Im Nahen Osten brodelt es vor dem wahrscheinlichen Ende von Trumps Präsidentschaft

Mike Pompeo mit Netanjahu und dem Bahrain-Außenminister Al Zayani. Bild: state.gov

Außenminister Pompeo in Israel mit neuen Sanktionen gegen Iran, Israel bombardiert iranische Ziele in Syrien, Iran beschleunigt die Urananreicherung und eine seltsame Geschichte über einen Anschlag auf einen al-Qaida-Chef in Teheran

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Es ist nicht bekannt, was Noch-Präsident Donald Trump noch alles plant, der sich noch mit Händen und Füßen an der Macht festklammert, sich mit dem vermeintlichen Wahlbetrug befasst und immer wieder seinen Anhängern - oder sich selbst - versichert: "...AND I WON THE ELECTION. VOTER FRAUD ALL OVER THE COUNTRY!" Er lässt sich nicht mehr in der Öffentlichkeit blicken, spielt Golf und trifft sich mit Ministern und Militärs, um sich über einen militärischen Schlag gegen Iran zu unterhalten (Trump scheint über einen Militärschlag gegen Iran nachzudenken). Ihm wurde angeblich abgeraten, weil zu riskant, aber wir hatten schon geschrieben, dass Trump vor seinem Abgang wohl mehr vorhat, als nur weitere Truppen aus dem Irak und aus Afghanistan abzuziehen.

Eine der großen außenpolitischen Entscheidungen der Trump-Regierung war der Ausstieg aus dem Atomabkommen, das die USA, China, Russland, Großbritannien, Deutschland und Frankreich nach langen Verhandlungen im Juli 2015 mit dem Iran abgeschlossen hatten. Es trat gerade noch in der auslaufenden Amtszeit von Barack Obama am 16. Januar 2016 in Kraft, womit auch die westlichen Sanktionen beendet wurden. Der Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), der im März 2015 verhandelt und am 2. April vereinbarte wurde, sieht u.a. vor, den Bestand an niedrig angereichertem Uran drastisch zu verringern, Zentrifugen abzubauen, nur noch niedrig angereichertes Uran zu erzeugen, in der Atomanlage Fordo kein Uran mehr anzureichern und die Atomanlagen von der IAEA inspizieren zu lassen.

Trumps Kampf gegen das Iran-Abkommen

Es ist wohl kein Zufall, dass die mit Iran konkurrierende Regionalmacht Saudi-Arabien, das mit dem Ende der Sanktionen mit einem stärker werdenden Iran rechnen musste, mit einer Koalition sunnitischer Staaten am 25. März den Krieg gegen die Huthi-Rebellen und Teile der jemenitischen Armee im Jemen begann. Schon die Obama-Regierung konnte und wollte Saudi-Arabien nicht bremsen, die Trump-Regierung hatte überhaupt nicht die Absicht, denn sie trat bereits mit der Absicht an, ähnlich wie in Venezuela auch im Iran einen Regime Change zu bewirken (Warum Krieg gegen den Jemen jetzt?). Trump hatte schon bald nach Amtsantritt einen gegen den Iran gerichteten Schmusekurs mit Saudi-Arabien und den Golfstaaten begonnen (Gipfeltreffen in Saudi-Arabien: Trump in der "Welt der Guten").

Trump hatte das Iran-Abkommen schon im Wahlkampf scharf kritisiert, im Mai 2018 traten die USA einseitig aus ihm aus, um im Juli wieder scharfe Sanktionen gegen das Land zu verhängen und einen "maximalen Druck" auszuüben, obgleich der Iran sich an die Bedingungen gehalten hatte. Im März hatte Trump John Bolton zum Sicherheitsberater ernannt, einen altgedienten Anti-Iran-Politiker, der für einen Regime Change und auch für die Bombardierung der iranischen Atomanlagen warb. Kurz vor dem Austritt aus dem Abkommen hatte der israelische Ministerpräsident mit einem demonstrativen Multimedia-Auftritt "Beweise" vorgelegt, dass der Iran trotz des Abkommens weiter am Atomwaffenprogramm festhalte. Die Beweise waren nicht neu und besonders stichhaltig, die IAEA hatte bestätigt, dass der Iran 2009 das Atomwaffenprogramm eingestellt hatte. Aber die Show des Trump-Freunds Netanjahu war sicher mit dem Weißen Haus abgesprochen (Netanjahu setzt zur Eskalation auf Bilder: "Iran lügt")

