OPCW: Nawalny wurde mit einem Cholinesterasehemmer vergiftet

Bild Alexey Nawalny: Evgeny Feldman / CC-BY-SA-4.0

Die "toxische Chemikalie" ist zwei Nowitschok-Verbindungen ähnlich, die kürzlich auf die OPCW-Liste gesetzt wurden, aber nicht selbst dort gelistet

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Das Technische Sekretariat der OPCW, das von der Bundesregierung um technische Hilfe bei der Identifizierung des Gifts gebeten wurde, das Alexei Nawalny auf dem Flug von Tomsk nach Moskau am 20. August zusammenbrechen ließ, hat nun eine öffentliche Erklärung über die Ergebnisse der Untersuchung veröffentlicht.

Die OPCW hat, wie verlautbart wird, am 5. September ein Team nach Berlin in die Charité geschickt, um biomedizinische Proben zu nehmen. Betont wird, dass die deutschen Behörden der OPCW "keine weiteren Informationen" gaben. Am 6. September war das Team in der Charité, stellte Nawalnys Identität über einen Ausweis mit Bild, das die deutschen Behörden präsentierten, fest und beobachteten dann, wie das Charité-Personal Blut- und Urinproben nahmen. Diese wurden dann unter Kontrolle der OPCW zum OPCW-Labor gebracht.

Wie die OPCW schreibt, übergab das Labor aufgrund des Auftrags von Deutschland zwei von der OPCW lizenzierte Labors, die vom Generaldirektor ausgewählt wurden. Damit klärt sich auch auf, wie die Labors aus Schweden und Frankreich eingeschaltet wurden. Ungeklärt ist, ob die OPCW noch weitere Labors unabhängig einbezogen hat:

Die Ergebnisse der Analyse der biomedizinischen Proben durch die von der OPCW beauftragten Labors zeigen, dass Herr Nawalny einer toxischen Chemikalie ausgesetzt war, die als Cholinesterasehemmer wirkt. Die Biomarker des Cholinesterasehemmer, die in Herrn Nawalnys Blut und Urin gefunden wurden, besitzen ähnliche strukturelle Eigenschaften wie die toxischen Chemikalien 1.A.14 und 1.A.15, die im November 2019 dem Annex mit Chemikalien durch die 24. Sitzung der Konferenz der Mitgliedsstaaten hinzugefügt wurden. Dieser Cholinesterasehemmer ist in dem Annex mit Chemikalien des Abkommens nicht gelsitet.

OPCW

Die Biomarker wurden von der OPCW nicht veröffentlicht, ebenso wenig die Verbindung des Cholinesterasehemmers. Wenn dieser ähnliche strukturelle Eigenschaften wie die beiden genannten Chemikalien hat, dann könnte es sich um eine Nowitschok-Verbindung handeln, von denen es Dutzende gibt. Die analysierte Verbindung ist offenbar nach dem Chemiewaffenabkommen nicht offiziell verboten. Wie schon im Skripal-Fall, wo es sich angeblich um Nowitschok A234 (1.A.14) gehandelt haben soll, verwendet die OPCW diese Bezeichnung nicht, ebenso wenig spricht sie direkt von einer Chemiewaffe, sondern wieder unbestimmt von einer toxischen Chemikale. Es wird auch in dem veröffentlichten Bericht nichts darüber gesagt, woher das Gift stammt.

OPCW-Generaldirektor Fernando Arias erklärte, der Befund gebe Anlass zu schwerwiegenden Besorgnissen. Die Mitgliedsstaaten hätten die Verwendung von Chemiewaffen durch jeden unter allen Umständen als verwerflich und als völlig im Widerspruch zu den legalen Normen der internationalen Gemeinschaft erklärt.

Die Bundesregierung sieht sich bestätigt. Die OPCW habe "erneut den zweifelsfreien Nachweis" erbracht, "dass Alexej Nawalny Opfer eines Angriffs mit einem chemischen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe geworden ist. Dieser nicht öffentlich bekannte Nervenkampfstoff ist von Seiten der OVCW bislang nicht amtlich gelistet worden".

Die Bundesregierung will den detaillierten OPCW-Bericht prüfen, ob weitere Informationen veröffentlicht werden sollen, was wohl bedeutet, dass man dies wohl nicht vorhat. Es dürfte da auch um die Rechtshilfeersuchen Russlands gehen, das Deutschland um detaillierte Informationen gebeten hat, aber bislang nichts erhalten haben will. Überdies hat Russland bei der OPCW ein offizielles Ersuchen um Klarstellung gestellt. Bei der Weitergabe oder Veröffentlichung von Informationen sowie bei der Frage der amtlichen Listung spielt, so erklärt die Bundesregierung, "die Bewertung von Proliferationsrisiken eine wesentliche Rolle. Es darf kein Wissen über die gefährliche Substanz in falsche Hände geraten können." War also auch die Listung der Nowitschok-Verbindungen falsch oder soll nur jetzt diese strukturell ähnliche Verbindung unter Verschluss bleiben.

Und schließlich folgt noch das bekannte Mantra: "Die Bundesregierung erneuert ihre Aufforderung an Russland, sich zu den Geschehnissen zu erklären."