"Im Grunde dazu bereit, das ganze Atomarsenal einzufrieren"

Grafik: TP

Russland und die USA haben sich in der Frage der New-START-Verlängerung angenähert

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am 5. Februar 2021 läuft der 2010 von den USA und Russland geschlossene New-START-Vertrag zur Begrenzung strategischer Atomwaffen aus. Gut drei Monate vor diesem Termin - und knapp zwei Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl - hat der amerikanische Außenminister Mike Pompeo nun verlautbart, "dass sich die Unterhändler der USA und Russlands möglichst schnell treffen [werden], um die Verhandlungen [über eine Verlängerung] vorwärtszubringen und den Vertrag [über diese Verlängerung] abzuschließen". Zur Begründung führte der ehemalige CIA-Chef an, Moskau habe sich "im Grunde dazu bereit erklärt, sein ganzes Atomarsenal einzufrieren", und darüber sei man in Washington "sehr froh".

"Produktive Verhandlungen über alle anstehenden Fragen"

So ein Einfrieren hatte der russische Staatspräsident Wladimir Putin zuvor als Zugeständnis für eine einjährige Verlängerung ohne weitere amerikanische Bedingungen in Aussicht gestellt. Während dieses Jahres könnten dann "produktive Verhandlungen über alle anstehenden Fragen" geführt werden.

Diese "anstehenden Fragen" hatten vorher die USA in Form von Forderungen für eine Verlängerung ins Spiel gebracht. Eine dieser Forderungen war, mit einem neuen Nachfolgevertrag auch taktische Atomwaffen zu erfassen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte dazu öffentlich verlautbart, bevor "diese Waffenkategorie in die Diskussion über deren Verringerung einbezogen" werde, müssten die Amerikaner ihre Raketen mit taktischen Atomsprengköpfen aus Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Italien und der Türkei "auf ihr Territorium zurückholen".

China

Gegenüber drei anderen amerikanischen Forderungen - der Aufnahme interkontinentaler ballistischer Raketen, der Aufnahme von U-Boot-Raketen und der Aufnahme von strategischen Bombern - zeigte sich die russische Seite offener. Und auf eine vierte amerikanische Forderung hat sie keinen direkten Einfluss: Washington möchte nämlich auch das chinesische Atomwaffenarsenal vertraglich begrenzen, was Peking bislang strikt ablehnt.

Marshall Billingslea, der amerikanische Sonderbeauftragte für Abrüstungsfragen, hatte in einem Interview mit der japanischen Zeitung Nikkei im August durchblicken lassen, dass Washington von Moskau erwartet, auf die chinesische Staatsführung einzuwirken. Schließlich betreffe ein Ausbau des chinesischen Atomarsenals langfristig auch "die Sicherheit Russlands", weshalb eine "Zusammenarbeit Chinas im Abrüstungsbereich" im "gemeinsamen Interessen Russlands und der USA" liege. Gelänge ein trilateraler Vertrag nicht sofort, könne man aber erst einmal den bilateralen verlängern, um Zeit zu gewinnen.

"Bedeutung für viele andere Länder"

Diese kurze bilaterale Verlängerung ist durch Putins Zugeständnis, den russischen Bestand nicht zu vergrößern, nun wahrscheinlicher geworden. Dass er dazu bereit ist, begründete der russische Staatspräsident in einer Sitzung des Sicherheitsrats der Russischen Föderation mit der "Wichtigkeit des Abrüstungsabkommens für die globale Sicherheit" und der "Bedeutung für viele andere Länder". Seinen Worten nach hat das Abkommen "in der Vergangenheit gut funktioniert und seine fundamentale Rolle zur Beschränkung und Verhinderung des Wettrüstens sowie in der Rüstungskontrolle erfüllt".

Außenminister Lawrow, den Putin mit der Ausarbeitung des Angebots an Washington beauftragt hatte, ergänzte, dass man ohne eine Verlängerung "ohne irgendein Instrument bleiben würde, welches zumindest einige gemeinsame Ansätze zur Aufrechterhaltung der strategischen Sicherheit gewährleistet". Denn aus dem INF-Vertrag hätten sich die Amerikaner ja schon verabschiedet.

Dieser 1987 zwischen Ronald Reagan und Michail Gorbatschow geschlossene Vertrag zur Begrenzung atomarer Mittelstreckenwaffen lief am 2. August 2019 ohne Verlängerung aus. Vor seiner Kündigung hatten die US-Staatsführung und die NATO Russland vorgeworfen, mit Tricks gegen den Sinn dieses Abkommens zu verstoßen. Die russische Seite bestritt das und warf ihrerseits den Amerikanern eine Vertragsverletzung vor (vgl. INF-Streit zwischen Russland und NATO).

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow beschuldigte die USA darüber hinaus, mit den Vorwürfen die "wahren Ziele zum Austritt aus dem INF-Vertrag durch die USA zu tarnen". Damit spielte er auf China an, das in den 1980er Jahren nicht zu den Supermächten gehörte. Deshalb konnte das Reich der Mitte Mittelstreckenwaffen entwickeln und aufstellen, ohne dabei durch das INF-Abkommen eingeschränkt zu werden.

Diese Vermutung bestätigte der amerikanische Verteidigungsminister Mark Esper kurz darauf indirekt, als er ankündigte, die USA wollten nun konventionelle (also nicht nuklear bestückte, aber vorher trotzdem vertraglich verbotene) Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite von bis zu 5000 Kilometer "in Asien" stationieren (vgl. USA-China: Raketenstreit folgt Handelsstreit). Für China sollte diese Ankündigung Espers Worten nach "keine Überraschung sein". Ihm zufolge sind etwa 80 Prozent des chinesischen Arsenals Raketen, die der INF-Vertrag verboten hätte. Deshalb wollten die Amerikaner nun ebenfalls mit solchen Waffen abschrecken.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.