Verlassen der Wohnung nur mit Erlaubnis: Griechenland erneut im Lockdown

Bild: EODY

Chaos, Staus und andere Probleme

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am Ende ging es ganz schnell. Ab Samstag gilt in Griechenland ein landesweiter Lockdown. Die landesweite Massenquarantäne war zuletzt Anfang der Woche noch als Mittel mit "katastrophalen Folgen für die Wirtschaft" ausgeschlossen worden. Lockdown in Griechenland bedeutet, dass für jedes Verlassen der Wohnung eine Erlaubnis vorliegen muss. Diese muss per SMS beantragt werden.

Die SMS an die Nummer 13033 muss über SIM-Karten der inländischen Mobilfunkanbieter versandt werden. Inhaber von ausländischen SIM-Karten, was für viele noch im Land befindliche Touristen zutreffen dürfte, werden angehalten, sich eine Prepaid SIM Karte eines griechischen Anbieters zu kaufen.

Alternativ können sich die Bürger einen Antrag auf Ausgangserlaubnis aus dem Internet herunterladen und dann, für jeden Ausgang erneut, per Hand ausfüllen. Problematisch für Menschen ohne Kenntnisse des Griechischen ist, dass sowohl die SMS als auch die Dokumente in griechischer Sprache ausgefüllt werden müssen.

Sechs Kategorien für die Ausnahmegenehmigung gibt es. Es ist erlaubt, eine Apotheke oder, nach Rücksprache, einen Arzt aufzusuchen. Supermärkte und ähnliche Geschäfte des täglichen Bedarfs dürfen besucht werden, wenn eine Hauslieferung nicht möglich ist. Erlaubt ist es auch, hilfsbedürftigen Menschen beizustehen oder Grundschüler zur Schule zu bringen. Alle weiterführenden Schulen und Universitäten sind geschlossen. Ebenfalls gestattet ist der Besuch eines geschiedenen Elternteils beim Kind oder die Teilnahme von maximal neun Personen an einer Beerdigung. Ebenso erlaubt ist ein Spaziergang mit maximal zwei Personen, wenn dieser der körperlichen Ertüchtigung oder dem Ausgang von Haustieren dient. Es ist auch gestattet, das Haus zum Füttern von Tieren zu verlassen. Die Einreise von Touristen ist allem Anschein nach weiter gestattet. Allerdings gibt es kaum Freizeitaktivitäten, die ausgeübt werden können.

Mit Beginn des erneuten Lockdown wurde über Cell Broadcast an sämtliche in griechischen Mobilfunknetzen angemeldeten Telefone eine Warnmeldung des Zivilschutzes verschickt. Alle im Land befindlichen Personen werden aufgefordert, zu Hause zu bleiben und nur bei den genehmigten Ausnahmen die Wohnung zu verlassen.

Fahrten außerhalb der Regionalregierungseinheit sind nur für berufliche Gründe, die Fahrt zu einer Beerdigung, sowie einmalig zur Rückkehr an den Wohnort oder zur Familienzusammenführung möglich. Als Regionalregierungseinheit definiert sind die früheren Nomos des Landes, welche mit der Verwaltungsreform zu Regionen zusammengefasst wurden. Pro PKW ist nur ein Fahrgast außer dem Fahrer selbst erlaubt. Ausnahmen gelten nur für minderjährige Kinder. Taxi-Fahrer dürfen ebenfalls nur einen Fahrgast mitnehmen.

Pro Verstoß 300 Euro Strafe

Im Gegensatz zum Frühjahr sind die Strafen für Vergehen gegen die Quarantäneregeln nun verdoppelt worden. So sind nun pro Vergehen 300 Euro fällig. Bei falschen Bestätigungen hinsichtlich der Berufstätigkeit erhöht sich die Strafe auf 500 Euro. Bei ersten Kontrollen wurden am Samstag im Athener Vorort Iliopoulis auf dem Wochenmarkt Strafgelder in Gesamthöhe von 18.000 Euro verhängt. Zwölf Marktstandbetreibern wurde befristet die Lizenz entzogen.