Die übrigen Länder hielten an dem Abkommen fest, konnten aber dem Iran über das Zahlungssystem INSTEX zur Umgehung der US-Sanktionen keine Grundlage für den Handel entwickeln, weswegen der Iran ankündigte, sich nicht mehr an das Abkommen zu halten. Den letzten Stoß dafür gab wohl die Ermordung des Quds-Kommandeurs General Qasem Soleimani im Januar 2020 durch amerikanische Drohnen. Iran beschoss daraufhin amerikanische Stellungen im Irak. Die Wogen gingen hoch, waren aber erst einmal schnell wieder geglättet: (Showdown Iran-USA: Ein Theaterzauber?) Davor gab es schon einige Konflikte zwischen den USA und Iran, Trump drohte die Auslöschung des Landes an, gab sich dann wieder verhandlungsbereit, Bolton soll daran gearbeitet haben, einen Konflikt mit dem Iran zu beginnen.

Ambivalenz von Trump

Nach dem Abschuss einer Global Hawk-Drohne durch die Revolutionsgarden am 20. Juni 2019 wurde vom Pentagon sicher mit der Nachhilfe von Bolton ein Angriff auf iranische Ziele geplant. Trump schrieb, der Angriff auf drei Ziele sei vorbereitet gewesen, er habe ihn aber angeblich 10 Minuten vor dem Start noch gestoppt. Im September warf Trump Bolton aus dem Weißen Haus, den er seitdem nicht zu Unrecht als Kriegstreiber bezeichnet ("Kriegstreiber oder Taube": Konflikt mit dem Iran offenbart erneut Trumps Illusion).

Das offenbart Trumps Ambivalenz, während seiner Amtszeit und vor der zweiten Wahl wollte er jedenfalls keinen neuen Krieg riskieren, sondern daran festhalten, die Kriege zu beenden und die Soldaten zurückzuholen. Das hat er nun auch wieder eingeleitet - er hatte bereits Ende 2018 die Anordnung nach einem Deal mit Erdogan gegeben, die Truppen aus Syrien abzuziehen, was Verteidigungsminister James Mattis zum Rücktritt veranlasste. Es könnte aber durchaus sein, dass Trump seinen Abgang aus dem Weißen Haus verhindern oder mit einem Konflikt mit Iran "krönen" will.

Von allen Seiten wird an Spannung gearbeitet

Israel hat wieder einmal iranische Stellungen in Syrien bombardiert, nachdem der Iran angeblich Sprengfallen an der Grenze auf den Golanhöhen angebracht hatte, während der Iran neue Zentrifugen zur Anreicherung von Uran in der Atomanlage Natanz angeschlossen hat - und dies auch zugibt.

Bekanntgegeben wurde jetzt durch anonym bleibende Informanten, dass Israel und die USA bei der Tötung von Abu Mohammed al-Masri oder Abdullah Ahmed Abdullah, angeblich al-Qaida-Chef Nr. 2, und seiner Tochter in Teheran im August kooperiert hatten. Al-Masri soll an den Anschlägen auf die US-Botschaften 1998 beteiligt gewesen sein, seine Tochter war die Witwe von Hamza bin Laden, der Sohn Osama bin Ladens wurde letztes Jahr getötet.

