Nach der Krise: Kohledämmerung

Bild: Amol Pande, Pexels

IEA-Ausblick bis 2030 zeigt tiefes Tal für die Weltwirtschaft und sonnige Perspektiven für die Energieversorgung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris hat am Dienstag ihren diesjährigen Ausblick, den World Energy Outlook 2020, veröffentlicht. In einer Presseerklärung heißt es bei der bisher außerordentlich öl-freundlichen Einrichtung dazu:

"In Zeiten großer, durch die Pandemie verursachten Verwerfungen und Unsicherheiten braucht es einer Welle gut überlegter Strategien, um die Welt auf den Weg zu einem widerstandsfähigen Energiesystem zu bringen, dass sich mit den Klimazielen verträgt."
IEA, Paris

Wie dies aussehen könnte und wie sehr aber auch die hiesige Politik noch davon entfernt ist, hatten am gleichen Tag eine Erklärung der Jugendbewegung Fridays for Future und eine Studie des Wuppertal Instituts für Klima Umwelt, Energie gezeigt, über die Telepolis berichtet hat.

Die IEA geht derweil für 2020 davon aus, dass die weltweite Nachfrage nach Energie um fünf und die energiebedingten Treibhausgasemissionen um sieben Prozent zurückgehen werden. Die Investitionen in den Energiesektor werden nach Ansicht der Agentur gar um 18 Prozent niedriger als im Vorjahr ausfallen. Viel werde davon abhängen, mit welchen Strategien die Weltwirtschaft aus diesem Tal wieder hinausklettert.

Solar wird König

Die IEA rechnet für die nächsten zehn Jahre verschiedene Szenarien sowohl der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – Worst-case-Annahme: Erholung braucht bis 2023 – und des Energiemixes durch. Alle gehen jedoch von einer wichtigen bis herausragenden Rolle der erneuerbaren Energieträger und hier insbesondere der Solarenergie oder Fotovoltaik aus.

In den meisten Ländern sei Strom aus neuen Solaranlagen inzwischen günstiger als die Produktion mit neuen Kohle- oder Gaskraftwerken. Unterstützung aus der Politik und günstige Kreditbedingungen – die wichtigsten Kapitalmärkte werden gegenwärtig und sicherlich noch auf absehbare Zeit von zum Teil extrem niedrigen Zinssätzen geprägt – ließen daher eine rasche Expansion erwarten.

"I see solar becoming the new king of the world’s electricity markets. Based on today’s policy settings, it is on track to set new records for deployment every year after 2022. (…) If governments and investors step up their clean energy efforts in line with our Sustainable Development Scenario, the growth of both solar and wind would be even more spectacular – and hugely encouraging for overcoming the world’s climate challenge."
Fatih Birol, Geschäftsführender Direktor der IEA

In dem zitierten Szenario nachhaltige Entwicklung würden die jährlichen globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 um rund zehn Milliarden Tonnen oder etwa 27 Prozent gegenüber dem 2019er Niveau abnehmen. Der Zubau an Solaranlagen würde von derzeit etwas 100 Gigawatt (GW) jährlich in den nächsten fünf Jahren auf durchschnittlich knapp 200 GW per annum anwachsen und im darauffolgenden Jahrfünft auf etwa 275 GW pro Jahr.

Der Bau neuer Windkraftanlagen würde von derzeit gut 50 GW/Jahr in den kommenden Jahren auf 100 und dann auf etwa 140 GW/Jahr anwachsen. Sowohl bei Wind als auch bei Solar würde das Gros das Neubaus wie schon zuletzt in Asien erfolgen, wobei Indien eine wichtigere Rolle als bisher einnehmen und in der Solarenergie zur Nummer zwei hinter China werden könnte.

Ein Ende ist absehbar

Schlechte Aussichten prognostiziert die IEA derweil für die fossilen Energieträger. Die Kohle werde sich von der Corona-Krise nicht erholen und weiter an Bedeutung abnehmen. Erdöl werde in 2020er Jahren seinen Nachfragehöhepunkt erreichen, der bei verzögerter wirtschaftlicher Erholung evetuell nicht einmal das Niveau von 2019 überschreiten würde.

Vermutlich wird das allerdings kein gradliniger Prozess sein. Der Ölpreis befindet sich weiter auf extrem niedrigen Niveau, was Investition in neue Felder und Bohrungen unattraktiv macht. Nach einem kurzen Absturz im April oszilliert er nun zwischen 37 und 43 (WTI) bzw. 39 und 45 (Brent) US-Dollar pro Barrel (159-Liter-Fass).

Da sich aber bestehende Bohrungen relativ rasch erschöpfen, kann das Fördervolumen nur mit der ständigen Erschließung weiterer Ressourcen aufrecht erhalten werden. Bleiben diese aus, wird es bei gleichbleibender Nachfrage irgendwann zur Verknappung kommen. Zieht die Nachfrage wieder an, so geschieht dies schneller.

Andererseits haben Erkundung und Erschließung einen Vorlauf von mehreren Jahren, so dass auch bei einem erhöhten Preis die Verknappung nicht unbedingt durch verstärkte Förderung sofort zu beheben wäre.

Große Unbekannte in dieser Rechnung ist allerdings, wie stark und wie lange die wichtigsten Förderländer wie die USA, Kanada, China, Russland und Saudi Arabien die Förderung bei wieder steigender Nachfrage ausdehnen könnten.

Im Falle der USA und Kanada kommt außerdem hinzu, dass die dortigen Fracking-Öl und Ölsand-Vorkommen beim gegenwärtigen Preis kaum profitabel auszubeuten sein werden. Aus Sicht von Klima und Umwelt hat der niedrige Ölpreis also durchaus auch positive Seiten.

Die IEA wurde 1974 unter dem Eindruck der Ölkrise des Vorjahres von der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD gegründet, um die internationalen Energiemärkte zu beobachten. Der OECD gehören heute neben den – weiter die Organisation dominierenden – westlichen Industriestaaten auch Newcomer wie Südkorea und Schwellenländer wie Mexiko an.