Wahlsieg für Joe Biden wahrscheinlich

Doch der Sieger? Bild: Michael Stokes/CC BY-2.0

Der greise Kandidat des neoliberalen Parteiestablishments der Demokraten wird voraussichtlich der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika - mit dem denkbar knappsten Ergebnis

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Der sich im Verlauf der Auszählung immer deutlicher abzeichnende Umschwung zugunsten von Joe Biden lässt den Demokraten bereits als den wahrscheinlichen Sieger der gestrigen Präsidentschaftswahl erscheinen. Eine Wiederwahl des Rechtspopulisten Donald Trump scheint aufgrund der gegebenen, durch die späte Zählung der Briefwahlstimmen bedingten Dynamik äußerst unwahrscheinlich.

Um 17:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit war das Wahlergebnis in sieben Bundesstaaten noch offen, wobei Arizona mit seinen 11 Wahlmännern faktisch an Biden geht und Trump dort nur noch theoretische Siegchancen hat. Offen sind die Ergebnisse noch in Nevada, Wisconsin, Michigan, Pennsylvania, North Carolina, Georgia. Somit ergibt sich ein Stand bei den Wahlmännern von 238 zu 213 für Joe Biden.

Derzeit führt Joe Biden - mit zumeist zunehmendem Abstand - in den Bundesstaaten Nevada (sechs Wahlmänner), Wisconsin (zehn Wahlmänner) und Michigan (16 Wahlmänner). Damit hätte der Demokrat die für seine Wahl notwendigen 270 Wahlleute gesichert. Selbst wenn Trump die Wahlgänge in den restlichen US-Staaten, bei denen sein Vorsprung zumeist abschmilzt, für sich entscheiden sollte, würde es für eine Wahl Joe Bides zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten haarscharf reichen.

Trump muss somit in Pennsylvania, Georgia und North Carolina gewinnen, sowie einen Rückstand in Wisconsin, Michigan oder Nevada aufholen (in Bundesstaaten, wo zwischen 86 rund 97 Prozent der Stimmen bereits ausgezählt waren), um noch eine Chance auf die Wiederwahl zu haben.

Aus dem Wahlkampfteam von Biden hieß es, man glaube, der demokratische Herausforderer habe die Wahlen faktisch für sich entschieden, sodass die Auszählung "schon heute" Biden als Wahlsieger feststellen werde. Michigan, Wisconsin und Pennsylvania seien von den Demokraten zurückerobert worden, zudem habe Trump mit Arizona ein republikanisches Kernland an die Demokraten verloren. Selbst wenn Donald Trump seinen Wunsch erfüllt bekäme und der Auszählungsprozess plötzlich beendet würde, stünde Biden demnach als Wahlsieger fest.

Vonseiten der Trump-Kampagne wurde hingegen beteuert, dass der Präsident siegen werde, wenn nur die "legalen Stimmzettel" gezählt würden. Zudem wurde darauf verweisen, dass Trump eine Nachzählung der Stimmen zumindest in Wisconsin anstreben werde. Das Rennen sein noch nicht zu Ende, hieß es weiter.

Damit deuten sich bei einem knappen Wahlausgang langwierige Auseinandersetzungen in einer politisch aufgeheizten Stimmung an, da Trump schon mehrmals den Gang vor das Oberste Gericht androhte, sollte er bei den Wahlen unterliegen. Laut dem Rechtspopulisten könne er nur verlieren, wenn die Demokraten die Wahlen "stehlen" würden.

Dass der wahrscheinliche Sieg der Demokraten alles andere als überzeugend ausfällt, ist nicht nur am Kontrast zu den Wahlprognosen abzulesen, die einen klaren Sieg gegen den Rechtspopulisten im Weißen Haus vorhersagten. Auch die Wahlen zum Oberhaus des US-Parlaments, zum Senat, sind für die Partei Joe Bidens alles andere als gut verlaufen. Aller Voraussicht nach werden es die Demokraten nicht schaffen, die zuvor sicher geglaubte Mehrheit im Senat zu erringen.

Damit scheinen einer konsequenten Reformagenda - etwa in Fragen der Klimapolitik - der potenziellen demokratischen Administration enge Grenzen gesteckt, da der republikanische Senat über vielfältige Möglichkeiten verfügt, Gesetzesvorhaben zu beeinflussen. Dies dürfte aber für die Biden-Administration ohnehin kein größeres Problem darstellen, da der ehemalige Vizepräsident Obamas vor allem mit der Parole auftrat, wieder zur alten, neoliberalen "Normalität" zurückkehren zu wollen. Diesem Vorhaben, das angesichts der umfassenden Systemkrise ohnehin illusorisch sei, wie die progressive Zeitung The Nation konstatierte, dürften sich die wenigsten Republikaner in den Weg stellen.

Die sich immer deutlicher abzeichnende Niederlage Trump, dessen - nun ja - Politik katastrophale Folgen für die USA und die gesamte Menschheit nach sich zog, stellt aber auch einen wichtigen Schlag gegen die Neue Rechte dar, die durch den Borderliner im Weißen Haus zusätzlichen Auftrieb erhielt - dies vor allem in Europa, in Polen, in Ungarn oder in der Bundesrepublik.