Im gesamten Land wurden bis Samstagabend 442 Verstöße gegen die Ausgangssperre und 1249 Verstöße gegen die Maskenpflicht mit Bußgeld belegt. Ein Verstoß gegen die Maskenpflicht liegt bereits vor, wenn die Maske nicht ordnungsgemäß Mund und Nase bedeckt. Diesbezüglich ist die griechische Polizei sehr streng geworden.

Vier Personen wurden festgenommen und bei zwanzig Einzelhandelsgeschäften gab es Verstöße gegen die Quarantäneregeln, acht verstießen gegen die Regeln für die Öffnungszeiten und fünf wurde wegen der Verstöße die Betriebserlaubnis entzogen.

Flucht aufs Land

Die griechischen Städte gleichen nun Geisterstädten. In den Tagen von der Verkündung des neuerlichen Lockdowns bis zum Inkrafttreten hatten sich dagegen andere Szenen abgespielt. In Bars wie in Heraklion auf Kreta hatten zahlreiche Gäste unter Missachtung der Abstandsregeln gefeiert. In Massen verließen die Bürger, wie in Athen, die Großstädte, um die Zeit des Lockdown auf dem Land zu verbringen. Griechische Medien beschrieben den Verkehr, der bis in die späte Nacht des Freitags verzeichnet wurde, als "größer als zur Weihnachtszeit".

Der Wintersportort Arachova meldete eine Auslastung von mehr als 80 Prozent. Die Athener, die dorthin für einen Ausflug flüchteten, müssen sich ab Samstag auf intensive Polizeikontrollen bei ihrer Rückkehr einstellen. Die Polizei möchte an allen Mautstationen Kontrollen durchführen. Auch für Autofahrer besteht Maskenpflicht. Wenn die im Fahrzeug mitgeführte Person kein Verwandter ersten Grades ist, dann muss auch der Fahrer eine Maske tragen.

Kreuzfahrt ohne Ausflüge

Überfüllte Krankenhäuser sowie fehlende Intensivbetten machten ein schnelles Umdenken der Regierung nötig. Die Regierung hatte in den Monaten seit dem ersten Lockdown immer wieder stolz berichtet, sie hätte das öffentliche Gesundheitssystem ESY ausgebaut und "gegen die Pandemie gepanzert". Die Krankenhausärzte hatten dagegen immer wieder die Ankündigungen der Regierung als Lüge bezeichnet, was von der Regierung als "Fake News" abgetan wurde.

Mittlerweile wurde die nicht mit Corona zusammenhängende öffentliche Gesundheitsversorgung um 80 Prozent der Kapazität gekürzt. Im Corona-Hotspot Thessaloniki wurde das AHEPA-Krankenhaus von Patienten, die nicht an CoVid19 leiden, geleert. Die Patienten, die weiterhin stationäre Behandlung benötigen, werden aus öffentlichen Krankenhausen in Privatkliniken verwiesen oder in Militärkrankenhäusern untergebracht.

Wie weit die Theorie der "gepanzerten Medizindienste" von der Praxis einer Pandemie entfernt ist, demonstrierte der Gesundheitsdienst EODY in einer surrealen Erklärung. Eigentlich sollten am 2. und 3. November 400 Studenten und Lehrkräfte des Metsovion Polytechnikums Athens die Gelegenheit erhalten, sich einem Schnelltest auf CoVid19 zu unterziehen. Die Tests wurden in buchstäblich letzter Minute abgesagt, weil "wegen der Pandemie" Probleme bestünden. Sie wurden vom EODY auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, an dem die Probleme der Pandemie dann nicht mehr bestehen würden. Was die EODY-Mitarbeiter in vorsichtigen Formulierungen kunstvoll ausdrückten, bedeutet nichts anderes, als dass die 400 Studenten und Dozenten sich nach dem Ende der CoVid19-Pandemie testen lassen können.

Besonders interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die Studenten aus dem Corona-Hotspot Athen nun durch den Lockdown und der dadurch bedingten Schließung der Uni, ungetestet in ihre Heimatorte zurückgeschickt werden.

