Deutschland: Verschwindet die Schlüsselindustrie?

Aluminiumzylinder. Foto: Stahlkocher. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Kraftfahrzeughersteller und Zulieferer bauen massiv Stellen ab

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In den 1920er Jahren gründeten Ingenieure in Cannstatt ein Unternehmen, das heute Mahle GmbH heißt und 72.000 Menschen in Deutschland, Italien, Spanien und fast 30 weiteren Ländern ein Auskommen beschert. Das gelang, weil dort beschäftigte Tüftler unter anderem den Leichtmetallkolben, den Regelkolben und den Aluminiumzylinder mit Cromal-Lauffläche erfanden. In Zukunft wird Mahle aber 7.600 Menschen weniger ernähren, wie das Unternehmen diese Woche bekannt gab. 2.000 dieser Stellen werden in Deutschland abgebaut. Das betrifft ein Sechstel der dort insgesamt beschäftigten 12.000 Arbeitnehmer.

Schaeffler, Continental, Bosch …

Damit ist Mahle derzeit keine Ausnahme: In den letzten Tagen und Wochen kündigte eine ganze Reihe wichtiger deutscher Automobilzulieferer einen Stellenabbau in großem Umfang an: Schaeffler baut nach 8.250 seit 2018 verschwundenen Arbeitsplätzen weitere 4.400 ab. Bei Continental sind es 30.000. Und während der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet über eine Abstammung von Karl dem Großen phantasiert, wird das Continental-Reifenwerk in Aachen ganz geschlossen.

Bosch kündigte bereits im Sommer an, sein Werk in Gerlingen zu schließen und einige tausend Arbeitsplätze abzubauen. Tritt nach einer Wiedereinführung der Insolvenzanmeldepflicht bei Überschuldung der erwartete Domino-Effekt ein (vgl. Pleitenschneepfliug), könnten noch wesentlich mehr Arbeitsplätze wegfallen. Stefan Reindl von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, und Gerhard Wolf, der Leiter der Gruppe Automobil/Maschinenbau der Landesbank Baden-Württemberg, erwarten das "vor allem bei den kleineren und spezialisierten Zulieferer".

Daimler, MAN …

Die Auftraggeberin dieser Unternehmen, die deutsche Automobilindustrie, baut ebenfalls viele ihrer 821.000 Arbeitsplätze ab: Beim schwäbischen Daimler-Konzern stieg die dazu in Medienberichten genannte Zahl innerhalb weniger Monate von 15.000 über 20.000 auf 30.000. Alleine bei der Daimler Truck AG sollen den Informationen des Manager Magazins nach nahezu 17.000 Mitarbeiter zur Annahme von Abfindungen oder Altersteilzeitangeboten gedrängt werden.

Unternehmenschef Ola Källenius will bislang allerdings weder zu diesen Zahlen, noch zu den Spekulationen über Werksschließungen etwas Offizielles sagen. Man sei, so der 51 Jahre alte Schwede, "in Gesprächen mit Arbeitnehmervertretern und werde[…] da gute Lösungen finden". Betriebsbedingte Kündigungen schließt er jedoch nicht aus.

Die aus der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg hervorgegangene MAN will sich um 9.500 Arbeitsplätze verschlanken. 3.000 davon fallen im Raum München weg - ein Drittel der dortigen Stellen. In Nürnberg trifft es mit 1.200 von insgesamt 3.800 dort Beschäftigten einen ähnlich großen Anteil. Die Komponentenfertigung wird den Informationen des Münchner Merkur nach komplett von Salzgitter nach Polen verlegt. Trifft das zu, würde dort mit 1.400 von insgesamt 2.400 Arbeitsplätzen noch ein deutlich größerer Anteil wegfallen. MAN ist seit sieben Jahren nur mehr eine Tochter des Volkswagenkonzerns. Dessen Chef Herbert Diess hat verlautbart, er sehe eine Senkung von Managerbonuszahlungen nur als letzten Ausweg.

Politische Pläne

Die Coronakrise ist nach Ansicht des Daimler-Personalvorstands Wilfried Porth nicht die einzige Ursache des Stellenabbaus. Als weiteren wichtigen "Komplex" nennt er "das Thema der Elektromobilität", das es "schon vorher" gab. Ähnlicher Ansicht zeigt sich der Mahle-Betriebsratsvize Dieter Kiesling. Auch Mahle baute bereits seit zwei Jahren 6.700 Stellen ab, rutschte aber trotzdem von einem Jahr mit 446 Millionen Euro Gewinn in eines mit 212 Millionen Euro Verlust.

Beim Verband der Automobilindustrie (VDA) glaubt man einem B24-Informanten zufolge, dass an dieser Lage auch die Politik eine Mitverantwortung trägt, indem sie die Fortentwicklung der Mobilität nicht den Kaufentscheidungen von Verbrauchern überlässt, sondern planwirtschaftsähnlich Ziele vorgibt, die erfüllt werden müssen. Zum Beispiel das, dass statt Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren Elektroautos hergestellt und verkauft werden. "Sollten die [diese Woche bekannt gemachten neuen] Pläne der [EU-]Kommission Realität werden", heißt es, "dann bedeute[…] das das Ende des Automobilbaus in Deutschland wie wir ihn heute kennen".

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