Venezuela: Doch kein Gold für Juan Guaidó

Bild: Dmitry Bayer/Unsplash

Berufungsgericht in London hebt Urteil des Obersten Gerichtes zu venezolanischen Einlagen bei der Bank of England auf

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Das Tauziehen um venezolanische Goldeinlagen in Höhe von rund 900 Millionen Euro bei der Bank of England geht in eine neue Runde. Am Montag hat ein Berufungsgericht in London ein früheres Urteil des Obersten Gerichtshofs aufgehoben, das den Goldschatz in den Tresoren der Bank of England Anfang Juli dem selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó zugesprochen hatte. Dabei geht es auch und etwa 120 Millionen Euro aus einem Gold Swap zwischen der venezolanische Regierung und der Deutschen Bank.

Das Berufungsgericht gab der vom venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro unterstützten Berufung der Zentralbank Venezuelas (BCV) statt und annullierte das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 2. Juli. Darin war Guaidó das Gold unter Verweis auf dessen Anerkennung durch die britische Regierung als "verfassungsmäßiger Interimspräsident Venezuelas" zugesprochen worden.

Bereits im Mai hatte die BCV die Bank of England (BoE) verklagt, um die Kontrolle über das Gold zurückzuerlangen. Nach eigenen Angaben sollen die Einlagen verkauft werden, um Maßnahmen der Regierung Maduro gegen die Coronavirus-Pandemie zu finanzieren. Die BoE weigerte sich aber, das Gold freizugeben, nachdem die britische Regierung Anfang 2019 neben rund 50 meist westlichen Staaten und rechtsgerichteten lateinamerikanischen Regierungen Guaidós Selbsternennung anerkannt hatte.

Diese Staaten übernahmen damit zugleich die Argumentation der venezolanischen Opposition, Maduro habe seinen Wahlsieg im Vorjahr nur durch Manipulation erreicht, wodurch Guaidó als Parlamentspräsident an seine Stelle trete.

Nach dem Urteil des Berufungsgerichtes wird der Fall an den High Court zurückverwiesen. Die Richter dort müssen nun deutlicher ausführen, weshalb Guaidó oder Maduro die Verfügungsgewalt über die Zentralbank und die Goldreserven haben. Konkret gelte es zu klären, ob "die britische Regierung Herrn Guaidó in allen Bereichen und daher Herrn Maduro in keinem Bereich als Präsident anerkennt". Und ob die britische Regierung Maduro, der die uneingeschränkte Regierungsgewalt ausübt, nicht doch einige Befugnisse zugesteht.

Dass diese Fragen in London vor Gericht geklärt werden müssen, mutet zwar skurril an, hat aber vor allem mit dem britischen Rechtsverständnis zu tun. Die sogenannte One-Voice-Doktrin hält britische Gerichte an, in solchen politischen Beurteilungen der Regierung zu folgen. Insofern hat sich der High Court im Juli auch nicht für Guaidó ausgesprochen.

Er war schlichtweg einer Erklärung des damaligen britischen Außenministers Jeremy Hunt gefolgt, der am 4. Februar - unmittelbar nach der Selbsternennung Guaidós - bekanntgab, Großbritannien erkenne ihn als "verfassungsmäßigen Interimspräsidenten" an. Dass Guaidó seither immer mehr an politischer Bedeutung verloren hat und Maduro seine Regierungewalt sichern konnte, ist nun also nicht mehr nur ein Problem der britischen Regierung.

Die BCV hatte ihrerseits bereits im April erklärt, dass der Erlös aus dem angestrebten Verkauf des Goldes direkt an das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen überwiesen werden solle, um humanitäre Hilfe, Medikamente und Ausrüstung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu beschaffen. Die Opposition um Guaidó hielt dem entgegen, Präsident Maduro wolle das Geld zur Bezahlung seiner ausländischen Verbündeten verwenden - ohne dafür aber Belege anzuführen. Zudem wäre die Überweisung des Verkaufserlös an die UN Teil eines möglichen Deals.

Die venezolanischen Goldreserven sind die Haupteinnahmequelle der Regierung von Präsident Maduro, der US-Sanktionen und eine schwere Wirtschaftskrise heftig zusetzen. Von den ehemals 360 Tonnen Goldreserven sind nach Medienberichten nur noch 130 Tonnen übrig. Ein Teil davon lagert in den Tresoren der Bank of England.

Der Rechtsstreit um den Goldschatz ist nicht nur für das geschichtsträchtige britische Kreditinstitut unangenehm, sondern auch für Führung von Ministerpräsident Boris Johnson und andere Regierungen, die Guaidó anerkannt haben. In Deutschland ließ der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags keinen Zweifel daran, dass diese auch vom Auswärtigen Amt geteilte Entscheidung im Widerspruch zum Völkerrecht steht. Die Bundesregierung habe sich "in einer strittigen Frage des venezolanischen Verfassungsrechts" positioniert, hieß es in einem entsprechenden Gutachten vom Februar 2020.

Dies erscheine unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates völkerrechtlich "ebenso fragwürdig wie die vorzeitige Anerkennung eines Oppositionspolitikers als Interimspräsidenten, der sich im Machtgefüge eines Staates noch nicht effektiv durchgesetzt hat", so die damalige Bewertung.