Auflebender Klimaprotest, abschmelzende Antarktis

Screenshot des Videos des Potsam Instituts über das Abtauen des Antarktiseises.

Die Energie- und Klimawochenschau: Unwiederbringliches Antarktis-Eis, EEG-Novelle 2021 und die Suche nach einem Endlager für Atommüll

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Wie bereits berichtet, stand das Wochenende im Zeichen der Proteste gegen die Braunkohle und andere fossile Energien sowie für einen wirksameren Klimaschutz. Am Freitag demonstrierten deutschlandweit 200.000 Menschen beim Klimastreik von Fridays For Future.

Und von Freitag bis Sonntag früh beteiligten sich nach Angaben von "Ende Gelände" 3000 Menschen an Blockaden und Protesten im Rheinland. Das Aktionsbündnis spricht von einem erfolgreichen Wochenende. "Dieses Wochenende ist ein Grund zur Hoffnung. Wir werden nicht aufhören, für einen gerechten und ökologischen Systemwandel zu kämpfen. Seite an Seite mit den Menschen aus den Dörfern können wir Großkonzernen wie RWE die Stirn bieten. Unsere gemeinsamen Aktionen sind nur ein Vorgeschmack auf das, was kommen wird, wenn RWE den Abriss der Dörfer fortführt", so die Pressesprecherin von Ende Gelände, Paula Eisner.

So wurde am Wochenende nicht nur Kohle- und Gasinfrastruktur blockiert, sondern auch die Situation der von Abbaggerung bedrohten Dörfer in den Fokus gerückt. In Keyenberg wurde die Gaststätte besetzt und wiedereröffnet, im Wald nahe des Orts wurden Baumhäuser errichtet. Das Bündnis "Alle Dörfer bleiben" erwartet für den Herbst weitere Auseinandersetzungen um die Dörfer am Rand des Tagebaus Garzweiler. So werde RWE wahrscheinlich Bäume fällen und mit dem Abriss des Dorfs Lützerath beginnen. Dabei gäbe es trotz des verabschiedeten Kohleausstiegsgesetzes noch Handlungsspielraum für die nordrhein-westfälische Landesregierung, den Tagebau Garzweiler II zu verkleinern. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls die Rechtsanwältin Roda Verheyen in einem von Greenpeace in Auftrag gegebenen Kurzgutachten.

Antarktiseis nicht komplett zu retten

Die Klimabewegung hat am Wochenende gezeigt, dass sie auch unter den schwierigen Bedingungen der Pandemie in der Lage ist, Tausende - auch zu Aktionen des zivilen Ungehorsams - zu mobilisieren. Die Nachrichten, die das Klima betreffen, sind hingegen weiterhin alles andere als aufmunternd. So warnte das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in der vergangenen Woche vor einem irreversiblen Eisverlust in der Antarktis und einem damit verbundenen Anstieg des Meeresspiegels - auch bei einem Temperaturanstieg um nur zwei Grad Celsius.

"Aufgrund ihrer schieren Größe hat die Antarktis ein erhebliches Potenzial, den Meeresspiegel weltweit langfristig anzuheben: Wir stellen fest, dass bereits bei einer anhaltenden Erwärmung von 2 Grad Celsius das Abschmelzen und der beschleunigte Eisabfluss in den Ozean letztlich zu einem Anstieg des globalen Meeresspiegels um 2,5 Meter führen würde. Bei 4 Grad beträgt er langfristig 6,5 Meter, und bei 6 Grad fast 12 Meter", erklärt Ricarda Winkelmann, die Leitautorin der Studie, an der neben dem PIK die Columbia University und die Universität Potsdam beteiligt waren.

Nebenbei bemerkt: Betrachtet wird in dieser Studie nur der Meeresspiegelanstieg durch Abschmelzen von Eisschilden der Antarktis, d.h. der Gletscherabfluss in Grönland sowie der Anstieg durch die Ausdehnung des Wassers wären hinzuzurechnen. Die im Fachmagazin Nature veröffentlichte Studie untersucht die langfristige Stabilität des antarktischen Eisschildes bei unterschiedlichen Temperaturverläufen. Der Eisverlust würde dabei nicht linear verlaufen, sondern bei höheren Temperaturen stetig ansteigen. Ab einer Erwärmung von 10 Grad Celsius wäre die Antarktis praktisch eisfrei.

Beim Abschmelzen des Eises wirken mehrere Prozesse. Derzeit schmilzt das Eis vor allem in der Westantarktis von der Unterseite durch den Einfluss warmen Ozeanwassers. Verschwindet auf diese Weise das auf dem Meer aufliegende Schelfeis, fließen die dahinterliegenden Gletscher auf dem Festland schneller ins Meer und werden instabil. Bei weiter steigenden Temperaturen schmelzen die Gletscher auch an der Oberfläche, wie es bereits in Grönland zu beobachten ist.

Der Eisverlust ist den Simulationen zufolge unumkehrbar. "Tatsächlich müssten die Temperaturen auf das vorindustrielle Niveau fallen, um den antarktischen Eisschild vollständig wiederherzustellen - ein höchst unwahrscheinliches Szenario. Mit anderen Worten: Was wir jetzt in der Antarktis verlieren, ist für immer verloren", so Ko-Autor Anders Levermann.

