A49: Besuch für die Grünen

Transparent bei Dannenrod zur Erhaltung des Waldes, August 2020. Foto:
Leonhard Lenz/ CC0

Autbahngegner besetzen Bundesgeschäftsststelle der einstigen Öko-Partei

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Die Bundeszentrale der Grünen hat am Mittwochmorgen Besuch der besonderen Art bekommen. Gegner des Autobahnbaus in Mittelhessen besetzten die Büroräume in Berlin Mitte unweit des Hauptbahnhofs. "Autopartei? Nein Danke" war einige Zeit an einem der Balkone des Gebäudes weithin sichtbar zu lesen.

Die Aktion richtete sich gegen den Weiterbau der A49 zwischen Kassel und Gießen. Seit rund vier Wochen wird dafür im Dannenröder Forst, wie mehrfach berichtet, gegen hinhaltenden Widerstand von Besetzern und Demonstranten gerodet.

Wer Autobahnen baue, ignoriere die "Grausamkeit der Klimakrise", heißt es in einer von den Besetzern verbreiteten Pressemitteilung. Die Aktion sei eine Gemeinschaftsaktion von Fridays for Future Berlin, Ende Gelände, den Anti-Kohle-Kidz und Sand im Getriebe Berlin. Letzteres ist ein Aktionsbündnis, das sich mit Mitteln des zivilen Ungehorsams für eine grundlegende Verkehrswende einsetzt.

Über 1.000 Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet sind seit Wochen im Einsatz und ihre Vertreter beklagen sich über unzumutbare Arbeitsbedingungen, Angriffe durch Demonstranten und eine "latente Gefährdung durch Covid-19". Die Berliner Besetzer werfen der schwarz-grünen hessischen Landesregierung hingegen eine eskalierende Polizeistrategie vor. Die Grünen würden diese mittragen, um dem Koalitionspartner zu gefallen.

Telepolis hatte bereits gestern auf eine juristische Stellungnahme hingewiesen wonach der hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al Wazir von den Grünen noch Rechtsmittel hätte, die Rodungsarbeiten zu stoppen.

"Grüne verraten Klimaziele"

Diese finden immerhin in einem Wasserschutzgebiet statt und unter anderem hat das bisherige Genehmigungsverfahren die große Trockenheit der letzten Jahre nicht berücksichtigt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte kürzlich, wie das Internetmagazin Energie Zukunft berichtet, darauf hingewiesen, dass die wasserrechtliche Genehmigung von 2012 fehlerhaft sei und nachgebessert werden könne.

"In Hessen verraten die Grünen unter Verkehrsminister Tarek Al-Wazir alle Klimaziele und roden einen Wald, eine natürliche CO2-Senke, für eine Autobahn. Hier geht es um die Glaubwürdigkeit der Grünen als Klimaschutzpartei. Annalena Baerbock und Robert Habeck müssen jetzt Verantwortung übernehmen: Als Parteivorsitzende müssen sie die Zerstörungswut ihres grünen Auto-Ministers Al-Wazir stoppen“
Riva Morel, Fridays for Future Berlin Friedrichshain-Kreuzberg

Die Aktion vor und in der Bundesgeschäftsstelle der Grünen richtete sich auch "gegen die Kriminalisierung von Menschen, die für den Erhalt des Waldes kämpfen", wie es in einer Stellungnahme auf Twitter hieß.

Aktionen der Autobahngegner

Am Montagmorgen hatten sich Autobahngegner von verschiedenen Autobahnbrücken abgeseilt und damit im hessischen Berufsverkehr stundenlange Staus verursacht. Gegen elf Beteiligte hat eine Richterin Haftbefehle erlassen, neun befinden sich in Untersuchungshaft, ist bei der Hessenschau zu erfahren.

Interessant ist, dass - laut der gleichen Darstellung - in einer ersten Bewertung der Staatsanwaltschaften Frankfurt und Wiesbaden 19 Personen ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr sowie Nötigung vorgeworfen wurde, aber schon am Dienstag vom ersten Vorwurf nicht mehr die Rede ist. Bei einer ähnlichen Aktion vor zwei Wochen hatte laut Gießener Anzeiger die dortige Staatsanwaltschaft beide Tatbestände verneint.

Die Kommentatorin des Hessischen Rundfunks hält das derweil nicht davon ab, kräftig gegen die Aktionen vom Leder zu ziehen, sie als "anmaßend" zu bezeichnen und mit Rassismus und Ausländerfeindlichkeit gleichzusetzen.

Auch konnte sie sich nicht verkneifen, indirekt Aktivisten dafür verantwortlich zu machen, dass zwei Wochen zuvor ein unachtsamer Autofahrer bei einer ähnlichen Aktion auf ein Stauende aufgefahren war und sich schwer verletzt hatte. Die Polizei hatte seinerzeit ebenfalls in einer Pressemitteilung die Schuld dafür den Aktivisten zugeschoben.

Verschiedene Sprecherinnen und Sprecher der A49-Gegner wiesen allerdings darauf hin, dass dies ein ziemlich einmaliger Vorgang war. Noch nie sonst sei die Polizei auf die Idee gekommen, Stauverursacher - zum Beispiel Bauarbeiter - für die unangemessene Fahrweise von Autobahnnutzern verantwortlich zu machen.

Neue Straßen ziehen neuen Verkehr nach sich

Aus den USA wird derweil von einer Studie berichtet, die einmal mehr belegt, was Umweltschützer und Gegner von Straßenbauten seit Jahrzehnten immer wieder versuchen, uneinsichtigen Politikern zu erklären: Neue Straßen ziehen neuen Verkehr nach sich.

Wer meint, mit noch einer Spur und noch einer Abkürzung Staus auflösen zu können macht das Autofahren nur noch attraktiver, sorgt für die weitere Zunahme von Pkw und Pkw-Nutzung und damit für den nächsten Stau auf noch mehr Fläche.

Und das in Zeiten, da nun wirklich jeder Wissen könnte, dass die Treibhausgasemissionen des Verkehrs schon in den nächsten Jahren drastisch reduziert werden müssen, um Schlimmeres zu verhindern. Die jungen und nicht mehr ganz so jungen Autobahngegner wollen angesichts der zahlreichen weiteren Autobahnvorhaben wie zum Beispiel den sogenannten Riedewaldtunnel bei Frankfurt am Main das Thema mit dezentralen Aktionen auf die Tagesordnung setzen.

Anlässlich des am morgigen Donnerstag und Freitag tagenden EU-Ministerrat für den Bereich Verkehr soll es im ganzen Land kleine Proteste geben.