Potenzial stecken.

Möglicherweise ist beim Robert-Koch-Institut nicht bekannt, dass die Reinigung von Luft und Abgasen eine hoch entwickelte Technologie und ein großer Industriezweig ist. Weite Teile der Chemieindustrie und überall, wo fossile Brennstoffe verbrannt werden, müssen Luft und Abgase gereinigt werden, oft mit hohem Aufwand und mit sehr komplexen Filtertechniken. Als Physiker ist mir das Thema der statischen Aufladung und der Bindung von geladenen Teilchen an Filteroberflächen vertraut. Es ist insbesondere die elektrostatische Aufladung, die man nutzen kann. Hier liegt viel Innovation in der Luft, für verbesserte Wirkung, aber auch für reduzierte Kosten und verbesserte Tragfähigkeit.

Vollständiger Eigenschutz

Es hat mich nicht überrascht, dass ich beim Recherchieren zu Masken-Innovationen eine in der Schweiz neu entwickelte Maske stieß. Hier, leider nicht bei uns, hat man diese Erkenntnisse der Abgastechnologien offensichtlich genutzt und eine Maske entwickelt, die laut deren Angaben bis zu 99 % (!) aller Partikel abfängt. Das klingt nach Durchbruch. Bestätigt wurde dieser Wert interessanterweise von der Technischen Hochschule Aachen. Eine Technische Hochschule ist für solche Tests genau richtig, denn diese Tests brauchen primär Physiker, nicht nur Virologen. Luftreinigung ist - wie erwähnt - eine wichtige Ingenieurwissenschaft und der Umgang mit statisch aufgeladenen Oberflächen und mit geladenen Teilchen ist dort ein bekanntes Thema.

Diese Schweizer Firma hat also dieses Wissen für eine Maske mit verbesserter Filterung genutzt. Die Marktwirtschaft funktioniert also und wird nun nach dem ersten Schock innovativ und erfinderisch. Natürlich habe ich diese Maske erworben. Sie ist waschbar und wieder verwendbar und trägt sich sehr angenehm, auch für mich als Brillenträger.

Bleibt noch die Frage, wie der Zusatz "bis zu" 99 % zu werten ist. Denn mit Filtertechnologien vertraute Wissenschaftler wissen natürlich, dass die Filterwirkung erheblich von der Größe der Partikel abhängt. Der detaillierte Bericht war nicht auf der Webseite der Lieferfirma, was natürlich Fragen aufwirft. Deshalb nenne ich den Namen nicht und hoffe auf genauere Informationen, weitere Tests und auch Nachahmer oder Lizenznehmer.

Sobald sich die Testergebnisse festigen und sich die Politik und die Allgemeinheit dafür interessieren, dürften Wettbewerb und damit auch Preissenkung einsetzen - denn die Maske ist teuer - 65 € - wobei dieser Preis allerdings durchaus im Rahmen eines normalen Kleidungsstücks liegt. Und als solches werden wir die Maske zukünftig wohl sehen müssen.

Dieser Virus wird uns noch lange begleiten. Aber die Tatsache, dass nun Weiterentwicklungen zu fast vollständig schützenden Masken einsetzen, gibt Hoffnung. Das addiert sich zu der Hoffnung auf Impfstoffe. Jetzt brauchen wir nur noch eine Regierung, die mit solchen Entwicklungen umgehen kann und auch hier Innovation und Fortschritte anheizt. Sobald sie außerdem klarmacht, dass bestimmte Masken entscheidend zum eigenen Schutz beitragen, würde auch die Disziplin in der Allgemeinheit dramatisch steigen. Denn nachlässig sind wir alle, aber bei der eigenen Gesundheit sind wir besorgte Egoisten. Die klare Botschaft vom wirksamen Eigenschutz wäre deshalb der entscheidende Durchbruch.

Dr. Peter H. Grassmann studierte Physik in München, promovierte dort bei Werner Heisenberg und ging ans MIT. Bei Siemens baute er die heute milliardenschwere Sparte der Bildgebenden Systeme auf. Als Vorsitzender von Carl Zeiss (bis 2001) sanierte er das Stiftungsunternehmen in Jena zusammen mit Lothar Späth. Er ist Kritiker einer radikalen Marktwirtschaft und fordert mehr Fairness und Nachhaltigkeit. Grassmann erhielt zahlreiche Auszeichnungen und engagiert sich bei der Münchner Umwelt-Akademie, bei "Mehr Demokratie e.V.", der Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Gesellschaft und dem Senat der Wirtschaft.

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