Das FBI hat seit vielen Jahren 10 Millionen US-Dollar für Hinweise ausgelobt, die zu dessen Ergreifung führen. US-Geheimdienste sollen die Informationen über al-Masri geliefert, eine Mossad-Abteilung ihn getötet haben. Es sollen zwei Mann auf einem Motorrad gewesen sein, die Masri in seinem Auto erschossen haben. Die von der New York Times aufgebrachte Story, dass der Iran mal wieder al-Qaida-Führer beherbergt haben soll, dient vor allem dem Zweck, den Iran anzuschwärzen. Allerdings ist fraglich, warum die schiitische Führung des Iran ausgerechnet al-Qaida-Führer schützen sollte. Das hatte die US-Regierung auch in einem Bericht aus dem Jahr 2018 behauptet, als es um den Austritt aus dem Abkommen ging.

Iran weist die Story als Hollywood-Szenarion zurück. Auf Twitter hatte Fars News am 7. August mitgeteilt, dass ein Libanese mit seiner Tochter von einem Motorradfahrer auf der Pasdaran-Straße mit einer Schusswaffe getötet worden war. In einem zweiten Tweet wird von einem arabischsprachigen Mann gesprochen. Nach iranischen Medien handelte es sich angeblich um einen libanesischen Geschichtsprofessor, der mit Hisbollah verbunden war. Es soll sich um Habib Daoud und seine Tochter Maraym handeln. Möglicherweise hat der Anschlag wenig Aufmerksamkeit gefunden, weil er drei Tage nach der Explosion in Beirut stattgefunden hat. Weder Hisbollah noch al-Qaida haben den Anschlag erwähnt.

Die New York Times entgegnet, es gebe keinen Geschichtsprofessor Daoud im Libanon. Es handele sich lediglich um ein Pseudonym von al-Masri und eine Deckgeschichte. Für die Zeitung, die sonst stramm gegen Trump ausgerichtet ist, könne Iran al-Qaida Schutz gewährt haben, um die Organisation davon abzuhalten, Anschläge im Iran auszuführen, oder um Anschläge gegen die USA zu richten.

Spekuliert wird auch, ob Saudi-Arabien und Israel die verbliebene Zeit von Trump im Präsidentenamt noch ausnutzen könnten, um mit dessen Hilfe einen Angriff auf den Iran zu starten. Nach dem Business Insider seien europäische Geheimdienstmitarbeiter besorgt. Zitiert wird ein Informant, der gesagt haben soll, Saudi-Arabien und Israel würden von "unreifen" Herrschern regiert, die schon lange nach einem Krieg mit dem Iran gerufen hätten. Die könnten meinen, sie müssten schnell handeln, bevor Joe Biden Präsident wird, dem Iran-Abkommen wieder beitritt, wie er dies beabsichtigt, und der Iran weiter an seinem Atomwaffenprojekt arbeitet. Man habe zwar kein Vertrauen in Trump, aber setze auf das US-Militär, das es ihm schwer machen sollte.

Es würde auch reichen, wenn Israel, Saudi-Arabien oder der Iran einen Konfliktfall inszenieren, der eine Konfrontation nach sich ziehen könnte, um die Region in Flammen zu setzen. Für das erste verhängten die USA neue Sanktionen gegen den Iran. Es traf die u.a. Mostazafan-Stiftung, die nicht nur den Armen helfe, sondern die Interessen von Ali Khamenei besorge, und den Geheimdienstminister. Das war das offene Geschenk, das Außenminister Pompeo bei seinem Besuch von Israel, der gestern begann, Netanjahu mitbrachte. Er warnte vor einem Zurückdrehen der Iran-Politik Trumps und erklärte, die harte Haltung gegen das Land habe die Welt sicherer gemacht. Man werde in der nächsten Zeit weitere Sanktionen verhängen.

Netanjahu will die Gelegenheit noch ausnützen, um neue Siedlungen zu genehmigen und so Fakten zu schaffen. Erwartet wird, dass Pompeo erstmals provokativ eine Siedlung im Westjordanland besuchen wird.