Wird Deutschland als Gewinner aus der Pandemie hervorgehen?

Manche zählen Deutschland zu den großen Gewinnern der Coronakrise

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Nicht ganz so schlimm wie befürchtet. So könnte man aktuelle Einschätzungen zur Lage der deutschen Wirtschaft verdichten. Die Wirtschaft werde trotz der Corona-Maßnahmen weiter wachsen, vermutet das Wirtschaftsministerium. Die Vertreter vieler Großunternehmen geben sogar an, dass sie gestärkt aus der Coronakrise hervorgehen werden.

Laut Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWI) habe die deutsche Wirtschaftsleistung annähernd 96 Prozent des Vorkrisenniveaus erreicht. Die Erholung habe sich bis Oktober fortgesetzt, allerdings seit August verlangsamt durch die Pandemie. Aufgrund der neuerlichen Corona-Restriktionen erfahre die Konjunktur im November, vor allem durch die Einschränkung der "Konsummöglichkeiten", einen "Dämpfer".

"Solange die zusätzlichen Maßnahmen begrenzt bleiben können", so das BMWI, "spricht aber wenig dafür, dass der Aufholprozess im vierten Quartal insgesamt abbricht." Auch die Weltwirtschaft erhole sich weiter. Die weltweite Produktion habe im August 97 Prozent des Vorjahresniveaus erreicht, der Welthandel habe bei knapp 96 Prozent des Vorjahresstandes gelegen.

Der Einzelhandel habe sein Vorkrisenniveau bereits seit Mai übertroffen. Nachdem es zu einer kräftigen Erholung gekommen sei, zeigten die Umsätze einen Seitwärtstrend auf hohem Niveau, allerdings im September eine Verringerung um 2,2 Prozent. Der Handel mit Kfz habe trotz eines Rückgangs im August sein Vorkrisenniveau "erneut spürbar" übertroffen.

Eine Mehrheit deutscher Topmanager, so eine Umfrage, die der "Spiegel" referiert, seien der Meinung, dass Deutschland aus der Coronakrise gestärkt hervorgehen werde. 38 Prozent der Befragten geben an, ihre Marktposition gestärkt, 40 Prozent erklären, ihre Position gehalten zu haben. Geschwächt sehen sich 6 Prozent, keine Aussage machten 16 Prozent. Befragt wurden 143 Topmanager von Großunternehmen und umsatzstarken Mittelständlern.

Aus Kreisen der Automobilindustrie geben nur 28 Prozent der Vertreter an, ihre Position verbessert zu haben. Viele Unternehmen sehen sich von der Pandemie negativ betroffen. Fast alle Großunternehmen geben an, sich in der Krise stark verändert zu haben. Die Digitalisierung hätte fast alle beschleunigt. Mehr als die Hälfte würden Fusionen oder Übernahmen planen. Rund jedes dritte Unternehmen habe Stellen abgebaut.

Die tatsächlichen und die vermuteten deutschen Erfolge scheinen im Ausland Anklang zu finden. Umfragedaten von Gallup zufolge beurteile man im Vereinigten Königreich das, was sich in Deutschland und sogar in der EU abspiele, überwiegend positiv. Pünktlich zum Brexit liege die Zustimmung der Briten gegenüber der EU-Führung mit 49 Prozent auf Allzeithoch. Seit Jahren schenken die Briten der deutschen Führung mehr Zustimmung als der eigenen. Zuletzt hat der Vorsprung von Angela Merkel gegenüber Boris Johnson einen neuen Höchststand erreicht.

Dass sich die internationalen Kräfteverhältnisse im Zuge der Pandemie und der sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Veränderungen sowie aufgrund der zu erwartenden Neuausrichtung nach den Präsidentschaftswahlen in den USA verschieben werden, davon gehen derzeit viele Beobachter aus. Für Diskussionen sorgt, wer zu den Gewinnern zählen wird.

Als potenzieller Kandidat für die Führungsposition im Wettlauf durch die Pandemie wurde in letzter Zeit wiederholt Deutschland genannt. Die deutsche Antwort auf die Pandemie habe die schon zuvor existierenden Stärken des Landes hervorgehoben, so ein Meinungsbeitrag in der "New York Times". Eine effiziente Regierung, ein Ruf für industrielle Exzellenz, die wachsende Fähigkeit, fortschrittliche Technologiefirmen zu schaffen, und ein niedriger Schuldenstand hätten zu systematischen Wettbewerbsvorteilen geführt.