Autobahnbau 2020: Mit aller Gewalt

Dannenröder Forst. Bild von der Website des Aktionsbündnisses "Keine A49"

Am Mittwoch begann die schwarz-grüne Landesregierung im hessischen Dannenröder Wald mit der Räumung für den Bau der A49

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Kaum ist unserer – leider wie oft wegen begrenzter Zeit und begrenztem Platz lückenhafter – wöchentlicher Überblick über alles rund um Klima und Energiepolitik online gestellt, da ist schon ein Update fällig. Die Besetzer des Dannenröder Forstes in Hessen melden, dass dort die Polizei mit der Räumung begonnen habe.

Seit 40 Jahren wehren sich Teile der örtlichen Bevölkerung mit Unterstützung eines breiten Bündnisses von Umweltverbänden gegen den Bau der Autobahn A49 zwischen Kassel und Gießen. Dabei handelt es sich um ein relativ kurzes Autobahnstück, im Prinzip nicht mehr als eine kleine Abkürzung im bestehenden Autobahnnetz, für das aber wertvoller Wald geopfert werden soll.

Während vielerorts in Mitteleuropa die Wälder – oder sollte man sie lieber Nadelholzplantagen nennen? – von Dürre, Hitze, Stürmen und Borkenkäfer schwer geschädigt sind und mancher Wald kaum noch überlebensfähig ist, sollen in Hessen 85 Hektar gesunden Mischwaldes für eine Planung aus den 1960er Jahren geopfert werden.

Fast ein ganzer Quadratkilometer Waldes mit hohem Buchen- und Eichenanteil, in dem einige gesunde Bäume bis zu 300 Jahre alt sind, soll der Kettensäge zum Opfer fallen; Heim einiger vom Aussterben bedrohter Arten und mitten in einem Wasserschutzgebiet.

Absurder Weise ist dafür auch eine Partei verantwortlich, die sich – wie zuletzt die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen gezeigt haben – bei jungen Klimaschützern großer Beliebtheit erfreut. Während die Grüne Bundestagsfraktion die Verantwortung ganz auf Verkehrsminister Andy Scheuer in Berlin zu schieben versucht, ist es nicht zuletzt die örtliche CDU, die das Projekt seit langem fordert und vorantreibt.

Und mit dieser bilden die Grünen in Hessen die Landesregierung. Ein Bündnis mit Linkspartei und Sozialdemokraten hatte man seinerzeit nicht gewollt. Im mit der CDU abgeschlossenen Koalitionsvertrag heißt es lapidar: "Die Maßnahmen A 44 und A 49 sowie Riederwaldtunnel (A 66/A 661) werden fertiggestellt."

Auf Twitter nennen die hessischen Grünen den Autobahnbau "Ergebnis demokratischer und rechtsstaatlicher Entscheidungen", womit sie sicherlich nicht ganz unrecht haben. Nur vergessen sie leider dabei, dass nichts in der Welt eine Partei zwingen kann, als falsch erkannte, uralte Entscheidungen mitzutragen.

Und dann gibt es da noch das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei allen Handlungen staatlicher Organe. Ist es tatsächlich verhältnismäßig, in Zeiten sterbender Wälder, einer galoppierenden Klimakrise, nie dagewesener Waldbrände auf vier Kontinenten, rasch voranschreitender Erderhitzung, eines Artensterbens, wie es zuletzt vor rund 60 Millionen Jahren auftrat, ein martialische Polizeiaufgebot gegen ein paar Barrikaden auf Waldwegen und junge Menschen loszuschicken? Und wer schaut der Polizei dabei eigentlich auf die Finger, wenn diese wiedereinmal versucht, Parlamentarier auszusperren, wie das sogenannte Legal Team der Besetzer berichtet.

Derweil ist für die Linkspartei der Vorgang eine seltene Gelegenheit, sich als die bessere Umweltpartei zu positionieren. Am Dienstag hatte deren Wiesbadener Landtagsfraktion ihre Forderung nach einem Baustopp erneuert, wie die Gießener Allgemeine schreibt. Die Abgeordneten hatten eine Fraktionssitzung in den bedrohten Wald verlegt und die Fraktionsvorsitzende Janine Wissler, die auch für den Bundesvorsitz ihrer Partei kandidiert, hatte den Besetzern "Unterstützung und Solidarität" zugesichert.