Bayern: Maskenpflicht im Büro und englische Verhältnisse beim Bier

Symbolbild: TP

Söders neuer Coronamaßnahmenkatalog enthält eine Maskenpflicht für viele Arbeitsstätten, während eine im WHO-Bulletin erschienene Studie bei den Sterberaten zurückrudert

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Gestern veröffentliche die Bayerische Staatsregierung neue Anti-Corona-Vorschriften für den Freistaat. Sie enthalten eine vorher so nicht erwartete Verschärfung für viele Arbeitnehmer, die in Büros in Kommunen tätig sind, in denen die Zahl der positiven Sars-CoV-2-Tests pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen über 35 lag: Ist in solchen Büros ein Mindestabstand zum Kollegen von mindestens eineinhalb Metern "nicht zuverlässig" garantiert, gilt die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ebenso wie bayernweit in der U-Bahnen und in Geschäften.

Brillenträger und Biertrinker

Für viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist das unter anderem deshalb eine schlechte Nachricht, weil sich solche Masken schlecht mit Sehbehinderungen vertragen. Dass Brillen durch die nach oben abgeleitete feuchte und warme Luft beim Ausatmen beschlagen und ständig abgewischt werden müssen, senkt potenziell nicht nur die Konzentration und das Wohlbefinden, sondern auch die Arbeitsproduktivität. Antibeschlagmittel schaffen hier nur sehr bedingt Abhilfe - deutlich besser hilft das Festkleben der Maskenoberseite mit Transpore-3M-Fixierpflaster, wie es Chirurgen bei Operationen einsetzen.

Möchte sich ein bayerischer Büroangestellter nach acht Stunden Brillenputzen bei ein paar Bier erholen, muss er das in Kommunen, in denen die Zahl der positiven Sars-CoV-2-Tests pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen über 50 lag, bis spätestens 21 Uhr 59 hinter sich bringen. Danach gilt dort nämlich eine vorgezogene Corona-Sperrstunde, bis zu der alle Gäste das Lokal zu verlassen haben. In München führte diese Sperrstunde bereits in der jüngsten Vergangenheit zu "englischen Verhältnissen", bei denen sich Gäste zur letzten Runde noch mehrere Bier bestellen und diese sehr schnell austrinken.

Andere Bayern scheinen sich eher auf das Trinken zuhause zu verlegen, was nicht immer konfliktfrei verläuft: Im Markt Kaisheim musste die Polizei am 8. Oktober einen Streit schlichten, weil ein Ehemann (sic) nur Mineralwasser, aber kein Bier eingekauft hatte. Darüber kam es zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung, während der die Ehefrau (sic) den Notruf wählte "und die Polizisten bat, während ihrer Fahrt doch noch einige Biere mitzubringen". "Dem", so der Hellweger Anzeiger, sei von den Polizisten aber "nicht Folge geleistet worden": "Auch dem Wunsch der Frau […], ihren Mann körperlich [zu] züchtigen", kamen die Beamten der Donauwörther Polizeiinspektion ihren eigenen Angaben zufolge nicht nach.

Tschechien: Straßenschlacht zwischen Maßnahmengegnern und der Polizei

Die "Auseinandersetzungen über Regeln" im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie werden dem stellvertretenden Gewerkschaft-der-Polizei-Chef Jörg Radek nach "immer aggressiver geführt", wenn auch generell noch auf verbaler Ebene. In Tschechien kam es dagegen gestern bereits zu Straßenschlachten zwischen Maßnahmengegnern und der Polizei.

Gegner der Maßnahmen untermauern ihre Zweifel daran unter anderem mit einer im Bulletin der Weltgesundheitsorganisation WHO veröffentlichten neuen Metastudie, für die der Stanford-Epidemiologe John P. A. Ioannidis 61 Antikörperstudien aus aller Welt ausgewertet hat. Ioannidis kommt in dieser Metastudie auf lediglich 0,23 Prozent der Sars-VoV-2-Infizierten, die an diesem Virus sterben.

Damit wäre die Seuche zwar mindestens mehr als zwei Mal so tödlich wie eine reguläre Grippe, aber nicht dreißig Mal. Die Sterblichkeit verteilt sich auf verschiedene Altersgruppen allerdings extrem unterschiedlich, wie australische Epidemiologen in einer noch nicht publizierten weiteren neuen Studie bekräftigten (die von einem Faktor 16 bis 20 ausgehen). Ihr zufolge erliegen bei den 55-Jährigen 0,4, bei den 65-Jährigen 1,3, bei den 75-Jährigen 4,2 bei den 85-Jährigen 14 und bei den 90-Jährigen 25 Prozent der Infizierten der Pandemie.

Motiv des Ministerpräsidenten?

Söder setzt trotz solcher Studien auf eine weitere Verschärfung der Maßnahmen. Warum er das tut, ist Gegenstand von Spekulationen. Eine Möglichkeit ist, dass der mit einer Arbeit über die Kommunalgesetzgebung im rechtsrheinischen Bayern zwischen 1802 und 1818 promovierte Jurist das Leben gefährdeter älterer Menschen so hoch (oder andere Rechtsgüter so niedrig) gewichtet, dass ihm die Entscheidung verhältnismäßig erscheint. Eine andere Möglichkeit ist, dass dabei auch Machtfragen eine Rolle spielen.

Immerhin debattiert man in der Union gerade intensiv, wer die beiden Schwesterparteien bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr als Kanzlerkandidat anführen soll. Da könnte es sein, dass sich Söder nach einer erschöpfenden Schlacht zwischen Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen auf die Rolle als lachender Vierter einstellt, auch wenn er jetzt noch öffentlich eher (aber nicht zu sehr) abwinkt. Darauf hindeuten würde das öffentliche Anschmiegen des bekannt wendigen Politikers zur angeblich scheidenden, aber immer noch sehr eingriffigen Bundeskanzlerin Angela Merkel.

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