Spanien erneut im Corona-Alarmzustand

Ein einzelner Fischer am Barceloneta-Strand. Foto: Ralf Streck

Nachdem zunächst der Gesundheits-Alarmzustand schon für Madrid verhängt worden war, wurde der nun auf das gesamte Land ausgeweitet

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Wie groß die Probleme im spanischen Staat sind, wo man sich wie vergangene Woche lieber mit unnützen Streits beschäftigt hatte, zeigte sich am Sonntag. Nachdem der Corona-Alarmzustand gerade erst Ende Juni - voreilig - aufgehoben worden war, musste die Regierung von Pedro Sánchez sie angesichts explodierender Neuinfektionen, Einlieferungen in oft überlastete Hospitäler und steigender Todeszahlen den Alarmzustand wieder erklären.

Allein am Freitag waren wieder 231 Tote gemeldet worden, 655 in der vergangenen Woche mit weiter steigender Tendenz. Die Mehrzahl davon fanden sich mit 131 in der Hauptstadtregion Madrid. Aber auch im ebenso von der Rechten regierten Andalusien steigen die Zahlen deutlich. Dort waren es 117. Dahinter kommen Kastilien und Leon mit 116 - die Regionen um die Hauptstadt sind eine besonders betroffene Zone.

Allerdings, anders als im absurden Alarmzustand im März, wird nun kein Lockdown verordnet, sondern nur eine nächtliche Ausgangssperre wie in Frankreich. Die Regionen können sie in einem bestimmten Rahmen anpassen. Die dürfen, was man zum Beispiel Katalonien im Frühjahr verweigert hatte, auch die Region oder Teile davon absperren. Mit gezielteren Maßnahmen soll ein zweiter Lockdown verhindert werden. Ob das klappt, wird sich zeigen, weil man wieder einmal viel zu spät in Madrid reagiert hat.

Barcelona: Die leere Ramblas. Foto: Ralf Streck

Etwas scheint die Zentralregierung und ihre überforderten Krisenstrategen aber doch inzwischen gelernt zu haben. So wurde, wenngleich ebenfalls viel zu spät, gegen den Willen der von rechtsextremen unterstützten Regionalregierung der Hotspot Madrid schon vor zwei Wochen abgeriegelt, allerdings auch mit keiner durchschlagenden Wirkung, denn die Abriegelung war löchrig.

Viel genutzt hat das wohl ohnehin nichts mehr, da aus der Region, in der lange nichts oder wenig unternommen worden war, wenig Tests durchgeführt und Zahlen massiv geschönt worden waren, das Virus längst über den Sommer wieder weit und breit im ganzen Land und Europa verteilt werden konnte.

Allgemein gilt nun eine obligatorische nächtliche Ausgangssperre zwischen 23 Uhr und 6 Uhr morgens. Die Regionen können sie auch vorziehen, so gilt sie in Katalonien schon seit Sonntag ab 22 Uhr. Bei dem Alarmzustand "à la carte", wie Medien ihn bezeichnen, kann die Ausgangssperre auch zwischen 5 Uhr und 7 Uhr in der Früh variieren. Ob sie viel bringt, wenn in Madrid zum Beispiel weiterhin die Kneipen, Bars und Restaurants geöffnet sind - in Katalonien sind sie schon seit einer Woche geschlossen - wird sich zeigen müssen.

Kneipen sind geschlossen. Foto: Ralf Streck

Spanien hat mehrere traurige Rekorde aufgestellt. Auch offiziell haben sich im Land schon mehr als eine Million Menschen infiziert. Regierungschef Sánchez gibt sogar zu, dass es vermutlich sogar schon drei Mal so viele sind. Auch bei der Zahl der Corona Toten ist Spanien aller Wahrscheinlichkeit nach der Spitzenreiter, da die offiziellen Zahlen auch hier geschönt sind. Tausende alte Menschen waren nie getestet worden. Real verzeichnet Spanien in Europa aber die höchste Übersterblichkeit.

Leere auch am Hafen von Barcelona. Foto: Ralf Streck

Das Statistikamt (INE) weist eine Übersterblichkeit von fast 58.000 aus, das sind 23.000 mehr als offiziell als Covid-Fälle registriert sind. Klar ist, dass nicht alle 23.000 auf die Rechnung des Virus gehen, aber viele auf die Rechnung der Pandemie, da in überlasteten Intensivstationen auch Menschen nach Unfällen, Herzinfarkten… gestorben sind, weil sie nichtmehr adäquat versorgt werden konnten.

Ministerpräsident Sánchez will sich den Alarmzustand, der zunächst nur für zwei Wochen gilt, im Parlament bis zum 9. Mai genehmigen lassen. "Spanien ist ein einer extremen Lage", meint Sánchez. Doch ob seine Minderheitsregierung die nötige Unterstützung dafür bekommt, wird sich zeigen.

Foto: Ralf Streck

Er braucht dafür auch Stimmen von katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern, denen er weiter den versprochenen Dialog verwehrt und sie weiter mit Repression überzieht überzieht.

In unzähligen Verfahren werden fast 3.000 Katalanen angeklagt. Immer wieder legt sein Ministerium für Staatsanwaltschaft gegen geringe Strafen oder Freisprüche Rechtsmittel ein, statt die Lage zu beruhigen. Deshalb hat das Land auch noch immer keinen Haushalt und Sánchez regiert noch immer mit dem der konservativen Vorgänger und wird immer deutlicher als "gescheiterter Staat" wahrgenommen.