Nicht neu ist im Prinzip, dass sich die Tropen mit steigenden Temperaturen nach Norden und Süden ausdehnen, wobei es gerade am Rande der Tropen heißer und trockener wird. Eine Folge davon könnten die Wald- und Buschbrände in Australien und Kalifornien sein oder eine zunehmende Dürre im Mittelmeerraum. Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts haben nun wohl die Ursache für die Ausbreitung der Tropen gefunden. Nicht komplexe atmosphärische Prozesse, wie bislang vermutet, stehen dahinter, sondern die Akkumulation von Wärme in großen Meereswirbeln. Die subtropischen Meereswirbel würden sich auf diese Weise schneller erwärmen als der restliche Ozean, was wiederum das Klima auf den Kontinenten beeinflusst. Welchen Anteil dieser Effekt an aktuellen Dürren hat, darauf wollen sich die Wissenschaftler allerdings nicht festlegen.

Ausbaukorridore im EEG 2021 zu gering

Am vergangenen Mittwoch hat das Bundeskabinett die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) verabschiedet. Auch wenn diese durchaus begrüßenswerte Ziele beinhaltet, so stößt sie in einigen Punkten bei den Branchenverbänden auf Kritik. Der Gesetzentwurf zum EEG 2021 sieht vor, dass die Stromerzeugung in Deutschland bis zum Jahr 2050 treibhausgasneutral zu erfolgen hat. Außerdem soll mit dem dort definierten Ausbaupfad ein Anteil von 65 Prozent erneuerbarem am Gesamtstromverbrauch erreicht werden.

Hier setzt jedoch schon einer der wichtigsten Kritikpunkte an: Dem Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) zufolge ist der vom Bundeswirtschaftsministerium für das Jahr 2030 zugrunde gelegte Stromverbrauch von 580 TWh zu niedrig angesetzt, wodurch dann auch die Ausbaupfade und Ausschreibungsmengen nicht mehr stimmen würden. Der BEE rechnet für 2030 mit einem Strombedarf von mindestens 740 TWh, wenn in Zukunft vermehrt Power-to-X-Technologien zum Einsatz kommen sollen, um fossile Brennstoffe im Wärme- und im Verkehrssektor zu ersetzen.

Laut dem Gesetzentwurf aus dem Hause Altmaiers soll das Ausbauziel für die Windenergie bis 2030 auf 71 GW erhöht werden - der Bundesverband Windenergie fordert hier 87 GW - das für Photovoltaik auf 100 GW. Hier bezieht sich die Verbandskritik in erster Linie auf die jährlichen Zielkorridore. Der jetzt im Gesetzentwurf festgelegte jährliche Zubau entspreche lediglich dem jetzigen Niveau. Der Bundesverband Solarwirtschaft fordert, im EEG ein jährliches Ausbauziel von 10 GW festzulegen. Damit könnte schon bis zum Jahr 2025 eine installierte Leistung von 100 GW erreicht werden. Kritik gibt es außerdem daran, dass auch kleinere PV-Anlagen auf Gebäuden künftig unter das Ausschreibungssystem fallen sollen.

Wirtschaftliche Unsicherheit würde durch eine neue Regelung geschaffen, wonach keine Marktprämien für Erneuerbare mehr gewährt würden, wenn am Strommarkt für mehr als 15 Minuten negative Preise herrschten. Heute gilt hier eine 6-Stunden-Regel, die laut BEE bereits die Wirtschaftlichkeit des Anlagenbetriebs gefährdet.

Für die Windenergie an Land gebe es in dem Gesetzentwurf keine konkreten Lösungsvorschläge, wie Genehmigungsverfahren beschleunigt werden könnten und weitere Flächen bereitgestellt werden könnten. Und auch für aus der Förderung fallende Anlagen sowie für das Repowering fehle bislang eine Strategie.

Salzstock Gorleben als Atommülllager ungeeignet

In gut zwei Jahren müssen in Deutschland die letzten Atomreaktoren vom Netz gehen. Ungelöst wird bis dahin das Problem der Endlagerung hochradioaktiver Abfälle, wie es ausgediente Brennelemente sind, bleiben. Die Suche nach einem sicheren Endlager für hochradioaktive Stoffe wurde spätestens seit der Verabschiedung eines ersten Standortauswahlgesetzes im Jahr 2013 neu aufgerollt. Die vorherige politische Festlegung auf den Salzstock Gorleben wurde mit diesem Gesetz revidiert und stattdessen von einer weißen Landkarte ausgegangen.

Seit Montagmorgen ist diese Landkarte nicht mehr komplett weiß. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung hat einen Zwischenbericht über geologisch geeignete Teilgebiete in Deutschland vorgelegt. Viel mehr, als dass die geologischen Bedingungen in diesen Gebieten für eine sichere Lagerung geeignet erscheinen, sagt dieser Bericht aber nicht aus. Zu den Bedingungen zählt die Art und Dicke des Tiefengesteins, wobei hier Ton, Steinsalz oder kristallines Gestein als geeignet erachtet werden. Großräumige Störungen der Gesteinsschichten oder seismische Aktivitäten führen wiederum zum Ausschluss.

Der nun veröffentlichte Zwischenbericht samt Landkarte umfasst 54 Prozent der Fläche Deutschlands. Darin eingeschlossen sind zum Teil dicht besiedelte Gebiete, unter anderem auch Teile Berlins. Nicht enthalten ist der ehemalige Salzstock Gorleben, der die geologischen Anforderungen des Standortauswahlgesetzes nicht erfüllt.

Planungswissenschaftliche Grundlagen wie etwa Besiedlungsdichte oder Naturschutz werden erst in einem weiteren Verfahrensschritt Berücksichtigung finden, noch später würde eine übertägige wie untertägige Erkundung folgen. Bis 2031 soll ein Vorschlag für einen Standort erarbeitet sein.

Trotz der Tatsache, dass der Zwischenbericht also nur ein sehr grobes Bild vermittelt, verfiel der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sofort in einen Ablehnungsreflex, erklärte ganz Bayern für geologisch ungeeignet.

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