A49: Polizei beginnt mit Räumung und Rodung

Baumhäuser als Protest gegen den Bau der A49 durch den Dannenröder Forst. Foto (August, 2020): Leonhard Lenz/ CC0 1.0

Dannenröder Forst: Hessens grüner Verkehrsminister lässt Protest abräumen und Bäume fällen

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Im Dannenröder Forst zwischen den hessischen Städten Kassel und Gießen hat pünktlich zum 1. Oktober die Rodung für den Weiterbau der Autobahn A 49 begonnen, wie übereinstimmend unter anderem die Hessenschau und die Besetzer berichten.

Mit schwerem Gerät, martialischer Ausrüstung und großem Aufgebot ist die Polizei angerückt. Fotojournalist Björn Kietzmann berichtet auf Twitter, dass die Beamten wieder einmal massiv die Presse behindern würden, indem sie Journalisten nicht in den Wald lasse, sodass diese die Räumung nicht beobachten könnten.

Auch sein Kollege Jannis Große schreibt von Behinderungen. Offensichtlich wurden aber nach anfänglichem Verbot doch noch Journalisten in den Wald gelassen, die sich dort, so Große, jedoch nicht frei bewegen durften.

Seit Herbst letzten Jahres halten junge Klimaschützer mit Baumhäusern und anderen Maßnahmen den Wald besetzt, um gegen seine Zerstörung und den Weiterbau der A 49 zu protestieren. Der Mischwald besteht aus einem zum Teil bis zu 300 Jahre alten Baumbestand, wobei es sich meist um Buchen und Eichen handelt. Teile des benachbarten Herrenwaldes sollen ebenfalls für den Autobahnbau gerodet werden.

Autobahn-Kritik

Bei Umwelt- und Klimaschützern stößt das auf mehrere Jahrzehnte alten Planungen beruhende Vorhaben auf massive Kritik. Verschiedene Umweltverbände haben immer wieder gegen einzelne Bauabschnitte geklagt, allerdings letztlich erfolglos. Die CDU in der Region hat hingegen seit Jahren die Werbetrommeln gerührt, während zugleich verschiedene örtliche Initiativen immer wieder gegen die Planungen protestierten.

Die Kritiker verweisen zum einen grundsätzlich auf die Klimakrise, mit der ein Autobahnbau nicht mehr vereinbar sei. Das fast vollständig auf Verbrennungsmotoren und Straßen beruhende Verkehrsmodell sei viel zu ressourcenaufwendig und klimaschädlich.

Zum anderen geht es aber um den Schutz eines intakten alten Waldes – fast eine Seltenheit nach annähernd drei Jahren Trockenheit – und eines Flora-Fauna-Habitates, das zum Teil betroffen ist.

Außerdem wird auch die Trinkwasserversorgung in Mitleidenschaft gezogen. Der betroffene Wald beliefert eine ganz Region. Der zuständige Wasserzweckverband muss Brunnen aufgeben, neue bauen bzw. alte wieder in Betrieb nehmen. Eine Million Euro werden dafür ausgegeben.

Trotz der Kritik der Umweltschützer hatten sich die Grünen im Dezember 2018 in ihren Koalitionsvertrag (Zeile 6565) mit der CDU auf den Bau festgelegt. Angesichts der heute begonnenen Räumung des Waldes versucht sich allerdings ihre Landtagsfraktion auf Twitter damit herauszureden, dass die Verantwortung für den Autobahnbau beim Bundesverkehrsminister liege.

Grünes Desaster

Der Koalitionsvertrag trägt auch die Unterschrift der jetzigen grünen Landesumweltministerin Priska Hinz. Ihre Pressesprecherinnen und -sprecher lassen seit nunmehr neun Werktagen eine von Telepolis per Email geäußerte Bitte um Stellungnahme unbeantwortet.

Für die Grünen verspricht die Räumung derweil zu einem grandiosen politischen Desaster zu werden. Die Besetzer weisen unter anderem darauf hin, dass nach dem letzten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts über den A-49-Bau die hessische Umweltministerin dem Vorhaben die wasserrechtliche Genehmigung entziehen könnte, diese dies aber offensichtlich nicht wolle. In der zeitgleich zur Räumung stattfindenden Landtagsdebatte, gab es hingegen für die Grünen dickes Lob von der FDP.

Herbe Kritik an der Räumung und der Rolle der grünen Minister – einer der führenden Köpfe des Landesverbandes, Tarek Al-Wazir, ist der zuständige Landesverkehrsminister – kommt unter anderem von Fridays for Future, vom Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz, von der Linksfraktion im hessischen Landtag, von anderen Anti-Autobahn-Initiativen aus verschiedenen Ecken der Republik und selbst von der Grünen Jugend.

Die Klimaliste Deutschland, ein Zusammenschluss lokaler und regionaler Initiativen, die den Grünen bei den anstehenden Wahlen Konkurrenz machen wollen, fühlt sich derweil bestätigt.

Neue Proteste

Für kommenden Sonntag ruft ein Bündnis aus Umweltverbänden, Klimaschützern und lokalen Initiativen zu einer weiteren Demonstration gegen Rodung und Autobahnbau auf.

"Die Pläne für die A49 sind 40 Jahre alt – und angesichts von Klimakrise, Dürre und Waldsterben völlig aus der Zeit gefallen. Wir brauchen keine neuen Autobahnen, sondern den konsequenten Ausbau von Schienenverkehr und ÖPNV. Nur mit einer echten Verkehrswende können wir die Klimakrise noch aufhalten."
Aus dem Aufruf des BUND und anderer zu Protesten am kommenden Wochenende

Unterdessen wirft ein neuer Vorfall in Polizeikreisen ein Schlaglicht auf das Personal, dass die Räumung im Dannenröder Forst durchsetzt. Dieser Tage ist erneut ein rechter Chat unter Polizeibeamten aufgeflogen, wie der Sender ntv berichtet. Rassistisches und rechtsextremes Gedankengut sei geteilt worden.

Die Polizeibehörde habe ein Strafverfahren eingeleitet. Mehr als 25 Beamte seien an der Gruppe beteiligt gewesen und haben offenbar zumindest weggeschaut, wenn zum Beispiel Flüchtlinge mit Ratten und Vergewaltigern gleichgesetzt wurden. Auch ein Vorgesetzter sei involviert.

Diesmal war es die Berliner Polizei, aber auch in diversen anderen Bundesländern sind in letzter Zeit rechte Netzwerke aufgeflogen. Und zwar ohne dass bisher systematisch gesucht worden wäre. Erst am gestrigen Mittwoch war im nordrhein-westfälischen Bielefeld die Wohnung eines Polizisten durchsucht worden, der im Verdacht steht, rechtsextremistische Propaganda verbreitet zu haben.