"Explizites strafrechtliches Verbot des politischen Islam"

Symbolbild: Algot Runeman / OpenClipart. Lizenz: Public Domain. Bearbeitung: TP

In Österreich hat die Regierung ein Anti-Terror-Paket aus zahlreichen Einzelteilen vorgestellt, das auch einen neuen Straftatbestand gegen niederschwellige Islamistenpropaganda enthält

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Gestern stellte die österreichische Bundesregierung nach dem Ministerratssitzung die Grundzüge eines Anti-Terror-Pakets vor, das nun bis Anfang Dezember als Gesetzentwurf ausgearbeitet werden soll. Es sieht unter anderem eine "Präventivhaft" für Dschihadisten vor.

Von den etwa 300 im vergangenen Jahrzehnt nach Syrien oder in den Irak ausgereisten militanten Islamisten ist den Worten des österreichischen Bundeskanzlern Sebastian Kurz nach nämlich etwa die Hälfte wieder in Österreich. Und der Anschlag eines ethnischen Albaners mit österreichischer und nordmazedonischer Staatsangehörigkeit, der 2018 nach Syrien ausreisen wollte, habe gezeigt, dass solche militanten Islamisten auch nach dem Verbüßen einer zeitlich begrenzten Haftstrafe eine "massive Gefahr" darstellten.

"Wenn ein geistig abnormer Rechtsbrecher lebenslang weggesperrt werden kann, wenn er eine Gefahr darstellt, kann auch ein Terrorist lebenslang weggesperrt werden"

Der Dschihadist wurde nach seiner Haftentlassung von einem Deradikalisierungsverein betreut. Der rechtfertigte sich nach dem Anschlag, niemand habe behauptet, dass der Täter deradikalisiert gewesen sei, weil das Programm sonst beendet worden wäre. Damit das nicht noch einmal passiert sollen Straftäter, die wegen Terrorismusdelikten verurteilt wurden, zukünftig auch nach dem Ablauf ihrer Haftstrafe so lange in "Präventivhaft" bleiben, bis ihnen eine Deradikalisierung bescheinigt wird.

Bundeskanzler Sebastian Kurz verglich diesen "starken Eingriff, aber notwendigen Schritt" mit der bereits bestehenden Rechtslage bei geistig abnormen Rechtsbrechern: Wenn diese im Falle einer von ihnen ausgehenden Gefahr weiter in Haft genommen werden könnten, dann könne "auch ein Terrorist lebenslang weggesperrt werden". Zieht ein Richter eine vorzeitige Entlassung in Betracht, darf er sich nicht mehr auf Aussagen oder Gutachten von Sozialpädagogen verlassen, sondern muss bei einer "Verbindungsstelle" eine Gefährdungseinschätzung beantragen. Das Problem einer Radikalisierung anderer Häftlinge in Gefängnissen will man angehen, hat dazu aber noch keine Details.

"Nährboden" des Terrorismus

Wer trotz der neuen Rechtslage entlassen wird, der soll mit einer elektronische Fußfessel oder einem Armband überwacht werden, "um das Bedrohungsrisiko zu minimieren". Außerdem darf er lebenslang keine Waffen mehr besitzen und keine Kraftfahrzeuge mehr führen. Verfügt er - wie der Wiener Albaner nordmazedonischer Herkunft - neben der österreichischen noch über eine andere Staatsangehörigkeit, wird ihm die österreichische entzogen. Bleibt er im Land, sollen staatliche Leistungen auf das verfassungsrechtlich mögliche Minimum werden.

Um Kompetenzen zu bündeln und Verfahren zu beschleunigen, werden Terrorismusstrafsachen künftig von spezialisierten Staatsanwaltschaften und Gerichten bearbeitet. Außerdem plant Integrationsministerin Susanne Raab eine "Ergänzung der Straftatbestände zur effektiven Bekämpfung des religiös motivierten politischen Extremismus" einschließlich einer "Erweiterung des Symbolgesetzes" und eines "expliziten strafrechtlichen Verbots des politischen Islam in Österreich".

Mit diesem Verbot geht man Kurz zufolge gegen den "Nährboden" des Terrorismus vor. Diesem Zweck soll auch ein "Imameverzeichnis" und ein damit verbundenes "Abdrehen" islamistischer Predigten dienen. Auch ganze Moscheen sollen künftig leichter geschlossen und Vereine leichter verboten werden können. Dafür sollen sich die Behörden enger vernetzen und "systematisch" Daten austauschen. Das betrifft auch Informationen über Geldflüsse, mit denen man "Umgehungskonstrukte" zur Terrorfinanzierung entdecken und abschaffen möchte.

Der stellvertretende SPÖ-Fraktionschef Jörg Leichtfried meinte nach der Vorstellung des Pakets, die aktuell geltende Rechtslage hätte zur Verhinderung des Anschlags vom 2. November eigentlich ausgereicht. Dass er trotzdem passiert sei liege an einer "Kette von Fehlern im Verantwortungsbereich des Innenministers, die so nicht hätte passieren dürfen".

Ähnlich äußerten sich die Neos, aus deren Reihen es hieß, bevor man über "weitere Schritte und schärfere Maßnahmen sprechen" könne, müsse zuerst "der Anschlag lückenlos und unabhängig aufgeklärt werden" - und zwar von einer "wirklich unabhängigen Untersuchungskommission" mit einem von der Opposition benannten Vorsitzenden.

Zu dieser Opposition im Wiener Nationalrat gehört auch die FPÖ, deren Fraktionschef Herbert Kickl das Paket als "durchaus diskussionswürdig", aber in einigen Punkten "nicht zu Ende gedacht" einschätzt. So hindere eine Fußfessel Terroristen beispielsweise nicht am Schusswaffengebrauch. Außerdem könnte die österreichische Staatsangehörigkeit seiner Ansicht nach auch dann entzogen werden, wenn ein Terrorist in so einem Fall staatenlos wird. Als weitere Lehre aus dem Fall Wien regt er an, dass in Terrorverfahren künftig ausschließlich nach Erwachsenen-, und nicht mehr nach Jugendstrafrecht geurteilt wird.

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