Allerdings wurden erst vor kurzem die Kreuzfahrten wieder gestattet. Die meisten Anbieter reagierten auf den Lockdown mit einer Stornierung ihrer Fahrten. Mindestens eine Kreuzfahrt des Anbieters TUI, die am 8. November startet, findet trotzdem statt. Allerdings wurden den Reisenden sämtliche Landausflüge gestrichen.

Steigende Infektionszahlen - panische Reaktionen

Griechenland hatte die erste Welle der Pandemie im Frühjahr relativ glimpflich überstanden. Nach der Öffnung des Landes für den Tourismus im Sommer wurden die zunächst nur leicht ansteigenden Infektionszahlen lange heruntergespielt. Am Samstag wurden 2556 neue Infektionen und 34 Todesfälle gemeldet. Die Statistik zeigt ein exponentielles Wachstum.

Die Regierung gibt sich überrascht. Noch Anfang der Woche wurde ein genereller Lockdown als Katastrophe bezeichnet. Für die Medizin-Professorin der Nationalen und Kapodistrias-Universität Athens, Athina Linou, war das exponentielle Wachstum bereits seit Wochen klar erkennbar: "Der Ausbruch war vorhersehbar. Da sich die Fälle alle 5-6 Tage verdoppelten, bedeutet dies, dass es einen exponentiellen Anstieg gibt - und das seit mindestens drei Wochen." Im Interview mit dem Medium Libre übt sie Kritik daran, dass die Regierung zu spät mit Maßnahmen, wie einer allgemeinen Maskenpflicht, gegengesteuert hat.

Gegen Nachmittag am 4. November 2020 berichtete die Presse in Griechenland, dass Premierminister Kyriakos Mitsotakis am Donnerstag um 12 Uhr eine landesweite Quarantäne ausrufen würde. Schon am Abend bestätigte Gesundheitsminister Vasilis Kikilias, dass dies zutreffend sei und Griechenland "für einen Monat" in den Lockdown gehen würde. Die oft zitierten "wohlinformierten Kreise" des Amts des Premierministers behaupteten danach, der Premier sei wegen des Vorpreschens seines Ministers sehr erzürnt. Mitsotakis verkündete am Donnerstag, dass der am Samstag beginnende Lockdown zunächst auf drei Wochen begrenzt würde. Zunächst war auch von einer nächtlichen Ausgangssperre ab 21 Uhr die Rede. Während der Nacht sollte nur beruflich bedingter Verkehr möglich sein. Diese Regel wurde nach einigem Hin und Her gekippt.

Es blieb nicht der einzige Widerspruch in den verkündeten Maßnahmen. Diese führen in der Folge auch zu verwirrenden Informationen für diejenigen, die nach Griechenland einreisen möchten. So fand sich am Samstagmorgen auf der Internetpräsenz des ADAC noch der Eintrag, dass für Flug- und Fährreisende bei der Einreise nach Griechenland kein vorheriger Test nötig sei. Gemäß den vom ADAC verbreiteten Informationen gelte dies nur für die Landgrenze. Schuld am Wirrwarr hat nicht der ADAC, sondern die griechische Regierung selbst, die am 7.11.2020 immer noch die am 16. Oktober 2020 aktualisierte Version für die Einreisebestimmungen online hatte.

Tatsache ist, dass die bislang bekannten Bestimmungen der griechischen Regierung lediglich die Fährreisenden noch nicht explizit zu einem Test verpflichtet haben. Zuerst hieß es, dass Flugreisende einen höchstens 48 Stunden alten Test vorweisen müssten. Für über die Landgrenze einreisende Personen wurde die Frist auf 72 Stunden verlängert. Mittlerweile kann auf den einschlägigen, bislang lediglich in griechischer Sprache vorlegenden Bestimmungen des Zivilschutzes nachgelesen werden, dass alle Einreisenden einen negativen Test vorlegen müssen. "Insbesondere müssen die Passagiere der Auslandsflüge, aber auch die über die Landgrenzen Einreisenden einen PCR-Test vorlegen, der maximal 72 vorher durchgeführt wurde", steht dort. Erneut wurden die Fährhäfen nicht erwähnt, so dass auch hier mit einem Update seitens der Behörden zu rechnen ist. Der Test muss auf englischer Sprache vorliegen und unter anderem auch die Reisepass- oder Ausweisnummer der getesteten Person enthalten.

