Associated Press verzichtet seit Corona und US-Vorwahlen auf Informanten

Seit dem 26.02.2020 können von Whistleblowern keine confidential tips (vertrauliche Informationen) auf einem dafür vorgesehenen Kanal mehr mitgeteilt werden

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Die weltweit größte Nachrichtenagentur AP hat seit Corona und den US-Vorwahlen offenbar ihr Informantenhandy abgeschaltet. Eine Organisation, die Stand 2016 263 Büros in 106 Ländern hatte und ein Jahr zuvor über 500 Mio. Dollar Umsatz verzeichnete. Dies zeigt einmal mehr, wie leicht der Journalismus und die Demokratie in diesen Zeiten in Gefahr geraten können.

Neben der Möglichkeit über WhatsApp Kontakt aufzunehmen, werden auf der Seite der Organisation noch 4 weitere Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit Instruktionen für Whistleblower aufgelistet. Die confidential tips-Seite macht den ersten Eindruck, den man von der weltweit größten Nachrichtenagentur erwarten kann - gewissenhaft mit der Verantwortung bezüglich potenzieller Informanten umzugehen.

Whistleblower nehmen in der Regel ein hohes persönliches Risiko zugunsten einer informierten Öffentlichkeit im Rahmen einer Kontaktaufnahme auf sich. Sie müssen darauf vertrauen können, dass eine confidential tips-Seite nicht schlampig betreut wird.

Nachrichten, welche geheime Informationen beinhalten, die hier dringlich für die Öffentlichkeit bestimmt sind, werden via WhatsApp jedoch weder gelesen noch bearbeitet. Es ist auch davon auszugehen, dass die "Signal"-Kontaktmöglichkeit ebenso ein Dead-End darstellt, da dieselbe Rufnummer für diesen Dienst angegeben ist.

Wenn zwei von fünf Kontaktmöglichkeiten eine Sackgasse sind, stellt sich die Frage inwieweit Whistleblower-Informationen bei AP aktuell Beachtung und Wertschätzung finden. Über die Gründe, weshalb dies so ist, lässt sich aktuell nur spekulieren (was an dieser Stelle nicht stattfinden soll).

Folgt man der schon etwas zweifelhaften Empfehlung (da bereits auf Nachteile verwiesen wird) von AP, als Informant, über WhatsApp Kontakt mit den Journalisten aufzunehmen,landet man in einem seit dem 26.02.2020 toten Chat.

AP hat den "Zuletzt online"-Status in den WhatsApp-Einstellungen nicht ausgeschaltet. Hierdurch lässt sich erkennen, wann zuletzt der Nachrichtenverlauf des Whistleblower-Postfachs eingesehen wurde - "zuletzt online 26.02.2020".

Ich habe diese Information bereits unabhängig überprüfen lassen und dokumentiert. Sie können dies alles aber auch leicht selbst überprüfen. Jedoch bitte ich Sie im Sinne von Informanten, AP nichts zu schreiben, da AP das Postfach eigentlich irgendwann auswerten sollte. AP wird etwas zeitlich versetzt zu der Veröffentlichung dieses Textes angefragt, damit Sie selbst einmal die Möglichkeit haben, eine Recherche nachzuvollziehen.

In der Sicherheitsinfo in Ihrem Chat werden Sie dann den bekannten Satz lesen, "Niemand außerhalb dieses Chats kann Sie sehen oder anhören, nicht einmal WhatsApp." Bedauerlicherweise zutreffend in diesem Fall wäre jedoch, "Niemand innerhalb dieses Chats kann Sie sehen oder anhören, nicht einmal Associated Press."

Ebenso nachvollziehen können Sie die Einträge der Wayback Machine des Internet Archiv unter folgendem Link. In diesem Archiv lassen sich chronologisch veröffentlichte Webseiten durchsuchen. Dort ist unabhängig dokumentiert, dass am 25.02.2020 die angegebene Telefonnummer gewechselt hat. Ein Tag später wurde dieser Kanal offenbar stillgelegt.

Dieser Vorgang stellt nach eigener Einschätzung ein Novum dar. Ein strukturelles Problem lässt sich daraus vorerst nicht ableiten. Ich werde im Fortgang der Recherche die Stellungnahme von AP zu diesem skurrilen Fall nachreichen.

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Stellungnahme AP vom 02.11.2020:

"Thank you for checking. There are a variety of ways to submit secure information to AP.

Best,

Lauren


Lauren Easton
Global Director of Media Relations and
Corporate Communications
The Associated Press"

Einordnung des Autors: AP spielt den Vorfall herunter. Ein Dementi oder der Ausdruck eines Bedauerns ist nicht erfolgt, ebensowenig wie eine Korrektur des Missstandes. Meine Anfrage blieb zum großen Teil unbeantwortet. (Stand 05.11.2020, Tim Gökalp)