Viel wichtiger für momentan eventuell noch in Griechenland weilende Touristen ist aber, dass sie ab Dienstag dem 10. November für die Ausreise 24 Stunden vor Reiseantritt eine Passenger Locator Form / Passagier Lokalisierungsfaktor Formular ausfüllen müssen. Wenn dieser Verpflichtung nicht nachgekommen wird, sind pro Person 500 Euro Strafe fällig.

Wer darf zur Arbeit?

Seit diesem Wochenende darf in Griechenland eine Wohnung nur in besonderen Fällen verlassen werden. Bis auf Supermärkte und sonstige Läden der Versorgung mit Lebensmittel und Tabakwaren, Tankstellen, Tierfuttergeschäften und Apotheken sind sämtliche Geschäfte des Einzelhandels geschlossen. Agrarwirtschaft und Produktion ist weiterhin möglich. Für Büroarbeit gilt, dass mindestens die Hälfte der Belegschaft Homeoffice machen muss.

Die Fahrt zum Arbeitsplatz soll erlaubt sein, hieß es von Anfang an in den Verlautbarungen der Regierung. Wie in solchen Fällen üblich, präsentierte sie dafür auch einen Anforderungskatalog für die notwendige Dokumentation. Leider gab es in den bürokratischen Plänen zahlreiche Fallstricke. Zunächst sollten alle Dokumente für Berufstätige zwingend über das Ergani-System des Arbeits- und Sozialministeriums erstellt werden.

Nachdem dies zu einem Massenandrang bei den Steuerberatern geführt hatte, und nachdem auch der Regierung endlich bekannt wurde, dass nicht alle Fälle von Arbeitstätigkeit im Ergani-System erfasst sein können, wurde für Arbeitnehmer eine Alternative, eine schriftliche Bestätigung durch den Arbeitgeber, als weiteres Dokument akzeptiert. Letzteres galt während der gesamten Zeit des ersten Lockdown.

Eigentlich galt diese Lösung auch für die Arbeitgeber, Mitglieder von Verwaltungsräten und Freiberufler. Allerdings bestand die Regierung in diesen Fällen "zum Zwecke der Überprüfung" bis zum späten Freitagabend auf Dokumente über das Ergani-System. Als Freitagnacht die späte Einsicht folgte, dass es auch in diesem Fall an der Praxis vorbei gehen würde, wurde die Pflicht für Dokumente aus dem Ergani-System gestrichen und wurden auch für diesen Personenkreis die Eigenerklärungen zugelassen. Die ursprünglich beabsichtigte Regelung hätte unter anderem die Geschäftsreisenden aus dem Ausland ausgeschlossen. Der Hickhack um die Ergani-Dokumente hatte bei Steuerberatern, Unternehmern und Freiberuflern für zwei Tage Aufregung gesorgt.

Noch mehr Ärger gibt es seitens der nun geschlossenen Einzelhandelsgeschäfte wegen der Tatsache, dass moderne Supermärkte außer Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs auch Konsumgüter vertreiben. Sie sehen darin einen unlauteren Wettbewerb und baten die Regierung inständig darum, zu intervenieren.

Dies möchte der zuständige Wirtschaftsminister Adonis Georgiadis nicht gelten lassen. Für Georgiadis wäre es unmöglich, in angemessener Zeit zu bestimmen, welche Waren der Supermärkte unter eventuelle Verkaufsverbote fallen könnten. Schließlich, so Georgiadis, müsse "man auch an die Kunden denken". Georgiadis äußerte gegenüber den Medien seine Zweifel daran, ob eine Beendigung des Lockdown vor dem Weihnachtsfest möglich ist.